34. Kapitel

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Vom nördlichen Erker aus hatte man eine vortreffliche Sicht auf die ankommenden Schiffe. Aus dem Nebel tauchten sie auf, lautlos und schemenhaft, wie schwarze Geister. Die Flotte durchpflügte die raue See, die strahlendroten Farben des Groß Kaldrischen Reichs auf den Segeln. Imposant und drohend zugleich, näherte sie sich Glasgarten.

Es war ein trüber Morgen. Der Dunst über der Meerenge hatte sich über die Stadt gelegt und tauchte die Welt in ein fahles Grau.

Madita wischte sich über die tränennasse Wange, trat vom beschlagenen Fenster zurück und hielt die Luft an. Ihre Zofe zog und zerrte so fest sie nur konnte, aber das Korsett wollte nicht richtig sitzen. Sie hatte zugenommen, schon wieder. Erst letzten Monat hatte sie ihre Garderobe der Hofschneiderin zum Auslassen schicken müssen.

Nach Atem ringend, am ganzen Leib schwitzend, befahl Madita dem armen Mädchen zu ziehen, als würde ihr Leben davon abhängen. Letzten Endes half es alles nichts. Resigniert trat die ehemals schönste und begehrteste Dame Blavas in einem verblichenen Kleid aus fließender Seide und einem um den Bauch spannenden Mieder aus ihren Privatgemächern und folgte den anderen Hofdamen hinab zum Empfang der Groß Kaldrischen Arbeiter.

Auf einer weitläufigen Terrasse aus roten Terrakottafliesen, die über die Klippe ins Meer hinaus ragte und dem Königshof als Lustgarten diente, versammelte sich bereits der Hofstaat. Madita beeilte sich mit den kichernden und tratschenden Hofdamen mitzuhalten und den imposanten Anbau vor den ausländischen Gesandten zu erreichen. Sich den Schmerz nicht anmerken lassend, steuerte sie zielstrebig mit einer Handvoll ihrer engsten Freundinnen zu den Tischen am Rand, auf denen von Dienern Erfrischungen aufgetafelt wurden. Mit einer ungeduldigen Bewegung schickte sie sie fort und beugte sich über die kunstvoll geschaffenen, bunten Glaskaraffen, für die Glasgarten berühmt war.

·

„Sie lassen sich Zeit."

„Sie kommen zu spät!"

Ein Murmeln ging durch die Reihen. Die prachtvoll gekleideten Höflinge wurden allmählich ungeduldig. Saga konnte es ihnen nicht verübeln, sie fühlte ähnlich. Seit dem Vormittag hatte man die hohen Mäste der Armada sich vom grauen Horizont abzeichnen sehen.

„Wie lange dauert es noch, bis sie im Hafen eintreffen?" Verlangte Apollinaris zu wissen. In besonders angriffslustiger Stimmung stand er mit vor der Brust verschlossenen Armen da und starrte finster umher. Eine frische Wunde zog sich von seinem Kinn bis zum Schlüsselbein hinab. Er war vor kurzem erst mit seinem besonderen Befehl fertig geworden und hatte sich anschließend bis zum Einbruch der Abenddämmerung in einem Badehaus vergnügt. Dennoch hatte sich seine Laune nicht gebessert. Niemand in ganz Blava wagte es ihm in einer solchen Gemütsverfassung unter die Augen zu treten. Niemand außer Saga. Sie trat an ihn heran, legte ihm ihre behandschuhte Hand auf den Arm und bat ihn mit einem Lächeln sich zu ihr und ihrem Gefolge zu setzten. In Gesellschaft von ihren Vasallen, Valena, Amalthea, der Hexe und Herrn Orpheus dann, bediente sie Apollinaris persönlich und goss ihm süßen Wein ein. In heiterem Ton knüpfte sie eine Unterhaltung mit Valena an, die zum Ausdruck brachte, wie sehr sie sich auf die Rückkehr ihres Vaters, Graf Valkis, freute. Im roten Schein der untergehenden Sonne, die wie ein glühender Feuerball hinter der Schiffsflotte ins Meer stieg, sah Herr Orpheus noch schöner aus als sonst. Das helle Haar, die blütenweiße Haut, die Schatten, die sich um seine elegante Knochenstruktur schmiegten, als wollten sie ihn küssen. Saga war entzückt und fasziniert vom Anblick ihres Verlobten. Das fiel auch Apollinaris auf, was seine Laune nur noch verschlechterte.

„Sie sehen herrlich aus im Licht der Abenddämmerung." Dachte Saga und verkniff sich ein Lächeln, als Herr Orpheus ihr als Dank unauffällig zunickte.

„Es ist meine Aufgabe Sie mit Komplimenten zu überhäufen, nicht umgekehrt, Herzogin."

Nun konnte sich Saga das Lachen nicht verkneifen. Amüsiert nippte sie an ihrem Kelch und formulierte die Gedanken: „Nur zu, ich wäre bereit für allfällige Komplimente."

Der Vampir der HerzoginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt