Es war zwei oder drei Uhr morgens, als ich wie gehabt in meine Räumlichkeit trat.
Mein erster Gang war zum Fenster, wo Engel auch direkt wieder zu sehen war. Ich winkte ihr zum Abschied nochmal zu und schloss dann den Vorhang.
Meine Gitarre, die ich geholt hatte, als sie mich darum gebeten hatte, stellte ich zurück in eine Ecke.
Sie hörte mir gerne zu. Und ich sang und spielte bereitwillig für sie.
Irgendwie hatte sie es am liebsten, wenn ich ihr Songs von Elvis Presley oder Johnny Cash vorsang.
Engel sagte, dass sie meine Stimme liebte.
Ich checkte mein Handy. Vincent hatte sich gemeldet. Er hatte den Tag mit Bel-Air verbracht und mir in Kurzfassung erzählt, wie toll er sie doch fand.
- Ich glaube, ich hab Gefühle für Engel.
Schrieb ich ihm zurück.
- Hey, das freut mich für dich. Engel und Bel-Air. Muss doch ein gutes Omen sein, wenn wir beide uns für Mädchen mit seltsamen Namen interessieren.
Ich schmunzelte.
- Ja hoffentlich.
- Dann können wir ja demnächst mal etwas zu viert unternehmen.
- Ja, wieso nicht.
Gab ich als Antwort, aber musste zeitgleich daran denken, dass sie vorhin nicht mal mit mir alleine raus wollte.
Okay, jeder Mensch war anders. Und vielleicht war sie auch lieber ... alleine. Dennoch fand ich es ein bisschen seltsam.
Sie wollte auch, dass ich sie wieder einschließe.
Was ich noch weniger verstand.
Es war, als gelüstete es sie gar nicht, die Möglichkeit haben rauszugehen. Wie ein Gefangener, der sich weigerte, seine Zelle zu verlassen.
Der alte Mann kam mir wieder in den Sinn. Die kleinen Dinge, die er von sich gelassen hatte. Ob all das mit Engels Verhalten zusammenlag?
Ihr Vater wohnte nicht da. Das konnte ich mir mittlerweile ja denken, so wie der Kerl gesprochen hatte. Es war, als hätte er das Haus nur gekauft, um ... ja, um Engel dort unterzubringen.
Doch wozu?
Dieser Viktor, kam der vorbei, um nach ihr zu sehen?
Irgendwie fand ich das Ganze sehr rätselhaft. Ich hatte auch für einen kleinen Moment das Bedürfnis gehabt mit ihr darüber zu reden. Ein wenig mehr über sie zu erfahren, aber ich wusste auch nicht, wie genau ich das anstellen sollte, ohne anlässlich dessen neugierig zu wirken.
Jeder hatte ein Anspruch auf Privatsphäre und möglicherweise war es ihr gar nicht Recht, wenn ich zu viel wusste.
Und dennoch machte ich mir Sorgen.
Sie sah bedrückt aus. Glücklich war sie nicht. Es war, als wollte sie raus, aber ... konnte nicht. Oder durfte nicht. Ich wusste es nicht, aber irgendwas hielt sie ab.
Ich hatte ihr angeboten, den nächsten Tag abermals mit ihr zu verbringen. Wenn sie schon nicht hinaus wollte/konnte, musste sie dafür ja nicht mutterseelenallein sein.
Zudem wollte ich wahrlich bei ihr sein. Durch sie hatte ich wieder richtig Spaß dabei, etwas Neues in ein Musikstück zu verfassen ... und wenn sie nur da saß und malte. Ihre Anwesenheit alleine war nur nötig.
Wie eine Muse.
Ich drehte mich auf den Rücken und starrte die Decke an.
Engel lebte alleine.
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Du und ich, nur wir beide
FanfictionTriggerwarnung: SVV, Suizid Dag weiß nichts über das Mädchen, welches ihn seit seinem Einzug ständig aus dem Haus gegenüber beobachtet. Engel lebt komplett zurückgezogen und vermeidet jeglichen Kontakt mit anderen. Langsam und behutsam gelingt es i...