Reality check

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Kai

„I always think I'm over vou, always think I've done so well, made so much progress, found a flaw that will turn me off from you, but then I see you. Then I see you. I freakin' just see you. And the cycle starts again."
- unknown

Mai 2022

Resigniert lasse ich meine Hand sinken und weiche etwas von Jule zurück.
Was macht sie hier? Er hat doch gesagt, dass sie keinen Urlaub bekommen hat. Also warum zur Hölle steht diese Anna jetzt hier?
Sie steht einfach so hier in der Lobby, einen Koffer neben sich und eine Louis Vuitton Handtasche über der Schulter. Von seinem Gehalt scheint sie also schon mal zu profitieren. Eine von diesen typischen Spielerfrauen, die es sich auf seine Kosten gut gehen lässt.
Ich hätte nie gedacht, dass Jule auf sowas stehen würde. Ihre blonden Haare hat sie in einem unordentlichen Dutt zusammengebunden, der wahrscheinlich cool wirken soll. Dazu trägt sie ein kurzes weißes Shirt und eine weite schwarze Stoffhose. Schon unangebracht hier in sowas aufzutauchen. Anna hat sich auch noch ein cremefarbenes Hemd, dass offensichtlich Jule gehört, über die Schultern gelegt. Hat sie denn keine eigenen Sachen, die sie anziehen kann?
Ansonsten sieht sie genauso aus, wie auf all den Fotos, die ich schon von ihr gesehen habe. Blond, schlank, relativ groß und mit diesem dämlichen Lächeln im Gesicht.
Wenn's nach mir ginge, könnte sie auch gleich wieder gehen.
Jule steht immer noch ziemlich perplex neben mir, als sie grinsend auf uns zu kommt. Sein Blick sieht so geschockt aus, wie ich mich fühle.
„Freust du dich gar nicht?", schmunzelt sie belustigst und Julian erwacht aus seiner Starre. Plötzlich strahlt er wie ein Honigkuchenpferd.
„Was? Doch natürlich freue ich mich, Engel. Ich war nur etwas überrascht", lacht er die Situation weg und schließt sie in seine Arme. Sie küsst ihn zur Begrüßung und er erwidert es. Natürlich erwidert er den Kuss. Was habe ich erwartet? Mein Herz zieht sich zusammen und mir dreht sich der Magen um, als er sie an der Hüfte näher an sich zieht.
Der Mann, der vor nicht mal 30 Minuten noch meinen Schwanz im Mund hatte und mein Sperma geschluckt hat küsst jetzt seine Freundin. Das kann doch alles nicht wahr sein.
Was mache ich hier eigentlich noch? Warum sehe ich mir das auch noch an?
Endlich lösen die beiden sich wieder voneinander.
„Oh ähm, Kai das ist Anna. Anna, das ist Kai", macht Jule uns unnötigerweise miteinander bekannt. Als wüsste ich nicht, wer sie ist und umgekehrt.
„Hi Kai", lächelt sie freundlich, während Jule den Arm um sie legt. Ich nicke ihr zu und murmle etwas, was entfernt nach Hallo klingt.
„I-ich muss weg", nuschle ich schnell und so leise, dass man wahrscheinlich kaum versteht, was ich sage. Ich kann keine Sekunde länger neben Jules Freundin stehen, nicht nach dem, was schon wieder zwischen uns passiert ist.
Ich wusste von Anfang an, dass es eine dumme Idee ist mich wieder auf ihn einzulassen. Wäre da nur nicht Hansis dämliche Vertrauensübung gewesen, hätte ich ihm sicher weiter aus dem Weg gehen können. Ich wende mich von den beiden ab und drücke auf den Fahrstuhlknopf. Zum Glück öffnen sich die Türen sofort und ich kann einsteigen.
„Havy warte mal, dann können wir die Sachen von Anna gleich hochbringen", meint er und steigt ernsthaft mit seiner Freundin zu mir in den Fahrstuhl. Merkt er nicht wie fucking unangenehm mir diese Situation ist? Es fühlt sich an wie eine verfluchte Ewigkeit, bis die Türen sich schließen.
„Ich habe heute frei, also können wir den ganzen Tag miteinander verbringen, mein Engel", grinst der Blonde in Richtung seiner Freundin.
„Ich weiß, ich habe meine Anreise extra so geplant, dass ich viel Zeit mit dir habe", säuselt sie und ich schnaube leise. Hatten wir nicht Pläne? Wirft er jetzt alles über den Haufen, nur weil sie hier aufgetaucht ist? War das mit mir wieder nur ein scheiß Fehler?
„Und was ist mit mir?", frage ich genervt und sehe Jule direkt in die Augen. Sein Blick wirkt fast etwas panisch, bevor er wieder sein Lächeln aufsetzt. Glaubt er ich erzähle ihr jetzt brühwarm, dass wir Sex hatten, oder was?
„Was soll sein? Anna ist endlich hier und ich will lieber etwas mit ihr machen. Du kannst doch mit Timo allein in die Stadt gehen", meint er und zuckt mit den Schultern.
Keine Ahnung, ob die Mehrdeutigkeit seiner Worte beabsichtigt ist.
„Ich will eure Pläne nicht crashen. Vielleicht kann ich ja einfach mitkommen", schlägt Anna vor. Ich versuche freundlich zu gucken als ich in ihre Richtung schaue und den Kopf schüttle.
„Lass mal. Jule hat sich schon entschieden", murmle ich möglichst fest, während der ältere meinem Blick ausweicht. Meine Doppeldeutigkeit ist allerdings mehr als absichtlich so gewählt.
„Viel Spaß euch", grinse ich gequält und würde dabei gern kotzen. Jule sagt nichts, aber Anna bedankt sich höflich. Natürlich sagt er nichts. Doch die Reue in seinem Gesicht sagt mir schon alles, was ich wissen muss. Seinen Mund muss er dafür gar nicht erst öffnen.
Er zieht diese Scheiße nochmal mit mir ab. Ich hätte es wissen müssen. Schon als er heute morgen wieder ganz kurz diesen Blick draufhatte und ich ihn gebeten habe nicht mehr nachzudenken, hätte es mir klar sein sollen.
Fuck, ich kann das nicht schon wieder. Ich habe doch so gute Fortschritte gemacht. Sobald die Tür des Fahrstuhls sich öffnet, stürze ich nach draußen und laufe auf direktem Weg zu meinem Zimmer. Meinem Zimmer, welches neben dem von Julian liegt. Gestern Abend habe ich mich noch darüber gefreut und es für eine Fügung des Schicksals gehalten. Heute ist es die reinste Horrorvorstellung. Ich beeile mich meine Karte hervorzuholen, um nicht wieder so unangenehm neben Jule und dieser Anna stehen zu müssen.
Schnell schiebe ich mich in mein Zimmer und knalle sofort die Tür hinter mir zu.

You broke me first- BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt