Als ich in die Straße, in der ich lebte, zu Fuß einbog, sah ich sie bereits vor meiner Eingangstüre auf der einzigen Stufe sitzen.
Es war Marie.
Schon als ich näher trat, sah ich das dicke Veilchen um ihr linkes Auge herum. Sofort beeilte ich mich und kniete mich vor sie hin. Sie heulte.
»Was ist passiert?« , fragte ich sie voller Sorge. Statt zu antworten, fiel sie mir sitzend in die Arme und weinte bitterlich. Beschützend drückte ich sie an mich. »Wer war das?«
»M-n Va-ta.« , schluchzte und wimmerte sie in einem.
»Dein Vater?« , hakte ich nach und schob sie wieder aufrecht hin, nachdem ich merkte, wie sie mir den Hals vollrotzte.
Sie nickte und schniefte die Nase hoch.
Ich blickte zurück und sah Engel am Fenster stehen. Per Handzeichen zeigte ich ihr, dass ich gleich rüberkommen würde, dann half ich Marie auf die Beine. »Lass uns kurz rein.« , sagte ich und führte sie in den Hausflur.
Als wir oben ankamen, schüttete ich ihr ein Glas Wasser ein. Anschließend ging ich ans Fenster. Engel war noch immer zu sehen. Ich hob erneut meine Hand, um mich auch zu entschuldigen, ehe ich ihr abermals versuchte klarzumachen, das ich gleich sofort zu ihr käme.
Marie setzte sich derweil auf mein Bett.
Ich drehte mich um zu ihr. »Was ist geschehen?«
»Er geht.« , schniefte sie. »Er lässt uns allein.«
Ich hockte mich, wie vorhin auch, nochmalig vor sie hin. »Du weißt genau, das er immer wieder kommt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Er hat eine Neue.«
»Bist du dir sicher?«
Nun nickte sie. »Er hat's gesagt. Er sagte, er hat keine Lust mehr auf dieses beschissene Leben mit uns.«
»Das ... das tut mir leid.« , sprach ich. »Aber ... seht es positiv. Ihr seid ihn endgültig los.«
Marie sah mich sauer an. »Das will ich aber nicht.«
»Du weißt, das es besser ist.«
»Ist es nicht.«
»Natürlich Marie. Er tut euch doch nicht gut. Woran hältst du also fest? An einem Familienleben? Das hat er euch buchstäblich nie gegeben.«
»Ich will meinen Vater wiederhaben.« , schrie sie mich an.
»Warum hat er dich geschlagen?«
»Ich habe gesagt, er wäre ein Arschloch.« , antwortete sie. »Und ich habe ihn angespuckt.«
Rechtfertigte das eine Ohrlasche, so dass sie davon sichtbare Blessuren mit sich herumtragen musste?
»Er hätte dich nicht zurückschlagen dürfen.«
»Ich hab' sie an den Haaren gezogen.« , sprach sie weiter. »Und als sie auf dem Boden lag, hab ich mehrmals auf sie eingetreten.«
»Auf wen?« , fragte ich verwirrt.
»Seine Neue.« , antwortete sie mit zusammengekniffenen Zähnen. »Sie hat im Auto auf ihn gewartet. Diese dreckige Schlampe hat mir meinen Vater genommen. Ihre Nase blutete und dann kam mein Vater, hat mich an den Haaren zurückgezogen und mich geschlagen. Dieser Wichser hat mich geschlagen, weil diese kleine Hure ihm wichtiger ist.«
Mir fiel darauf nichts ein. Außer eine Sache. »Wieso bist du hier? Warum bist du nicht bei Sebastian?«
»Weil ich nicht zu ihm wollte. Ich wollte zu dir.«
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Du und ich, nur wir beide
FanfictionTriggerwarnung: SVV, Suizid Dag weiß nichts über das Mädchen, welches ihn seit seinem Einzug ständig aus dem Haus gegenüber beobachtet. Engel lebt komplett zurückgezogen und vermeidet jeglichen Kontakt mit anderen. Langsam und behutsam gelingt es i...