Ein stattlicher älterer Herr, in den leuchtenden Farben der Kaufmannsgilde gekleidet, bahnte sich einen Weg durch die zerstörten Gassen des Handelsbezirks. Die Spätsommersonne ergoss ihr sattgoldenes Licht wie zum Spott in all ihrer Herrlichkeit auf die Menschen, die um Almosen bettelnd vor ihren ausgebrannten Häusern kauerten. Der Bürgermeister Glasgartens, der an diesem Abend in den neuen Rat der Herzogin gewählt werden würde, würde bald ein Dekret herausgeben, wonach das dem Brand zum Opfer gefallene Hab und Gut der Handelsleute aus der herzoglichen Schatzkammer ersetzt werden würde. Bis es jedoch so weit war, würden die ehrbaren Leute neben Sklaven und Bettlern im Dreck hausen oder bei gütigen Verwandten unterkommen müssen. Der Patrizier erkannte ein paar Gesichter, Geschäftspartner und einstige Kunden aus längst vergangener Zeit, und steckte ihnen beim Vorbeigehen einen Silberling zu.
Einige Straßen weiter besuchte er das einzige Badehaus der Stadt, dass größtenteils unbeschädigt war. Auf einem schmalen Felsplateau in der östlichen Klippe ruhend, war das Gebäude durch den Stein geschützt und außer Reichweite der gefräßigen Flammen geblieben. Über eine breite Marmortreppe gelangte der Herr über die Schlucht ins Innere des Badehauses, wo er sich von einem großwüchsigen Eunuchen aus den Klamotten helfen ließ. Im Anschluss gesellte er sich in den Dampfraum, in dem bereits trotz der frühen Morgenstunde viele Gäste waren.
Die Aristokratie, so wie die Offizierskaste hatte sich gesammelt, um vor einem Tag voll Anstrengungen und Entscheidungen für ein Weilchen in dem von Sklaven aus den unteren Etagen erwärmten Wasser zu ruhen und den Geist zu sammeln. Den Kopf gesenkt, um von einer ganz bestimmten Person nicht bemerkt zu werden, wusch der Mann sich vom wohlriechenden Dampf umgeben an den entscheidenden Stellen, ehe er in einen nichtöffentlichen Raum weiterging, welchen er im Voraus reserviert hatte. Zwei Frauen, von jugendlichem Aussehen, erwarteten ihn dort bereits. Die eine schön wie der Tag, mit Haut und Haaren so hell wie die aufgehende Morgensonne. Die andere blass, Haar und Augen schwarz wie die Nacht, so hatte er es bestellt. An ihren parfümierten Hälsen funkelte Geschmeide aus Silber und Mondgestein.
Zufrieden ließ er sich von den Frauen in die kupferne Wanne helfen, die gefüllt war mit aufgeschnittener Bergamotte und duftendem Seifenschaum.
„Willkommen, mein lieber Graf." Gurrte die Dunkle der beiden.
„Wie können wir heute zu Diensten sein?" Fragte die Helle.
Ein schmales Lächeln auf den Lippen, antwortete er: „Schrubbt mich sauber, von Kopf bis Fuß. Das Schicksal verlangte von mir mit einem alten Scheusal gestern Nacht das Bett zu teilen. Sorgt dafür, dass ich jegliche Erinnerungen daran verliere."
Die Frauen wechselten amüsierte Blicke, knöpften ihre Gewänder auf und taten sich an die Arbeit.
Der Knall einer aufplatzenden Tür riss den Grafen aus seiner Freude. Verärgert nahm er das Gesicht aus den Brüsten der Frau, von deren Haut er Honig geleckt hatte und setzte zu einem Gebrüll an. Ehe er jedoch dazu kam, nahm ihm ein Schwall eisiges Brunnenwasser den Atem.
„Raus, Mädchen!" Donnerte eine Stimme, die der Herr kannte. „Kümmert euch um richtige Kundschaft! Im Gemeinschaftsbad beginnt sich Herr Kristaps allmählich zu langweilen. Sorgt für seine Zufriedenheit und erhebt ihm mindestens das Zweifache, letztes Mal hat der Geizhals vergessen zu bezahlen!"
Als das Mädchen sich von seinem Schoss erhob und die Wanne verließ, erkannte er das faltige Gesicht seiner Gattin im Türrahmen.
„Mein Schatz! Welch Freude dich zu sehen!"
Madam Hedwig schnaubte verächtlich und warf ihm einen Morgenmantel zu. „Verschone mich mit deinem Süßholzgeraspel, Augustin. Die Herzogin erwartet dich umgehend im Schlosspalast, die Versammlung wurde vorgezogen."
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Der Vampir der Herzogin
Fantasi...Die Vereinigung von Mann und Frau sei das Natürlichste der Welt, so die Gewissheit in Blava. Wie aber verhielt es sich, wenn eine der Parteien ein unsterblicher Gott war?... Schwere Zeiten brechen für das Herzogtum Blava an. Von allen Seiten rück...