Happy days

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Kai

„There is power in ending.
It takes you to the beginnings of what is meant for you."
- heba nazar

Juli 2023

Nervös wippe ich mit meinem Bein auf und ab, als wir das Ortsschild von Borgfeld passieren. Julian legt beruhigend seine Hand auf mein Knie  und lächelt mir zu.
„Das wird schon, Havy. Es sind nur meine Eltern. Die wollen uns nichts Böses", versichert er mir.
Ich atme tief durch und versuche mir genau das klarzumachen. Ich habe die beiden doch im Stadion schon getroffen und da waren sie auch nett. Ich weiß gar nicht, warum ich mir so einen Stress mache. Aber wenn ich daran denke,  wie sie zu erst auf unsere Beziehung reagiert haben, dreht sich mir der Magen um.
„Ich weiß, ich weiß. Aber irgendwie... Keine Ahnung, was wenn sie es sich doch anders überlegt haben und lieber hätten, dass du eine Frau datest", murmle ich und weiche seinem Blick aus indem ich aus dem Fenster sehe. 
„Also das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, aber wenn das entgegen aller Wahrscheinlichkeiten doch zutrifft, dann fahren wir einfach wieder", versichert er mir. Ich seufze schwer und versuche mich zu entspannen.
„Komm, hab ein bisschen Vertrauen in sie, Havy. Ich weiß, sie haben's am Anfang ganz schön verkackt, aber sie haben sich total dran gewöhnt und freuen sich jetzt richtig für uns", redet er weiter und lenkt das Auto in eine Seitenstraße. Nicht mehr lange und wir sind da, dann gibt es sowieso kein Zurück mehr.
„Aber was wenn sie-" Er drückt sanft mein Bein und sieht mich schwermütig an.
„Ach Baby, ich dachte du hast mit ihnen gesprochen und sie waren nett zu dir? Was ist heute los, dass du dir so viele Sorgen machst?", fragt der ältere mich seufzend. Ich schlucke schwer und presse die Lippen zusammen.
„Vor ein paar Tagen warst du doch noch nicht so besorgt deswegen", murmelt Jule und richtet den Blick wieder auf die Straße. Mir war nicht bewusst, dass es mich so beeinflussen würde. Ich hätte mir gewünscht das wäre anders. Es sollte mir egal sein, dass mein Vater mir wieder geschrieben hat. Eine sms, weil ich ihn bei WhatsApp blockiert habe. Eigentlich lächerlich, dass er immer noch diesen Einfluss auf mich hat.
„Mein Vater hat mir geschrieben", nuschle ich.
„Was? Jetzt ehrlich?" Ich seufze schwer und nicke dann langsam.
„Ach Kai wieso sagst du denn nichts?"
„Ich... Keine Ahnung, ich dachte wenn ich es ausspreche gebe ich ihm wieder Macht über mich", versuche ich zu erklären. Hoffentlich ist Jule nicht wieder angepisst, dass ich ihm nichts gesagt habe.
„Man Kai ehrlich eh... Sowas musst du mir doch sagen. Was wollte er? Ich dachte du hast ihn blockiert?" Er klingt schon etwas sauer. Aber das Thema Kommunikation hatten wir auch gerade erst. Kein Wunder, dass Jule da so sensibel reagiert.
„Er hat mir eine sms geschickt. Ich habe ihn da dann auch blockiert. Der wollte mir eh nur mitteilen, wie erbärmlich ich bin, weil ich zurück nach Deutschland gewechselt bin und dass er sich gerne angesehen hat, wie ich jedes Spiel beleidigt wurde. Er meinte er findet es schade, dass ihm das jetzt verwehrt wird. Und er gibt mir natürlich die Schuld an der Trennung von Mama und daran, dass Lea und Jan ihn nicht sehen wollen", erzähle ich möglichst monoton. Ich will nicht, dass Jule sofort merkt wie sehr mich das trotz allem verletzt. Obwohl ich doch längst mit meinem Vater abgeschlossen haben wollte.
„Dieser verdammte...", knurrt der ältere und umklammert das Lenkrad fester. Ich kann das Haus seiner Eltern schon sehen
„Kein Wunder, dass du dir so viele Gedanken machst... Ich werde nie verstehen, wie man so ein Arschloch sein kann. Es tut mir leid, dass er scheinbar kein bisschen zur Vernunft gekommen ist."
„Mir auch", hauche ich fast tonlos.
Der blonde ist ziemlich aufgebracht und ich kann es ihm nicht verübeln. Würde jemand so mit Jule sprechen, dann würde ich sicher auch so reagieren.
Jule parkt das Auto auf dem Hof und nimmt meine Hand in seine.
„Bitte sprich mit mir, wenn solche Dinge passieren. Vor allem, wenn sie dich so belasten."
Er sieht mich ernst an und legt seine andere Hand in meinen Nacken.
„Es belastet mich ja gar nicht", lüge ich und zwinge mir ein Lächeln aufs Gesicht. Jule hebt eine Augenbraue und sieht mich an wie ein strenger Vater.
„Kai, komm schon. Ich bin nicht dumm", ermahnt er mich.
„Tut mir leid, du hast recht. Ich hätte es dir erzählen müssen.", lenke ich ein.
„Ich komme mir nur immer so erbärmlich vor. Immer musst du dich um mich kümmern", füge ich hinzu und sehe ihn beschämt an. Er legt den Kopf schief und richtet seine graublauen Augen auf mich, die selbst wenn er sauer ist, noch viel zu fesselnd auf mich wirken.
„Ach Havy, erstens kümmere ich mich sehr gerne um dich und zweitens ist das völlig normal in so einer Situation verletzt und traurig zu sein. Deshalb bist du ganz sicher nicht erbärmlich", redet er mir ins Gewissen und sieht immer noch wenig begeistert aus.
„Es tut mir leid, bitte sei nicht sauer, ja?", bitte ich ihn schuldbewusst.
„Als könnte ich dir böse sein, wenn du mich so ansiehst", seufzt er, während ein Lächeln um seine Mundwinkel zuckt.
„Mach dir keine Sorgen wegen meinen Eltern. Sie sind nicht so wie er. Versprochen Havy", meint er und zieht mich an meinem Nacken näher zu sich, bis seine Stirn an meiner liegt.
„Ich weiß. Ich hätte nicht gedacht, dass seine Nachricht mich wieder so aufwühlen würde. Ich dachte ich hätte ihn gut genug aus meinem Leben verbannt." Jule streicht über meinen Hinterkopf und drückt mit der anderen Hand sanft meine, die er noch immer festhält.
„Verstehe, aber er ist auch immer noch dein Vater. Ich glaube es kann einem gar nicht komplett egal sein, was der eigene Vater sagt. Auch wenn deiner nur Scheiße labert."
Ich lache bitter auf. Wahrscheinlich hat Jule recht und mein Vater wird mir nie komplett egal sein, auch wenn ich es mir anders wünschen würde.
„Also mach dich nicht verrückt nur weil dich das nicht so kalt lässt, wie du's gern hättest", versucht er mich aufzumuntern. Seine Stirn liegt immer noch an meiner.
„Seit wann bist du so weise geworden?", frage ich schnaubend.
„War ich schon immer, aber du meintest ja Mitch wäre weiser", lacht er. Zärtlich lege ich meine Lippen auf seine und bringe ihn damit zum schweigen. Der blonde erwidert den Kuss und vertieft diesen noch. Sanft streicht er mit durch die Haare, bevor er sich wieder von mir löst.
„Du bist so ein Spinner, Jule." Er lacht laut auf.
„Genau! Und was bist du dann?" Ich zucke mit den Schultern.
„Vielleicht sind wir ja beide Spinner."
Der blonde schüttelt lachend den Kopf und küsst mich erneut.
„Wollen wir reingehen?", fragt er vorsichtig. Meine Nervosität ist schon etwas abgeklungen und ich fühle mich deutlich zuversichtlicher als vor unserem Gespräch.
„Ja, ich glaube ich bin jetzt bereit."
„Wie das klingt... Du wirst nicht zum Schafott geführt, Havy." Verwirrt runzle ich die Stirn.
„Zum was? Digga was laberst du wieder?" Der blonde lacht auf.
„Als ob du nicht weißt was das ist", lacht er.
„Ne weiß ich auch nicht. Tu mal nicht so als wäre das ein normales Wort." Wieder lacht er.
„Da hat man Leute für ihre Hinrichtung hingebracht", erklärt Jule jetzt endlich den seltsamen Begriff.
„Ah ja okay. Macht total Sinn, dass du das weißt", brumme ich, während wir aus dem Auto aussteigen.

You broke me first- BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt