Tears across the street

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Wir vertrieben uns noch ein wenig die Zeit, bis Felix' Mutter uns schließlich zum Essen rief. Als wir nach unten in die Küche liefen, kam uns bereits der köstliche Geruch von gebratenem Reis entgegen...

Jisung Pov:

Wir traten in die große, offene Küche, wo Felix' Vater, welcher offenbar wieder da war, bereits am Tisch saß. Er lachte  gerade herzlichst über irgendetwas, während seine Frau nur kopfschüttelnd lächelte und dabei die Augen verdrehte. Wie lange es her war, dass ich meine Eltern so zusammen gesehen hatte.

Auf dem Tisch stand ein großer Wok mit Reis und darum herum lauter Schalen und Teller mit Beilagen. Es sah wirklich lecker aus. Felix setzte sich neben seinen Vater und ich mich neben ihn. Schließlich ließ auch seine Mutter auf einen Stuhl sinken und alle begannen zu Essen. Es schmeckte mindestens genauso gut, wie es roch. ,,Ich hoffe, es schmeckt." Merkte Felix' Mutter an. ,,Oh ja, es ist wirklich sehr lecker." Erwiederte ich.

Während des Essens redete ich nicht wirklich viel. Viel mehr hörte ich den überaus amüsanten Gesprächen der Familie Lee zu. Sie lachten viel und hörten sich gegenseitig zu. Wie eine richtige Familie. Dachte ich bitter. Ich war nicht eifersüchtig auf Felix. Ich gönnte es ihm von ganzem Herzen, dass er ein derart gutes Verhältnis zu seinen Eltern hatte und doch verspürte ich einen Stich im Herzen, während ich sie betrachtete. So Liebend und Friedlich. Vor gar nicht so langer Zeit saß ich auch noch so mit meiner Familie am Tisch. Doch das war, bevor sich alles zum schlechten gewandt hatte.

Bevor mein Vater aufgehört hatte, mich zu lieben.

Vielleicht war es falsch, soetwas zu denken, aber mittlerweile fühlt es sich einfach nur noch so an. Ich möchte auch wieder mit meinen Eltern und meinem Bruder beim Essen sitzen und Lachen.
Ist es zu viel verlangt, geliebt zu werden?

,,Alles ok, Jisung? Du siehst irgendwie traurig aus." Ryan musterte mich mit Falten in der Stirn. ,,Ja, alles ok. Es geht mir gut, ehrlich."

Ich half der Familie Lee noch dabei, den Tisch abzuräumen, bevor ich mich von ihnen Verabschiedete. ,,Auf Wiedersehen, Jisung. Du bist hier immer willkommen." Felix' Mutter blickte mir freundlich entgegen, wobei mir ganz warm ums Herz wurde. Sie war wirklich nett. ,,Komm uns bald wieder besuchen." Fügte Ryan noch hinzu. Ich versprach, dass ich wiederkommen würde und umarmte Felix zum Abschied ,,Bis Montag." ,,Ja, bis Montag."

Die Tür schlug hinter mir zu und ich atmete aus. Ich griff in meinen Rucksack, um meine Kopfhörer hervor zu kramen, stoppte dann jedoch in der Bewegung und steckte sie zögernd wieder zurück, als ein Regentropen direkt auf meine Nase traf. Dann noch einer auf meine Hand und schließlich vielen immer mehr Tropfen vom Himmel. Ich liebte es zwar, Musik zu hören, da sie mir oft wie ein Zufluchtsort vorkam, aber noch mehr liebte ich es, dem Regen zu lauschen. Ich hatte keinen Regenschirm dabei und so wurde ich schon nach kurzer Zeit komplett durchnässt.

Einen Fuß vor den anderen setzend lief ich den Bürgersteig entlang. Ich dachte an den Abend und daran, wie fröhlich Felix mit seinen Eltern geredet hatte. Daran, wie liebevoll seine Eltern mit ihm und mir umgegangen waren und daran, dass es bei mir zuhause wohl nie wieder so sein würde.

Ich spürte Tränen aufkommen und versuchte, sie zurück zu drängen. Ich sollte aufhören, mich selbst zu bemitleiden und einfach damit klarkommen. Und ich sollte mich bei meiner Mutter für heute morgen entschuldigen. Es war falsch, meine Wut an ihr auszulassen. Sie konnte schließlich auch nichts dafür.

Eine einzelne, kleine Träne verließ mein Auge, doch bevor sie zu Boden fallen konnte, wischte ich sie hastig weg. Bleib stark, Jisung! Ich wollte jetzt nicht schon wieder weinen.
Mit wässrigen Augen sah ich zum Himmel. Er sah dunkel und bedrohlich aus.

,,Uhm... Jisung? Bist du das?"

Oh shit. Diese Stimme kannte ich doch. Wenn er mich jetzt so sieht, wird er mich bestimmt auslachen. Ich wischte mir mit dem Ärmel noch einmal schnell über die Augen, zwang mich zu einem matten Lächeln und drehte mich um. ,,H-Hey, Minho."

Bitte Stimme. Fang jetzt nicht an, zu brechen.
,,Du siehst irgendwie Traurig aus. Ist alles ok?" Ich nickte einfach, da ich angst hatte, dass sich meine Stimme sonst brüchig anhörte. Er sah mich skeptisch an. ,,Bist du sicher?" Erneut nickte ich. Jetzt musterte er mich genauer und ihm viel wohl auf, dass ich von oben bis unten Nass war. ,,Du bist ja total Nass." Nun wurde sein Blick schon fast besorgt. ,,Ist dir nicht kalt?" Nun schüttelte ich den Kopf. Er seufzte. ,,Bitte rede mit mir, Jisung." ,,E- Es geht mir... gut." Ich sah ihn an und versuchte zu lächeln, doch leider machten mir meine Gefühle einen Strich durch die Rechnung. Ich konnte sie nicht mehr zurückhalten. Ein paar Tränen rannen meine Wangen hinab und ich wandte den Blick schnell ab. ,,Naja, al-also eigentlich... um ehrlich zu s- sein könnte es b- besser sein."

Ich mied seinen Blick. Traute mich nicht ihn anzusehen aus Angst, ich könnte einen spottenden Blick ernten. In meiner alten Schule wurde ich oft ausgelacht, wenn ich geweint hab, also hab ich es irgendwann niemanden mehr gezeigt, wenn ich traurig war.

Ich spürte plötzlich seine Hand auf meiner Schulter. Minho drehte mich zu ihm hin und zwang mich somit, ihn anzusehen. Doch als ich nach oben in seine Augen sah, war es kein Spott oder Hohn, der mir entgegen blickte. Eher im Gegenteil. Aufrichtiges Mitgefühl  spiegelte sich in seinem Blick wieder.

Dann realisierte ich, wie nah wir uns eigentlich gerade waren und mein Atem setzte einen Moment aus. Doch dann legte Minho beide Arme um mich und umarmte mich stumm. Kurz war ich zu verblüfft, um irgendetwas zu tun, aber schließlich legte ich meine Arme zaghaft um ihn und erwiederte somit die Umarmung. Ich ließ die Tränen einfach fließen und vergrub mein Gesicht schluchzend in seiner Jacke. Wenige Momente später legte er seinen Kopf auf meiner Schulter ab und begann damit, mir sanft über den Rücken zu streicheln. ,,Danke, Minho."

NOEASY (Minsung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt