10. Kapitel

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Es war deutlich mehr als nur Fleischbrühe, das die Zofe Saga wenig später vorsetzte.

„Was ist das?" Wollte sie wissen und betrachtete neugierig den gläsernen Flakon auf dem dargereichten Silbertablett. Die durchsichtige Flüssigkeit darin funkelte im Sonnenlicht wie flüssiger Kristall.

Bellatrix wirkte sonderbar blass um die Nase als sie antwortete: „Ein Heiltrank von Ihrem Verehrer, Prinzessin. Ich schwöre Ihnen ich habe keiner Menschenseele davon erzählt... woher er davon weiss ist mir schleierhaft!"

Sagas Wangen fingen Feuer. Der Schmerz war für einen Augenblick vergessen. „Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Die Götter wissen alles, das ist allgemeinhin bekannt. Wollen wir nur hoffen, dass sie auch den Mund halten können..." Mit wild pochendem Herzen faltete Saga das kleine Briefchen auseinander, das neben dem Fläschchen auf dem Tablett lag und schickte die Dienerin mit einer ungeduldigen Handbewegung fort.

Verehrte Hoheit

Stand da in anmutig geschwungener Handschrift geschrieben.

Ihre Natur scheint Gefahren magisch anzuziehen. Oder suchen Sie tatkräftig danach? Wie dem auch sei, trinken Sie diese Arznei und Ihre Verletzungen sind bei Sonnenaufgang Geschichte. Dass oder Sie verzichten auf meine Hilfe und stellten Glasgarten Ihre heroischen Kampfwunden zur Schau. Niemand wird Ihre Tapferkeit je wieder in Frage stellen... aber vergessen Sie nicht, Tapferkeit hat immer ihren Preis.

Ihr Euch zugetaner Freund,

O.

PS: Besuchen Sie mich bei Gelegenheit im Jagdschloss auf eine Tasse Tee! Ich habe Ihnen angesehen, wie sehr er Ihnen gemundet hat.

Ein schmales Lächeln zupfte an ihren Mundwinkeln. Sie verstaute das Briefchen vorsichtig in ihrer Rocktasche und leerte hastig die Schüssel.

Ihr Freund, hallte es in ihren Gedanken wider. Unmöglich. Saga hatte keine Freunde. Dafür hatte ihre hohe Stellung und die unbeliebte Politik ihres Vaters gesorgt. Und dennoch wurde ihr warm ums Herz bei den Worten.

Die Phiole in den Händen haltend, starrte sie hoch an die bemalte Decke. Sie musste eine Entscheidung fällen.

Ihr Blick folgte den Dornenranken und verfing sich in den roten Rosen die allmählich im Sonnenlicht verblichen.

„Bella?"

„Eure Hoheit?" Kam es vom Türrahmen.

Sagas Lippen bebten. „Was sind ein paar aufgespießte Köpfe im Vergleich zu Ehre und Ruhm?"

„Nichts, Eure Hoheit. Rein gar nichts."

Eine stille Träne wanderte Sagas Wange hinab. Schäumender Zorn flutete ihre Eingeweide. Zorn auf sich selbst, auf den Bären und auf die ganze Welt. Die Augen fest zusammengepresst, entkorkte sie die Phiole und leerte sie in einem Zug.

Eine warme Hand riss Saga aus dem Schlaf. Kühles Mondlicht ergoss sich durchs Fenster und erhellte den Raum gerade so, dass sie das ernste Gesicht Apollinaris erkannte.

„Du bist gekommen." Krächzte sie heiser.

„Natürlich, du hast nach mir gerufen." Starke Finger tasteten im Dunkeln nach ihr. „Wie geht es dir?"

Saga zögerte. „Gut... erstaunlich gut." Sagte sie dann kaum hörbar. „Hat dich mein Vater mit großzügigem Dank empfangen als du sein unartiges Mädchen in der Klosterbibliothek aufgespürt hast? Hat er dich in dem bescheidenen Gold- und Juwelenregen baden lassen, den unsere Schatzkammer noch preisgibt?"

Apollinaris schwieg. Seine Finger zeichneten kleine Kreise auf ihrem gesunden Unterarm.

„Hoffentlich legst du das Gold gut an, Apollinaris. Nach Vaters Tod werden schwere Zeiten für Blava anbrechen." Fuhr Saga fort. Ihre Stimme scholl wie ein Peitschenhieb durch die Dunkelheit. Die zärtlichen Berührungen des Hauptmannes nahm sie kaum wahr.

Der Vampir der HerzoginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt