ᴷᴬᴾᴵᵀᴱᴸ 25

62 17 8
                                    

Zukunft

»Sie ... sie war eine Einbildung?« Melody sieht mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Aber ... der Zeitungsausschnitt?! Wie ...?«

»Sie haben den Ausschnitt bestimmt gesehen und aufgrund ihrer Psychosen diese Illusion gehabt, oder?« , kommt fragend von Alana. »Dort stand bestimmt, was sie getan hatte, und deshalb haben sie das auf sich bezogen. Sie haben quasi mit sich selbst geredet, nicht wahr?«

Interessante Theorie die Alana da aufgestellt hat.

Aber sie ist falsch.

Ich schüttle einfach meinen Kopf und sehe zu meiner Mutter. Sie ist nicht mehr alleine. Vincent ist da und lächelt mich an.

Wie jung er aussieht.

Ich muss schmunzeln darüber, wenn ich bedenke, was für ein alter Sack ich gerade bin.

Beide folgen meinem Blick und stehen auf. »Vielleicht sollten wir Sie wirklich besser jetzt alleine lassen.« , sagt Alana.

Im Grunde ist es mir egal. Die Geschichte ist fast fertig und sie würden den Rest eh nicht verstehen.

Ich weiß nicht mal, wieso ich überhaupt begonnen habe. Vielleicht weil ich nostalgisch momentan veranlagt bin ... und die Uhr tickt.

Ich merke, dass Melody lieber weiter zuhören möchte.

Ich überlege, ob ich die Geschichte eventuell ein wenig anders gestalten könnte ... eine Lüge zwar ... aber mir hätte klar sein müssen, dass sie für die Wahrheit nicht bereit sind.

Die Tür geht auf und eine weitere Krankenschwester schaut hinein. Sie ist viel älter und ihr Name ist mir gerade entfallen, aber sofort blickt diese fragend auf Alana und Melody. »Was macht ihr denn noch hier?«

»Wir wollten Herrn Kopplin noch etwas Gesellschaft leisten.«

Sie checkt meine Werte. »Wollen Sie das ich Ihnen ihr Abendessen bringe?« , fragt sie mich.

Ich verneine es mit einem Kopfschütteln. Ich hab schon länger keinen Appetit mehr ... und das weiß sie auch. Sie sieht zu den beiden jüngeren Krankenschwestern. »Ihr solltet jetzt gehen.«

Mir ist klar, weshalb sie das sagt. Erst vor Kurzem habe ich ihr gesagt, dass ich gerne alleine sterben würde.

Alana kommt zu mir und streichelt kurz meine Hand. »Wir sehen uns morgen, Herr Kopplin.«

Ich nicke und weiß, dass sie genauso gut, wie ich darüber im Bilde ist, dass es kein Morgen geben wird.

Melody lächelt mich mit Tränen in den Augen an. Sie ist mir hier am liebsten gewesen. Vielleicht weil ich sehr oft ihre verletzliche Seite gesehen habe. Ich hoffe, sie findet ihrem Platz im Leben.

Schon möglich das ich deswegen gerne die Geschichte ... die wahre Geschichte ... beendet hätte, um ihr zu zeigen, dass das Leben nicht nur dunkle Wolken bereit hält. Auch wenn es manchmal einem so vorkommt.

»Es regnet immer noch.« , meint Alana zu ihr, als sie zur Türe gehen.

»Es wird aber auch wieder die Sonne scheinen.« , sage ich mit kratziger Stimme und schaue Melody an.

Sie hat mich allem Anschein nach verstanden und nickt.

Dann gehen sie.

Die andere Schwester tritt nochmal näher. »Ich werde jede halbe Stunde vorbeischauen, wenn es Ihnen Recht ist. Ich kann auch jederzeit das Schmerzmittel erhöhen. Niemand muss leiden.«

Ich nicke. »Danke.«

»Ich hab Ihnen das nie gesagt, aber als junges Mädchen war ich totaler Fan von SDP.«

»Später nicht mehr?« , witzel ich.

