Kapitel 10

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Mein Blick glitt über die leeren Felder. Kaputte alte Zäune streckten sich teilweise darüber & zeigten nur wie lange sich hier niemand mehr darum gekümmert hatte. Die Bäume waren kahl - jeder einzelne hatte seine Blätter verloren. Sie waren leer & sahen sehr traurig aus. Nichtmal Schnee bedeckte ihre Äste.
Mein Atem verwandelte sich bei jedem Atemzug in Rauch so kalt war es. Ich mochte es den Rauch zu sehen, wie ich ihn ausbließ & er anschließend einfach verschwand.

Ich hörte Clifford leise keuchen. Seine Zunge hing raus, er trabte fröhlich neben mir & sein Atem verwandelte sich ebenfalls in Rauch.
Er war gerade noch munter über die Felder gesprintet & hat immer mal wieder einen fröhlichen Laut von sich gegeben. Doch nun schien er langsam müde zu werden. Er war von allein zurück zu mir gelaufen & ließ sich anleinen - das hieß immer dass er müde war. Wir waren auch schon auf dem Heimweg.

Clifford sah immer mal wieder zu mir hinauf. Als ob er checken würde, ob ich noch da wäre & es mir gut ging. Jedesmal bekam er dafür einen liebevollen Streichler über den Kopf.

Wir kamen an einer kleinen Bank vorbei. Ich lief auf sie zu & setzte mich schnaufend. Clifford folgte mir treu & setzte sich unaufgefordert neben mich.
„Trinken?" fragte ich ihn. Seine großen dunklen Augen sahen mich liebevoll an. Ich holte seine Wasserflasche aus der Tasche & öffnete sie. Ich hielt sie ihm so hin, dass er gut von dem Wasserstrahl trinken konnte.
Als er genug hatte schleckte er sich über die Nase & legte seinen Kopf auf meinen Oberschenkel. Dass meine Hose dabei etwas feucht wurde interessierte mich ziemlich wenig.

„Jetzt geht's gleich nach hause." sagte ich ihm & kraulte sein Ohr. Clifford schloss die Augen & schleckte sich nochmal über sein Maul.
Leise seufzte ich & sah in den Himmel. Er war grau, aber es war schwer zu sagen ob es regnen würde oder nicht. Ich wollte nicht, dass es regnete. Nicht schon wieder! Der Regen trübte meine Stimmung nur noch mehr. Er saugte sich an all meine Probleme so fest, dass sie nur noch schwerer auf meinen Schultern hingen.
Ein leises Grollen, welches von etwas weiter weg kam bestätigte meine Vermutung. Es würde nicht nur regnen sondern wahrscheinlich auch noch Gewittern.

Schnell stand ich auf „Komm Cliff." sagte ich & zog sanft an der Leine. Clifford sah mich aus müden Augen an & stand träge auf. Ich musste leicht lachen „Nicht mehr lang Kumpel." sagte ich & lief dann los.

Wir waren seit glatten zwei Stunden unterwegs. Nicht nur Clifford liebte die langen Spaziergänge sondern auch ich. Ich liebte es, den Kopf frei zubekommen & nicht immer nur zuhause zu sitzen - dort war es am schlimmsten, auch wenn ich mein Zuhause liebte. Die Bilder von ihm & mir konnte ich immer noch nicht umdrehen auch wenn ich mir bewusst war, dass es langsam Zeit würde.

In immer kleineren Abständen kam ein lautes grollen vom Himmel was mich ehrlich gesagt ziemlich einschüchterte. Schon immer habe ich Gewitter gehasst.
Ich legte einen Zahn zu, da ich wirklich nicht darauf scharf war während dem Gewitter nach hause zu gehen. Außerdem war Clifford sehr anfällig auf Schnupfen wenn er zu lang im Regen war - das wollte ich nicht riskieren.

Es dauerte zum Glück nicht lange bis wir in unsere Straße einbogen. Ich spürte schon einzelne Regentropfen auf mir & zog mir meinen Mantel enger.
Clifford schleppte sich nun nur mehr müde neben mir her & war sichtlich froh, als er unser Haus erkannte. Plötzlich legte er nämlich einen Zahn zu & zog mich schon fast zur Haustür. Leise kicherte ich & schloss auf.
„Brav warst du heute." sagte ich bevor er nach drinnen eilte.

Ich schloss die Tür hinter mir & zog mir seufzend meine Schuhe aus. Dass ich mir das Modell welches er immer getragen hatte nachgekauft hatte wurde mir nun mal wieder bewusst. Seit seinem Tot trug ich nur mehr die Adidas die er immer getragen hatte, während meine eigentlich so geliebten Boots im Schrank standen & darauf warteten endlich wieder getragen zu werden.

Kaum hatte ich meinen Mantel aufgehängt hörte ich ein leises wimmern. Ein stechender Schmerz breitete sich in meiner Brust aus. Ich seufzte & lief ins Wohnzimmer.
Clifford lief hektisch herum & winselte ununterbrochen. Er schnupperte alles an & versuchte ihn zu finden. Der Anblick brach mir jedesmal aufs neue das Herz. Denn fast immer nach unserem Spaziergang suchte er nach ihm.

„Cliff." brummte ich bedauernd. Clifford hob seine Ohren, hörte aber nicht auf zu suchen. Er lief zielsicher zum Sofa & setzte sich davor. Plötzlich war er still. Sein Schwanz wedelte aufgeregt. Er ließ - schon fast lächelnd - seine Zunge raushängen & tapste aufgeregt umher. Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen.
„Clifford was-?"
Clifford fing plötzlich laut an zu bellen. Erschrocken fuhr ich zusammen & hielt meine Hand ans Herz. Es war komisch - Clifford bellte nie! Er ging in Spielposition & ließ immer wieder fröhliche Laute & ein Gebell von sich.

Sein Schwanz wedelte schnell & er sprang aufgeregt ums Sofa herum. „Clifford was hast du?" fragte ich verwirrt. Er starrte auf einen Punkt & hechelte glücklich.
Eine Gänsehaut überkam mich. In meiner Brust breitete sich ein ganz unschönes Gefühl aus. Plötzlich roch ich den Geruch des herben After-Shaves & damit gemischt den süßen blumigen Geruch. Den Geruch würde ich unter Millionen wieder erkennen. Ich fühlte mich wie in einer Trance während Clifford aufgeregt aufs Sofa sprang. Mein Herz schlug schnell & ein Schauer lief mir über den Rücken. So intensiv war sein Geruch schon lange nicht mehr. Es war erschreckend wie nah er plötzlich schien.
Ich wusste nicht was passierte aber mit einem Satz wurde Clifford ruhig.
Das drückende Gefühl in meiner Brust stoppte & mein Herz beruhigte sich. Sein Geruch verblasste langsam bis er dann wieder ganz weg war.

Ich sah verwirrt zu Clifford & sah wie er den Kopf schief gelegt hatte. Seine Ohren hingen schlapp hinunter, genau wie sein Schwanz. Er winselte wieder.

Verwirrt sah ich mich um - als ob mir das eine Antwort geben würde über was gerade passiert ist.
„Cliff..." brummte ich nur. Er sah nun wieder zu mir & schien nicht mehr so fröhlich wie gerade eben noch. Das war komisch!
Clifford winselte ein letztes mal laut & legte sich dann genau dort hin, wo er die ganze Zeit hingestarrt hatte.
Mit langsamen Schritten ging ich zum Sofa & ließ mich neben ihm fallen. Ich war verwirrt. Was war das?!

Meine Hand wanderte in Cliffords weiches Fell. „Was war das Kumpel?" fragte ich ihn leise & mit zitternder Stimme. Clifford schnaufte lautstark aus & legte seine Schnauze auf meinen Oberschenkel.

Ich fuhr mir aufgelöst übers Gesicht & merkte wie mir von jetzt auf gleich Tränen in die Augen schossen. Was auch immer das gerade war - es hat mich näher zu ihm gebracht. Dieses Gefühl hatte ich lange nicht mehr - nicht mehr seit seinem Tot. Ich wollte nichts als ihm nah zu sein, seine Wärme zu spüren & sein Lachen zu hören. Es traf mich erneut wie ein Schlag ins Gesicht, dass ich das nie wieder bekomme. Ich hatte nicht die Kraft die Tränen zurückzuhalten & deswegen strömten sie einfach meine Wangen hinunter.

Ein Knall von draußen ließ mich, sowohl auch Clifford, zusammen zuckten. Ich schnaufte aus & wischte mir über die Augen.
„Wie wärs mit einem Film?" fragte ich leise als Clifford sich noch mehr zu mir kuschelte. „Zur Ablenkung." brummte ich & schaltete den Fernseher gegenüber von uns an.
Ich wischte mir über die nassen Wangen & versuchte mich weder auf diesen komischen Vorfall gerade, noch auf das Gewitter zu konzentrieren.

Vergiss mein nicht - LS Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt