In einer weit entfernten Zukunft ...
Ich starre aus dem Fenster. Draußen heult ein Gewitter. Die Bäume schlagen ihre Äste auf und ab. Die Regentropfen knallen an die Fensterscheibe. Der Himmel ist verdunkelt, obwohl es erst Mittag ist.
Ich mag dieses Wetter. Ich liebe die Geräusche, wenn der Regen gegen die Scheibe tropft.
Es erinnert mich an sie ... An unsere erste gemeinsame Nacht.
Ich versuche, mich mehr aufzusetzen, doch meine Knochen schmerzen bei jeder Bewegung. Meine Muskeln wollen nicht mehr so, wie ich es gern hätte. Ich bin alt.
Ich bin nicht mehr der Kerl von damals, der ewig lange über die Bühne gesprungen ist. Die Zeiten sind vorbei. Mein Haar ist weiß, teilweise ausgefallen. Meine Haut faltig. Meine Sehkraft hat nachgelassen und auch meine Ohren sind nicht mehr die Jüngsten.
Die Zeit läuft schon gegen mich ... Tick tack Tick tack ...
Die Tür öffnet sich und Schwester Melody lächelt mich freundlich an. »Wie sieht es heute bei Ihnen aus, Herr Kopplin?«
»Ich bin noch da.« , antworte ich ihr mit einem gedankenschweren Unterton.
Sie schiebt den Servierwagen hinein. »Möchten Sie vielleicht etwas Tee?«
»Nein, danke.«
Sie beginnt meinen Blutdruck zu messen. »Etwas niedrig heute.« , murmelt sie.
Obwohl ich es verneint habe, schüttet sie mir ein klein wenig Tee in eine Tasse und setzt sich zu mir. »Herr Kopplin, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber mir ist aufgefallen, dass Sie nie Besuch haben. Kann ich vielleicht jemandem Bescheid geben, dass Sie sich hier aufhalten?«
Ich lächle sie an und lege meine knochigen tätowierten Finger auf ihre junge, geschmeidige Hand. »Es gibt niemanden den sie anrufen könnten.«
»Sie sind so ... ohne Angst.«
»Wieso sollte ich mich vor dem Tod fürchten? Er gehört zum Leben dazu.«
Sie schluckt schwer. Ich weiß, dass sie mich nicht versteht. Das können nur wenige. Sie ist nicht in der Lage zu begreifen, dass ich mich freue ... ich freue mich, alle endlich wieder zu sehen. Meine Mutter. Meinen besten Freund Vincent, der erst kurz vor mir diese Reise ging. Und allen voran ... sie. Da ich sie zuerst verloren habe.
Tick tack Tick tack ...
»Wären Sie so nett mir meine Mappe zu geben?« , frage ich sie.
Sie nickt, steht auf und tippelt zu meinem Schrank. Vorsichtig zieht sie den goldfarbenen alten Hefter heraus und reicht ihn mir. Meine Hände verweilen einige Sekunden darauf.
»Sie waren Musiker nicht wahr?«
Es ist schon lange her. Meine Hände sind mittlerweile viel zu zittrig, als das ich eine Gitarre überhaupt noch spielen könnte. »Ja das war ich einst.«
»Ich habe dafür null Talent.« , lacht sie. »Wenn ich singe, gehen die Katzen laufen.«,
»Jeder ist in irgendetwas gut.«
Ich öffne meine Mappe und ziehe einige Bilder heraus. Das Erste ist ein Aquarellbild eines Hauses. Das Heim, wo ich sie zuletzt gesehen habe.
»Das sieht sehr schön aus.« , gibt Melody von sich.
Erneut öffnet sich die Türe und Alana – ebenfalls eine Krankenschwester – steckt ihren Kopf gerade so halbwegs durch den Türspalt. »Melody, hier bist du ja. Ich habe dich schon gesucht.« Sie betritt den Raum. »Du hast doch gesagt, wir treffen uns nach der Schicht unten.«
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Du und ich, nur wir beide
FanfictionTriggerwarnung: SVV, Suizid Dag weiß nichts über das Mädchen, welches ihn seit seinem Einzug ständig aus dem Haus gegenüber beobachtet. Engel lebt komplett zurückgezogen und vermeidet jeglichen Kontakt mit anderen. Langsam und behutsam gelingt es i...