»Doch.« Sie lacht. »Aber ich war damals zwölf, als ich euch ... entdeckt habe und in jener Zeit wart ihr schon ... fast vierzig. Jetzt bin ich schon dreifache Oma und ... als ich mitbekommen habe, wie Sie eingeliefert worden sind, habe ich mich gefühlt wie zwölf.«

»Ich hätte Sie viel jünger geschätzt.« Ja, ich kann immer noch sehr charmant sein.

Sie schmunzelt und ich entdecke sogar, dass sie rot wird. Eine weitere gute Tat in meinen alten Jahren.

»Unikat habe ich meiner Tochter immer vorgesungen, wenn sie einschlafen sollte. Eure Lieder haben mir durch so vieles geholfen. Dadurch bin ich euch auf ewig dankbar.«

Das geht runter wie Öl.

Ich sehe zu Vincent. Er lächelt ebenso.

Ihn hat so etwas damals schon immer gefreut, wenn er wusste, dass unsere Texte auch verstanden wurden. Erst Recht Unikat.

Die Schwester geht zur Türe. »Ich werde ab und zu nach dem Rechten schauen ... Sie wollen wirklich alleine sein?« , hakt sie dennoch nach.

Ich nicke. Ich bin nicht allein. Aber das weiß sie nicht.

»Du wolltest echt alles erzählen?« , fragt Vincent direkt, als wir nur noch zu dritt sind.

»Ich weiß es nicht.« , antworte ich und lächle ihm wieder zu. »Du siehst gut aus Brudi.«

Er steht auf und dreht sich. »Oh ja eine Augenweide, findste nich?!«

»Bist du direkt durch den Jungbrunnen gerutscht, als es so weit war?!«

»Natürlich. Ohne Aufenthalt hin zu meiner Frau.«

Vincent hat mit vierzig die Liebe seines Lebens getroffen. Es war nicht Bel-Air, obwohl er stolze neun Jahre mit ihr zusammen war.

Nadya hat er während einer Aftershow-Party kennengelernt und war direkt Hin und Weg von der Dunkelhaarigen mit den hellblauen Augen.

Ich hatte ebenso ein gutes Verhältnis zu ihr gepflegt, aber dennoch ist sie nicht hier um mich in Empfang zu nehmen.

Es wäre Recht voll hier, wenn wahrlich jeder erscheinen würde, der mir in all den Jahren ans Herz gewachsen ist.

»Du hättest wenigstens noch aufklären können, das ich dich in meiner Abwesenheit nicht vergessen habe mein lieber Schatz.« , meint meine Mutter sagen zu müssen.

Ich lächle sie an. »Das wäre noch in meine Geschichte hineingeflossen.«

Mein Muttchen war nämlich nicht länger weggeblieben, wegen einer Verlängerung der Kur. Sie war dabei gewesen Jörg zu verlassen und ein neues Kapitel benötigte auch neue Wohnung, neuen Job und alles mögliche.

Selbstverständlich hatte sie mich in allem eingeplant ... mitgegangen bin ich aber nicht, als es so weit war.

Die Türe geht auf und Melody und Alana schauen beide hinein. »Dürfen wir noch den Rest hören, oder ... sollen wir Sie wirklich alleine lassen.«

Sie sind neugierig.

»Wie ihr wollt. Ich möchte euch nicht aufhalten und ... um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ihr den Rest der Geschichte glauben schenken werdet.«

»Das ist uns egal.« , sagt Melody.

Beide schleichen ins Zimmer und nehmen wie vorhin ihre Plätze ein.

Ich sehe zu Vincent, der mit seiner Hand herum wedelt, als würde er mir die Erlaubnis erteilen weiterzuerzählen.

Mit einem Lächeln fahre ich schließlich fort.

Du und ich, nur wir beideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt