ᴷᴬᴾᴵᵀᴱᴸ 1

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2001

Ich betrat das Zimmer. Ich hatte erst einen Karton ausgepackt, die restlichen sechs standen immer noch hier herum. Ich hasste es hier. Ich wollte zurück.

Wütend trat ich gegen eine der Kisten und schmiss mich auf mein Bett. Ich holte mein Handy hervor und schaute darauf. Keine Nachrichten meiner Freunde. Nicht mal Vincent hatte sich gemeldet.

Unten hörte ich Jörg die Möbelpacker anschnauzen. Sollte er doch selber mal einen Handschlag erledigen. Aber nee, dafür war er sich zu fein. Ich habe ihn gehasst. Es war nicht einfach nur eine Ablehnung, weil er der neue Mann an der Seite meiner Mutter war, nein ich verachtete ihn regelrecht.

Wegen ihm waren wir umgezogen. Das einzig gute daran war, dass ich meine eigene kleine Wohnung hatte. Und das genau über meiner Mutter und Jörg. Die einen Schlüssel für Notfälle besaßen. Was ich nicht als gut empfand.

Meine Haustüre wurde einfach aufgemacht, nicht mal anklopfen konnte er.

»Hast du meine neue Werkbank gesehen?« , meckerte er herum und schaute ungefragt in meine Kartons, als würde diese darin stecken.

»Nein habe ich nicht. Und ich würde es nett finden, wenn du beim nächsten Mal anklopfen würdest, bevor du meine Türe einfach öffnest.« , sagte ich in einem sehr sarkastischen Unterton.

Er lächelte mich giftig an und fuhr sich durch sein blondes Haar, mit dem er aussah, als wäre er ein Mitglied von ABBA. »Du bist hier nur gewillt zu leben, mehr nicht. Denk daran, bevor du deine Schnauze nochmal so aufreißt. Ich brauche nur mit dem Finger zu schnipsen und du findest dich unter irgendeiner Brücke wieder, bei deinen komischen Freunden, die du da hast.«

Ich schnaubte verächtlich. »Schön wenn man eine Familie heiratet, nicht wahr? Kann man gleich mal den Papa ungefragt raushängen lassen.«

Jörg schnalzte mit der Zunge. »Deine Mutter liebt mich, also treibe es nicht zu weit.«

Er knallte die Türe heftig hinter sich zu.

Hatte ich schon erwähnt, dass ich ihn hasste?

Ich stand auf und schloss meine Türe ab. Dabei ließ ich meinen Hausschlüssel quer drin, damit man diese nicht von außen aufbekommen konnte.

Ich ging zu meiner Musikanlage. Rio Reiser war jetzt angebracht.

Ich stellte den Lautstärkeregler auf höchste Stufe und genoss die Stimme von Rio.

Meine Mutter hatte noch nie etwas gegen meinen Musikgeschmack.

Mir fehlte die Zeit mit ihr alleine. Auch wenn wir uns nicht immer einig waren und gelegentlich stritten, aber seit Jörg da war, störte er unser Familienbild beträchtlich.

... alles hatte sich verändert.

Wir waren aus unserer schönen Wohnung mit allen Erinnerungen gezogen, weil er das für angebrachter fand. Und ich wurde aussortiert. Was mich im Grunde nicht störte. Wer hatte nicht gern seine eigenen vier Wände?!

Ich ging zum Fenster, öffnete es und schaute hinaus. Links von mir sah ich die Möbelpacker hin und herlaufen. Mein Ausblick von hier zeigte genau das gegenüberliegende Haus. Irgendwie passte das nicht zu dem Rest der Straße. Das war mir schon direkt aufgefallen. Während sonst paar Parteien Häuser hier vorhanden waren, war jenes nur für eine Familie gedacht. Ein typisches Einfamilien-Haus.

Der Vorhang im ersten Stockwerk eines der Zimmer von dort bewegte sich. Ein Mädchen mit dunklem Haar kam zum Vorschein und sah mich an.

»Duck kannst du mal die Musik leiser machen?« , rief Jörg, der nun unter meinem Fenster stand, wütend zu mir herauf ... und wieder mal sprach er meinen Namen vollkommen falsch aus. Bei ihm hörte es sich so an, als wäre ich Part von Entenhausen. Ein, um ein paar Ecken, verwandter Neffe von Donald Duck.

Du und ich, nur wir beideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt