In Sagas Seele tobte ein Sturm. Der versuchte Giftmord und der gestohlene Leichnam ihres Vaters setzten ihr zu. Das Verhör ihres Halbbruders hatte keine befriedigenden Antworten geliefert. Sie wusste immer noch nicht mit Sicherheit, dass er hinter all dem steckte, auch wenn sie es stark vermutete. Nach der vorgegebenen Trauerzeit in zwei Wochen, würde es keine Rolle mehr spielen. Konrad würde hängen und seine Mutter würde dabei zusehen.
Gedankenverloren berührte Saga die Narbe, die sich vom Schlüsselbein über ihre halbe Körperseite bis zur Leber zog. Es war ihr, als könne sie den heißen Atem des Biestes auf der Haut spüren. Hören, wie sein rasselnder Atem ihren Geruch einsog. Erst die durchdringende Stimme von Apollinaris holte sie zurück in die Gegenwart. „Tut es weh?" Raunte er ihr hinter heruntergezogener Kapuze zu. „Meine Wunden schmerzen mich noch immer."
Saga zog ihre Kapuze tiefer ins Gesicht und richtete das parfümierte Mundtuch, so dass sie dem üblen Gestank nicht schutzlos ausgeliefert war. „Es geht schon. Bei Gelegenheit werde ich meinen Verlobten bitten für dich einen Trank zuzubereiten."Die hünenhafte Gestalt Apollinaris blieb wie angewurzelt stehen. Sein Wesen nahm den ganzen Gang ein, den die Sklaven vor vielen Jahrhunderten in die Eingeweide der Klippen geschlagen hatten.
„Ich benötige die Hilfe deines Verlobten nicht." Spie er, als wären seine Worte besonders bitter und eilte weiter. Die Fackel in seiner Hand leuchtete Saga den Weg das endlos erscheinende Labyrinth aus unterirdischen Kammern, Gängen und Hallen entlang.
„In Ordnung", antwortete sie, „dann leide. Mir solls recht sein, solange du deine Arbeiten und Pflichten nicht vernachlässigst." Sagas Stimme echote von den schwarzen Steinwänden. Die Anspannung zwischen ihnen hatte sie zu Beginn belustigt, doch nun irritierte sie sie nur noch. „Du wirst deinem künftigen Herzog Respekt zollen, Apollinaris, auch wenn er nicht anwesend ist."
„Wie du wünscht."
„Er wird uns in goldene Zeiten führen, du wirst sehen."„Du wirst es, Saga, du ganz allein. Ihn benutzt du nur als Waffe, um deine Feinde in Schach zu halten."
Saga beeilte sich mit ihm Schritt zu halten. Keuchend hastete sie ihm hinterher. „Nun, wenn du das so siehst, dann hat er ja wohl nicht mehr allzu viel zu tun. Ein Großteil meiner Feinde hat mit ihrem Fleisch meinen Stadtplatz beleuchtet."
Ein spöttisches Schnauben entfuhr dem Riesen, der mit gebeugtem Oberkörper durch die niedrigen Gänge gehen musste. „Und dennoch hat man dich gestern Abend fast vergiftet. Mir scheint deine Fackeln haben nicht den gewünschten Effekt erzielt. Du hast zwar erreicht ein Exempel an deinem Volk zu statuieren aber irgendjemand am Hof lässt sich selbst durch die Aussicht gebraten zu werden nicht beeindrucken."
„Woher weißt du davon?" Fragte Saga verblüfft. „Niemand außer Orpheus und ich..." – „Du hast mich als deinen Spion eingestellt, weißt du nicht mehr?" Schnitt Apollinaris ihr das Wort ab. Die Dunkelheit war aus seinem Gesicht gewichen und ein Anflug von Zärtlichkeit umgab seinen Mundwinkel. „Was wäre ich für ein Hofspitzel und Liebhaber, wenn ich meine Herzogin sterben ließe? Jeden einzelnen Krug habe ich von den Dienerinnen überwachen lassen. Als du den vergifteten Wein genommen hast... mir wäre fast das Herz stehen geblieben. Hätte dein künftiger Gatte nicht so schnell reagiert, so hätte ich es getan." Er blieb an einer Kreuzung stehen und streifte flüchtig ihre Schulter. „Wir sind da. Links geht es zu den Schlaflagern der Sklaven. Mein Kontakt hat mir versichert, dass man dort auf uns warten würde." Ohne auf eine Antwort zu warten, ging er voraus.
Mit weit geöffneten Augen starrte Saga ihm hinterher. „Deshalb wusste er davon. Er hat es in deinen Gedanken gelesen." Hauchte sie tonlos. Dann raffte sie ihre Röcke und rief: „Du sagtest du hast die Getränke bewachen lassen. Wer war es, der den Wein vergiftet hat?"Mit einem Blick über die Schulter entgegnete Apollinaris: „Du weißt genau, wer es war." Bald war er von einer dunklen Öffnung in der Steinwand, die an das klaffende Loch eines Mienenstollens erinnerte, verschwunden.
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Der Vampir der Herzogin
Fantasia...Die Vereinigung von Mann und Frau sei das Natürlichste der Welt, so die Gewissheit in Blava. Wie aber verhielt es sich, wenn eine der Parteien ein unsterblicher Gott war?... Schwere Zeiten brechen für das Herzogtum Blava an. Von allen Seiten rück...