„Integralrechnung ist nichts anderes als fortgeschrittene Flächenberechnung, Asuka! Schau mal, bei dieser Aufgabe kannst du sogar die Kästchen zählen und dein Ergebnis selbst überprüfen." Sayumi tippte zur Verdeutlichung auf die Abbildung des Arbeitsblattes, während Asuka lediglich ihre Brille zurechtrückte und auf die Kästchen sah. „Das Problem ist nicht das Kästchenzählen. Das Problem ist die Berechnung. Die richtige Berechnung. Ich verstehe das mit der Stammfunktion immer noch nicht... Ich wünschte, wir würden wieder Stochastik machen. Darin war ich wenigstens gut." Die weißhaarige Oberschülerin stützte ihr Gesicht auf ihren Händen ab und besah sich gequält das Blatt, welches auf dem Schreibtisch lag. Allmählich verlor sie die Hoffnung, dass sie die Prüfung mit Fleiß und Hingabe doch noch bestehen würde. Sayumi hatte ihr in den letzten Tagen zur Seite gestanden und wirklich alles versucht, doch ihr Verstand war einfach nicht in der Lage, diese mathematischen Berechnungen zu begreifen. „Na gut. Dann lassen wir Mathe erstmal Mathe sein. Wie sieht es mit Physik aus? Sicherlich hast du dort Fortschritte gemacht", versuchte die Schwarzhaarige das Thema zu wechseln, doch scheinbar war dies ein riesiger Fehler. Asukas Blick verdunkelte sich noch etwas weiter, ehe sie ihren Kommentar dazu abgab: „Könnte ich Mathe, würde ich in Physik sicherlich Fortschritte machen. Aber zumindest kann ich die Theorie. Wellen, Interferenzen... Ob ich mit der Beantwortung der reinen Wissensfragen durch die Prüfung komme und bestehe?" Sayumi hatte darauf nicht geantwortet; lediglich ein langgezogenes Seufzen war ihr über die Lippen gekommen.
Asuka war ebenfalls zum Seufzen zumute. Um ihr Versprechen zu halten, hatte sie seit jenem Tag im Februar wirklich fleißig gelernt - auch für die anderen Fächer. Doch aus irgendeinem Grund gelang es ihr nicht, sich mit diesen Zahlen und Funktionen anzufreunden. Das war unglaublich frustrierend... Sie wollte so gern in den Ferien nach Hause fahren und mit ihren Freunden Spaß haben, doch allem Anschein nach würde daraus nichts werden. „Ich glaube, das war genug für heute. Kann mich eh nicht mehr konzentrieren", gähnte die Weißhaarige, ehe sie ihre Brille abnahm und sich von ihrem Platz erhob. Es war nach elf - so lange blieb sie sonst nie auf. Schon gar nicht, wenn am nächsten Tag Unterricht stattfand. „In Ordnung, lass uns morgen weitermachen", erwiderte Sayumi, ehe sie sich - genau wie Asuka - bettfertig machte.
Mittlerweile war es dunkel im Zimmer und die beiden Oberschülerinnen lagen in ihren Betten. Sayumi schlummerte bereits, doch Asuka konnte trotz ihrer Müdigkeit keinen Schlaf finden. Ihre Gedanken kreisten und ließen sie vor der Frage zurück, warum sie zu unfähig war, sich in ihren beiden schwächsten Fächern zu verbessern. An sich war sie gar keine schlechte Schülerin: Sowohl im Modernen als auch im Klassischen Japanisch war sie recht gut; Englisch war vermutlich ihr bestes Fach, aber auch in Sport brauchte sie sich nicht zu verstecken. Geschichte mochte sie ebenfalls, da sie gut im Auswendiglernen war und selbst in Sozialkunde kam sie zurecht. Die beiden einzigen Fächer, die sie wirklich herunterzogen, waren Mathe und Physik. Mit Sayumi hatte sie wirklich alles Erdenkliche probiert, aber selbst mit verschiedenen Ansätzen kam sie nicht weiter. Das war ihr auch bewusst geworden, als sie Tatsuya vor ein paar Tagen um Hilfe gebeten hatte. Er war sehr geduldig mit ihr gewesen und hatte ihr die Integralrechnung auf seine ganz eigene Weise erklärt, dennoch hatte sie von ihm nicht wirklich lernen können. Zwar wusste Asuka, was sie tun musste - immerhin hatte sie die Vorgehensweise dutzende Male aufgeschrieben - doch in ihre Berechnungen schlichen sich immer wieder Fehler ein. Eine falsche Berechnung der Steigung, ein fehlendes Vorzeichen bei der Ableitung der Funktion... Und schon war der Rechenweg für die Mülltonne.
In ihrem Frust hatte sie sich auch an Murasakibara gewandt, denn dessen bestes Fach war, zu ihrer Überraschung, Physik. Und da ihre Probleme in diesem Fach ebenfalls mit dem Rechnen anfingen, hatte sie herausfinden wollen, wie der Lilahaarige es schaffte, damit zurechtzukommen. Sie hatte ihm nichts unterstellen wollen, doch er wirkte nicht wie jemand, der Schemata auswendig lernte oder sich viele Notizen machte. Nachdem sie also ein paar ihrer Überredungskünste angewandt hatte, war Murasakibara bereit gewesen, eine einzige Aufgabe mit ihr zusammen zu rechnen. Allerdings hatte Asuka durch diese Aufgabe recht schnell ein paar Dinge feststellen dürfen: Zunächst einmal war Atsushi ein furchtbarer Lehrer und darüber hinaus besaß er eine überraschend ausgeprägte Vorstellungsgabe. Ganz genau begriffen hatte sie es nicht, doch er konnte diese ganzen mathematischen Dinge wohl bildhaft in seinem Kopf durchrechnen. Faszinierend war dies allemal, doch aus diesem Grund hatte er ihr beim Lernen nicht wirklich helfen können.
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Vanilla Flavor
RomanceUrsprünglich wollte Murasakibara Atsushi lediglich ein bisher unbekanntes Süßwarengeschäft in Akita besuchen und dort nach Herzenslust sein Geld verprassen. Dort angekommen ertappt er allerdings Hanashiro Asuka, eine Zweitklässlerin der Yōsen, bei e...