Meine Türe wurde aufgerissen. »Mein Gott, würdest du endlich nach unten kommen, damit deine Mutter fahren kann.«
Verschlafen sah ich auf die Uhr neben mir. Es war kurz vor neun, falls ich es richtig erkannte, denn meine Augen bekam ich gerade mal so auf.
Ich schaute zur Türe. Jörg war nicht mehr zu sehen.
Durfte man einfach so sein Schloss ändern lassen?
Falls ja, wollte ich das unbedingt in Angriff nehmen.
Ich hatte schon ewig lange nicht mehr so tief und fest geschlafen.
Ich ging schnell ins Badezimmer, um mit etwas Wasser mein Gesicht aufzufrischen. Ich sah schrecklich aus. Meine rechte Gesichtshälfte besaß jetzt ein Blumenmuster, von der gehäkelten Decke neben mir, die meine Oma mal gemacht hatte, als ich noch winzig war. Leicht rubbelte ich über meine Wangen, um etwas Farbe zu bekommen. Meine Locken standen in alle Himmelsrichtungen ab.
»Daaaaaaaaaaag.« , hörte ich die giftige Stimme meines blonden Albtraumes.
»Ich komme.« , keifte ich zurück.
Wütend stampfte ich die Stufen hinunter und betrat die bereits offenstehende Wohnung. Jörg saß mit einem Kaffee alleine dort und blätterte in irgendeiner Zeitschrift herum.
»Wo ist meine Mutter?« , fragte ich ihn.
Sein Grinsen wurde breiter. »Oh mein lieber Junge. Sie hat hier bis auf die letzte Sekunde gewartet, aber du kamst und kamst nicht.«
Ich visierte die große viereckige Uhr, die dort hing.
9:58.
Wie war das nur möglich? Wir hatten kurz vor neun, als ich aufgestanden war? Oder?
Ich war verwirrt.
»Was ist los mit dir?« , fragte er mich mit einem hinterhältigen Lächeln.
»Als du mich eben gerufen hast, hatten wir fast neun Uhr.«
»Oh wirklich? Ach ich bin aber auch ein Schussel.« Er stand auf und kam an mir vorbeigeschlendert. »Gestern bin ich kurz oben gewesen, weil deine Mutter ihre Lieblingstasse gesucht hat. Dabei ist mir deine Uhr hingefallen. Sie muss doch tatsächlich zurückgesprungen sein.«
»Das hast du extra gemacht.«
»Wieso sollte ich?«
»Du weißt ganz genau wieso. Damit ich mich nicht mehr verabschieden konnte.«
Sein Grinsen war so widerlich, das ich ihm am liebsten alle Zähne rausschlagen hätte.
»Deine Mutter war echt traurig. Aber sie hat mal wieder gesehen, wie unzuverlässig ihr Spross ist.« , sagte er. »Ach ja, ihr Handy hat sie versehentlich hier liegen lassen. Nur damit du Bescheid weißt, falls du sie kontaktieren möchtest.« Er fuchtelte mit ihrem Mobiltelefon in der Luft herum.
Aufgebracht marschierte ich wiederkehrend hinauf. Ich trat gegen die Kartons und boxte gegen die Wand, die demzufolge danach schmerzte.
Ich hasste ihn. Ich wünschte mir so sehr, dass meine Mutter sich endlich trennen würde. Was fand sie an diesem Hampelmann so toll?
Ich griff zu meinem Handy. Acht verpasste Anrufe von Marie. Ich fragte mich, was sie jetzt schon wieder wollte. Gerade als ich dabei war meine Vorhänge zur Seite zu schieben, fiel mir ein, dass ich noch in Boxershorts und oben ohne herum watschelte. Ich ließ alles so, wie es war, und ging zum Badezimmer. Ich wollte nicht, dass Engel mich zufällig so sah. Nicht das ich mich schämte, aber auf irgendeine Weise wollte ich sie nicht erneut in so eine Lage bringen.
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Du und ich, nur wir beide
FanfictionTriggerwarnung: SVV, Suizid Dag weiß nichts über das Mädchen, welches ihn seit seinem Einzug ständig aus dem Haus gegenüber beobachtet. Engel lebt komplett zurückgezogen und vermeidet jeglichen Kontakt mit anderen. Langsam und behutsam gelingt es i...