40. Kapitel

233 21 0
                                    

Im Sonnenraum herrschte aufgeregtes Treiben. Der Tag der Hochzeit war gekommen. Dutzende Diener wuselten umher, Zofen und Hofdamen traten ein und aus, um die Herzogin zu Beglückwünschen. Ganz Glasgarten war außer sich vor Freude, bloß Saga nicht. Diese saß vor dem hereingetragenen Spiegel und ließ sich von Bellatrix die Haare ölen. Wie es in Blava Brauch war vor einer Hochzeit, wurden ihre langen Zöpfe in Lavendelöl getränkt, hochgesteckt und mit Blumenblüten geschmückt.

Der hässliche Schatten der Besorgnis verunstaltete ihr müdes Gesicht. Borgis, der Hauptmann ihrer Stadtwache, stand hinter ihr und wisperte ihr beklemmende Nachrichten ins Ohr.

„Das Phantom ist wieder gesichtet worden, diesmal innerhalb unseren Stadtmauern. Fast hätte es die Hofhexe erwischt!"

Saga wusste davon, Frau Galatea hatte sie aufgesucht und ihr den Vorfall persönlich gemeldet. „Nicht jetzt, Soldat! Wir werden uns morgen darum kümmern. Heute ist ein Tag der Freude, nicht des Kummers." Seufzte sie und scheuchte den Offizier mit einer Handbewegung fort. Es fiel Saga schwer ihren eigenen Worten Vertrauen zu schenken. Zu viel war in den letzten Wochen geschehen, als das sie sich unbeschwert auf ihre Vermählung hätte freuen können. Die Angst saß ihr im Nacken, dass es in letzter Sekunde doch noch jemand schaffen würde die Hochzeit und die anschließende Krönung zu verhindern. Sie wollte diesen Tag einfach nur so schnell wie möglich hinter sich bringen.

Einen raschen Blick auf den goldenen Diamanten an ihrem Finger werfend, dann winkte sie die Bittsteller und Gesandten herein, die vor der Tür Schlange standen.

So verging der Morgen. Während ihre Dienerin sie herrichtete, ihre Haut salbte, puderte und an den richtigen Stellen rötete, lauschte Saga den Belangen ihres Hofs und sprach elegante Worte, die ein Gefühl der Sicherheit in den Herzen ihres Volkes schürten.

Zur Mittagsstunde gewährte man Saga einen Moment der Ruhe und Diskretion, in der sie etwas zu sich nehmen konnte und Bellatrix ihr ins Hochzeitsgewand half. Den Kopf in Schichten von Seide, Spitze und Brokat vergraben, kam es zum wiederholten Male: „Gibt es Neuigkeiten zum Verbleib meines Halbbruders? Ich verlange zu wissen, wo er steckt."

Und ebenso oft erwiderte Bellatrix geduldig: „Noch nichts, Eure königliche Hoheit. Die Stadtwache durchkämmt ganz Glasgarten, man wird ihn schon finden."

Frau Madita hatte man auf Anordnung der Herzogin vor Tagesanbruch aus ihren Zimmern eskortiert und hinab in die erste Kerkerebene gebracht, dorthin wo noch etwas natürliches Licht drang und die Zellen mit sauberen Betten, Schreibwaren und Büchern ausgestattet waren. Wo ihr Sohn war wusste jedoch niemand. Sie hüllte sich in eisernes Schweigen und Saga war nicht danach jemanden am Tag ihrer Hochzeit foltern zu lassen. Sie würde die fette Matrone fürs erste in Ruhe lassen. Konrad würde man auch ohne ihr Zutun finden.

Den Kampf mit den vielen Kleiderschichten gewonnen, strich Saga leicht außer Atem ihr Obergewand glatt und betrachtete sich im Spiegel. Sie sah schön aus in dem körperbetonten Kleid aus bodenlangem, taubenblauen Brokat, an dessen Saum goldene Stickereien glänzten. Die lange Schleppe lugte verheißungsvoll unter dem schweren Stoff hervor und versetzte Saga trotz ihrer Sorgen in Entzücken. Lächelnd ließ sie sich von Bellatrix den juwelenbesetzten Gürtel um die Hüfte legen.

„Es ist schön wieder etwas anderes tragen zu können als Schwarz." Murmelte sie und schlüpfte in die seidenen Schuhe, die man ihr reichte. Zuletzt wurden ihr Perlen um den Hals gelegt, goldene Tropfen an die Ohren gehängt und eine Reihe funkelnder Reifen aus Gold und Silber an die Arme gelegt. Saga wollte sich in all ihrer Pracht hinlegen, um vor dem wichtigen Ereignis noch etwas zu ruhen, da kam die Hohepriesterin hereingestürmt.

Ein gehetzter Ausdruck lag in ihrem Gesicht. „Gerüchte sind mir zu Ohren gekommen, dass sich Fraktionen bilden. Ein Mob hat sich vor den Thoren des Palasts gebildet und schreit nach Herrn Konrad. Es sind nicht viele, aber dennoch halte ich es für sinnvoll die Trauung und die anschließende Krönung um einige Stunden vorzuziehen." Sprudelte es aus ihr hervor.

Der Vampir der HerzoginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt