Julian
„And after all these months, it's still you. It was always you."
- I wish we were togetherSeptember 2022
Wie bestellt und nicht abgeholt stehe ich im Türrahmen und beobachte, wie meine Exfreundin ihre Sachen in eine der Taschen stopft, die sie mitgebracht hat. Es fühlt sich an als sollte ich etwas sagen. Aber ich habe wirklich keine Ahnung was. Anna weiß mittlerweile wahrscheinlich, dass es mir leidtut. Sehr sicher sogar. Ihre Freundin Vanessa kommt aus dem angrenzenden Bad und hat dort bereits alles zusammengepackt. Anna nickt die kleineren Brünetten zu und steht kurz darauf vor mir. Perplex kratze ich mich am Hinterkopf.
„Du stehst im Weg", meint sie emotionslos. Sie wirkt so kalt und gefasst, aber ihrer geröteten Augen verraten mir wie nah ihr das Ganze wirklich geht. Ich schlucke und trete schließlich zur Seite, um ihr Platz zu machen. Einmal mehr wird mir klar, was ich ihr mit meinem Verhalten angetan habe. Vanessa rümpft die Nase, als sie Anna in den nächsten Raum folgt. Sie räumen weiter die Sachen der Blonden ein, während ich wieder danebenstehe.
Ich fühle mich so fehl am Platz in meiner eigenen Wohnung, dass ich am liebsten gehen würde. Andererseits habe ich wohl ganz genau das verdient. Dass ich mich unwohl fühle ist wohl das Mindeste.
„Das war dann alles, denke ich. Wenn du noch Sachen findest, gib sie Karim." Verwundert runzle ich die Stirn.
„Karim? Warum Karim?" Sie seufzt leicht genervt darüber.
„Weil er mich freundlicherweise bei sich aufgenommen hat", erklärt sie reserviert. Ich wusste ja, dass die beiden sich gut verstehen, seitdem Karim nach Dortmund gezogen ist, aber dass sie sich so gut verstehen, ist mir neu.
„Oh äh okay. D-dann gebe ich die Sachen wohl Karim." Ein knappes Nicken und ein überfreundliches Lächeln sind alles, was ich noch von Anna bekomme, bevor sie sich von mir abwendet und gefolgt von Vanessa und bepackt mit ihren Sachen die Wohnung verlässt.
Unsere Wohnung, die jetzt wieder meine Wohnung ist. Ich habe einfach alles kaputt gemacht...
Erschöpft trotte ich ins Wohnzimmer, wo ich mich auf die Couch fallen lasse. Die letzten zwei Tage waren wirklich... wild. Anders kann man es nicht sagen. Nur langsam kommt das volle Ausmaß bei mir an. Die Frau, die gestern noch meine Freundin war und mit mir zusammengelebt hat, ist jetzt meine Exfreundin und einfach ausgezogen. Das alles nur, weil ich so verflucht feige und unvorsichtig war. Ich hätte mich nur eine verfluchte Nacht zusammenreißen müssen. Nicht mal das habe ich geschafft. Kai hat einfach etwas unwiderstehliches an sich. Zumindest für mich. Verdammt ist das alles scheiße gelaufen... Anna hätte das niemals so herausfinden dürfen. Ich schäme mich immer noch extrem dafür, dass sie uns erwischt hat. Wie furchtbar das für die jüngere gewesen sein muss mich so zu sehen. Noch in Kai und kurz davor zu kommen... Ich wünschte wirklich das wäre anders gelaufen. Wenn ich es ihr doch einfach nach dem Urlaub hätte erklären können... Ich hätte es ihr schonend beibringen können. So hätte es ihr sicher wehgetan, aber es wäre sicher nicht mal halb so schlimm, wie die Situation jetzt. Und dass sie jetzt bei Karim ist, finde ich irgendwie auch komisch. Als hätte sie keine eigenen Freunde, bei denen sie unterkommen könnte. Das sollte mir eigentlich auch egal sein... oder? Wie soll ich mich in dieser Situation überhaupt fühlen? Gott ich weiß gar nichts mehr. Meine Gefühle sind so überfordernd verdammt. Auf der einen Seite fühle ich mich schuldig und fertig und andererseits bin ich krass erleichtert, dass es endlich raus ist. Keine Lügen mehr, kein Fremdgehen mehr und kein Drama. Voraussetzung dafür, dass es ab jetzt kein Drama mehr gibt, wäre es natürlich die Sache mit Kai zu klären. Wenn ich nur wüsste, was ich ihm überhaupt sagen will. Ich kann ihm ja schlecht meine Liebe gestehen. Damit würde ich doch wieder direkt alles zwischen uns kaputt machen. Selbst wenn er die Wahrheit gesagt hat und jetzt nicht mehr so denkt wie früher, kann ich mir nicht vorstellen, dass er schon so weit ist. Dafür ist zu viel passiert. Habe ich wohl jemals aufgehört Kai zu lieben? Ich dachte lange, dass ich wirklich über ihn hinweg wäre. Wie falsch ich dabei lag, hat sich ziemlich schnell gezeigt...
Ob ich mich wieder auf Kai einlassen kann? Ob er mich überhaupt will, nachdem ich ihm so oft wehgetan habe? Ich will ihn und ich will mit ihm zusammen sein, aber ich will auch nicht, dass es so wird wie früher. Ich würde das nicht noch einmal ertragen. Wenn ich nur daran denke, wie er mich damals immer wieder von sich gestoßen und mich aus seiner Gefühls- und Gedankenwelt ausgeschlossen hat, zieht sich mein Herz zusammen. Er hat immer komplett dicht gemacht, wenn es ihn zu ernst wurde, oder es mal wieder zu sehr um seine Sexualität ging. Keine Ahnung, ob ich das nochmal mit ihm durchstehen kann. Keine Ahnung, ob meine Liebe reicht...
Was mache ich denn nur? Wenn ich doch nur mit jemandem darüber reden könnte. Aber warum eigentlich nicht? Von Kais Freunden wissen schließlich auch gefühlt alle Bescheid. Zumindest wenn ich die Aktionen von den Engländern beim Länderspiel richtig interpretiert habe. Und was Timo von mir hält, hat er mir auch mehrmals deutlich gemacht. Warum habe ich immer noch das Bedürfnis Kai zu schützen, indem ich alles für mich behalte? Ich schaffe das nicht mehr allein. Die ganze Zeit habe ich versucht das alles mit mir selbst auszumachen. Angefangen bei den Problemen innerhalb der Beziehung und dann der Trennung bis hin zu den Gefühlschaos, dem Fremdgehdrama und überhaupt allem, was mich die ganze Zeit belastet hat. Jetzt ist der Punkt gekommen, an dem auch ich nicht mehr kann. Es ist einfach zu viel. Ich habe keine Ahnung, was ich verdammt nochmal machen soll. Schon gar nicht wegen Kai. Im Moment ist die Angst davor wieder verletzt zu werden übermächtig und erdrückend groß. Wie soll ich das Kai erklären? Ich will ihm doch nicht schon wieder wehtun, aber ich will eben auch nicht verletzt werden. Was ist das schon wieder mit mir? Warum weiß ich denn nie, was ich tun soll? Ich brauche definitiv Hilfe. Allein komme ich ja scheinbar gar nicht mehr klar... Jannis, schießt mir als erster durch den Kopf. Auch wenn der gerade schon wieder sonst wo unterwegs ist. Vielleicht kann er sich zumindest morgen mit mir treffen.
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You broke me first- Bravertz
FanfictionKai und Julian sind Freunde, beste Freunde. Zumindest für alle anderen. Nur die beiden wissen, dass zwischen ihnen noch so viel mehr ist als das. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als er seine Nase in meinen Haaren vergräbt und mich einfach nur f...