Kapitel 4 - Ruins

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Nicht nur, das sie gerade all ihre Habseligkeiten und einen Bekannten verloren hatte, nein, diese wirbelnde Schwärze schien ihr beinahe das Bewusstsein zu rauben, als sich in ihrem inneren die Panik festsetzte. Jegliche Form des Aperierens war ihr zuwider und würde es immer bleiben. Als sich die Schwärze lichtete, flammte in ihrem rechten Knöchel ein gellender Schmerz auf und sie stöhne schmerzerfüllt, während ihr Magen sich noch immer drehte.

„Alles in Ordnung?" fragte der Professor fast panisch, als sie beim Versuch, aufzustehen, wieder aufschrie und zusammensackte. Hazel atmete tief durch und wischte sich das Blut aus den Augen, welches von einer Schnittwunde an der Stirn kam. „Sie sind Verletzt" stellte Professor Fig nüchtern fest, als er neben ihr Stand. „Nicht sehr" erwiderte Hazel mit zusammengebissenen Zähnen. Fig indes wühlte bereits in den Taschen seines Umhangs und reichte ihr einen bereits entkorkten, Grün leuchtenden, Trank. Skeptisch wanderte ihr Blick erst zum Trank, dann zu Fig und wieder zurück und sie griff danach. „Nehmen sie. Der Mega-Power-Trank bringt sie rasch wieder auf die Beine" sagte er. Nach einem weiteren wirren blick auf den Trank. würgte Hazel ihn runter. „Was ist passiert?" Hauchte sie, gegen ihre Übelkeit, Schmerzen und Panik ankämpfend.

„Warum musste er... Armer George" Murmelte der Professor in Trauer und ging einige Schritte hin und her. „Was hatte das blöde Vieh denn? Eine Kutsche im Flug angreifen? Das würde ein Drache niemals..." murmelte er erbost. „Professor?" fragte Hazel besorgt. Fig sah sich nun ebenso verwirrt um wie sie. „Sir,... wo sind wir?" fragte sie.

„Ich bin nicht sicher... aber der Schlüssel. Das war ein Portschlüssel" erwiderte der Professor. „Portschlüssel?" fragte Hazel sogleich. Davon hatte sie noch nie gehört. „Das ist ein verzauberter Gegenstand, der einen an einen bestimmten Ort bringt" erklärte Professor Fig.

Hazel nickte, zum Zeichen das sie ihn verstanden hatte und stand vorsichtig auf, das rechte Bein nur langsam belastend, aber sie schien keinerlei Problem mehr zu haben und stellte sich aufrecht hin. Auch der Cut an ihrer Stirn schien verschlossen zu sein. Sie spürte ihn noch, eine Narbe war also geblieben, ebenso wie ihr Körper zwar keine offenen Wunden mehr aufwies, aber definitiv noch wehtat. Ein wenig ächzend streckte Hazel vorsichtig ihre Arme und Beine, stellte aber fest, das es auszuhalten war. „Mir geht es gut, Sir. Wir sollten uns umsehen. Vielleicht finden wir einen weg von hier" sagte Hazel. Ihre Stimme war nach dem Schrei vorhin etwas Rau. Professor Fig nickte und sah Hazel, noch immer besorgt, an. „Ja. ABER bleiben sie bei mir! Wir wissen nicht, wer den Schlüssel erschaffen hat, oder warum" Fig ging ein paar Schritte voraus, während Hazel sich einmal um sich selbst drehte und die Höhle, in der sie aperiert waren, in Augenschein nahm. Doch dort war nichts besonderes zu finden. Sie war steinig und feucht. Also folgte sie Fig, aufmerksam. Als sie aus der Höhle traten, erwartete sie ein wahrhaft atemberaubender Ausblick. Von Meer umgebene Klippen und vor ihnen eine, von der Hauptklippe getrennte, Säule mit einer Ruine darauf. Möwen flogen umher und die Gischt spritzte hoch, während ein kaltfeuchter Wind sie begrüßte.

„Wie weit hat uns dieser Portschlüssel nur gebracht?" staunte Hazel. „Nun... Ins schottische Hochland würde ich sagen. Weiter als unser Wagen gefahren wäre" antwortete Fig, nicht minder staunend. Doch zu alldem, was sie gerade erlebten, war dem Professor nur allzu bewusst, dass ihnen langsam die Zeit ausging, wenn sie einigermaßen pünktlich eintreffen wollten. „Sir... Diese Ruinen. Glauben sie..." fragte Hazel und deutete auf das einstmals prächtige Bauwerk, welches in Schutt und Asche lag. „Das der Portschlüssel und herführen sollte? Ja das glaube ich" beendete er. Mit einer Art schwarzem Humor fügte Fig düster lachend hinzu: „So haben wir beide uns den Tag sicher nicht vorgestellt. Miriam hat George diesen Schlüssel sicher nicht ohne Grund geschickt. Miriam und George sind auf der Suche nach dem, wohin er führen sollte gestorben. Wenn es ihnen gut geht, würde ich mich gerne umsehen" endete er. Hazel konnte verstehen, warum Fig sich umsehen Wollte. Sie hätten sicherlich auch einfach irgendwo aufs Festland aperieren können, aber hier lag das Geheimnis seines Freundes und seiner Frau, welches sie suchten und dabei starben. „Auf jeden Fall Professor. Keine Sorge, mir geht es gut, Sir" erwiderte sie also. „Nun gut, da bin ich froh. Irgendwo hier müsste es sicher einen Pfad geben" sagte der Professor langsam, und Hazel deutete auf einen verblassten, staubigen Pfad durch das Gestein. Brocken waren im Laufe der Zeit von der Decke des Tunnels gefallen und überall lagen Tonvasen und Säcke voller verstaubter Dinge herum. Mühsam kletterten sie eingestürzte Passagen entlang, Stolperten über Knochen von Abenteurern die hier Starben, und Professor Fig ließ sie eine Eiswand schmelzen, die sie aufhielt. Keine besondere Herausforderung, abgesehen von der Erschöpfung und dem Rock den sie trug. Allzu viel redeten sie in den verstaubten Tunneln nicht, zu tief saßen der Verlust des Professors und der Schock in Hazels Brust. Von >Ein Mädchen ohne Magie mit merkwürdigen Träumen und Leeren Augen< zu einer Frau, einigermaßen magisch Talentiert, die an einem Tag einen Menschen hatte Sterben sehen, einen Drachen hatte Toben sehen und selbst beinahe an alldem Gestorben wäre. Ihr Herz raste noch immer und die Hand, die ihren Zauberstab hielt, zitterte sichtbar. Innerlich schalt sie sich selbst, das sie begonnen hatte, ihre Schutzmauer abzureißen als sie Fig kennenlernte und baute sie unbewusst Stück für Stück wieder auf. Sie musste in der Lage sein zu Funktionieren, denn die magische Welt war weitaus gefährlicher als sie dachte.

Nach einer guten Stunde des Wanderns, kamen sie recht erschöpft zum Halt. Das Ende des Weges war das Meer, genau gegenüber von ihnen die Klippensäule mit der Ruine. Dazwischen tobende Wellen und reißende Fluten. „Treten sie einen Schritt zurück, Ich schaffe uns einen Weg" sagte Fig und zückte seinen Zauberstab. Erschöpft lehnte Hazel sich an eine Klippenwand, um sich kurz auszuruhen und staunte über die schiere Macht, die Magie innewohnte, als der Professor Reparo – den Reparierzauber – wirkte und sich eine ganze Steinpassage wiederherstellte, welche zu der Ruine führte. „Wow" staunte Hazel, und wischte sich mit ihrem Taschentuch Schweiß von der Stirn. „Geht es ihnen gut? Sollen wir eine kurze Pause einlegen?" fragte Fig sie väterlich, doch Hazel atmete tief durch und schüttelte den Kopf.

Der Professor hatte die Veränderung in Hazel zuerst nicht bemerkt, doch die Art wie sie die Schultern strafte, als er sie fragte, wie sie durchatmete und ihre Augen hart wurden, zeigten ihm, das dieses Abenteuer wahrlich nicht Spurlos an ihr vorbeigegangen war und unter normalen Umständen, schon längst ihren Tribut von der jungen Hexe gefordert hätten. Auch er war etwas erschöpft. Der Verlust nagte schwer an ihm, doch er versuchte seine Gedanken nicht einrasten zu lassen.

„Es geht schon, Professor" sagte sie und schritt ihm voraus die Steinpassage entlang, zur einzig noch erkennbaren Haupthalle der Ruine.

Es bot sich ihnen ein beeindruckendes Schauspiel. Die Natur hatte sich diesen Platz zu einem Großteil wiedergeholt, hatte überall die Steinplatten und Steinziegel durchbrochen, um ihre Blumen, Büsche und Bäume wachsen zu lassen. Einzig ein paar wenige Treppen waren noch betretbar, ebenso wie eine Art Halle und ein Balkongang nach hinten. Die Hexe und der Zauberer gingen in die Mitte der Halle, welche längst kein Dach und kaum intakte Wände mehr besaß. Überall waren Mose und Ranken gewachsen, doch geradeaus war eine Mauer zu erkennen, mit einem steinernen Bildnis und Links von ihnen eine große Statur. „Warum hat das jemand gebaut?" fragte Hazel. Fig bemerkte, wie kontrolliert sie sprach. „Ich weiß nicht. Vielleicht finden wir einen Hinweis, wenn wir uns hier umsehen" sagte Fig und Hazel schritt direkt auf das steinerne Bildnis zu. „Eine Kristallkugel und Tarotkarten?" bemerkte Hazel. Man sah einen älteren Mann in einem Stuhl sitzen, die Hand auf eine fein gearbeitete Kugel gelegt, vor ihm ein Tisch voller kunstvoll gestalteter Karten. „Vielleicht war der Besitzer hellseherisch begabt" entgegnete Fig. Hazel entschied jedoch, dass es hier nichts weiter zu finden gab, während der Professor das Wandbildnis genauer studierte. Langsam ging sie zu der Statur hinüber und begutachtete alles auf ihrem Weg. Auch hier lagen immens viele Tonvasen herum. Man erkannte Kerzenhalter, zerstörte Möbel aus beinahe ganz verrotteten Holz und Teile von steinernen Büsten. Bei der Statur angekommen stellte sie Fest, das dies der selbe Mann, wie auf dem Bildnis zu sein schien. Die Ähnlichkeit war unverkennbar, die selbe Art Robe, der gleiche Bart und – das Offensichtlichste – die Kristallkugel in seiner ausgestreckten Hand. Jedoch war diese Statur nicht erkennbar beschriftet worden und bot ebenso keinerlei Hinweis auf den ehemaligen Besitzer dieser Ruine. Da sie nichts weiter finden konnte, ging sie nun langsam, die frische Seeluft einatmend, jedoch fröstelnd, Ihre Kleidung war ein durcheinander aus Rissen und Staub, welches von der Gischt relativ feucht wurde, den Balkongang entlang nach Hinten. Auf dem Weg stolperte sie das ein oder andere mal, schlug sich die Knie aufw während ein herabfallender Stein ihr in die Hand schnitt. „Verdammt" fluchte sie leise und hielt ihr Taschentuch auf den Schnitt, als sie weiterging. Dieser Teil hier schien einmal eine Art Turm gewesen zu sein. Der verbliebene Raum war kreisrund, es befand sich nichts mehr dort, außer etwas, das genauso seltsam leuchtete, wie die Schatulle vor gefühlten Wochen, obgleich es nur wenige Stunden waren. Als sie näher trat, erkannte sie, das dies hier ähnlich aussah, wie das Eis, welches sie hatten Schmelzen müssen, um hier her zu gelangen. "Was der Kristallstein wohl blockiert?" fragte Hazel sich flüsternd. Je näher sie kam, desto mehr breitete sich dieser Kristall aus, bis er die ganze Wand einnahm. Hazel schreckte zurück, als sich darin das Bild einer Halle bildete und rief Professor Fig herbei. Das war ganz Klar das, was sie Suchten. „Nanu? Was haben wir denn hier... Der Stein ist spiegelglatt, außergewöhnlich" studierte Fig den Stein, schien aber nicht die Spiegelung darin zu sehen. „Wie... kann dahinter ein Raum sein?" fragte Hazel und Fig stutzte. „Ein Raum? Ich sehe nur uns, im Stein. Sehen sie irgendeine Art... Punkt? Wie bei der Schatulle?" fragte er und Hazel nickte. Behutsam berührte sie ihn und er löste sich auf, hinterließ nur die bloße Steinwand. „hm" ließ Fig hören und beide drehten sich zeitgleich um, nur um erschrocken stehen zu bleiben. Sie waren nicht mehr in der schottischen Ruine, nein, sie waren in dem Raum, welchen Hazel sah. Und auf einem Podium, saß ein schlafender Kobold...

Kleine Schlange - a Black LegacyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt