Kapitel 9 - Frühlingsversprechen

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Die Überraschung, von der Asuka zuvor gesprochen hatte, beinhaltete wie vermutet und angedeutet natürlich etwas zu Essen. Während sie in den vergangenen Wochen ihre neugewonnenen Freunde jedoch ausschließlich an Süßwaren und Frühstücksgerichten teilhaben ließ, hatte sie sich nun, wie in dem Ryokan ihrer Familie erlernt, um ein ausgiebiges Mittagessen gekümmert. Das hatte sie zum Großteil am gestrigen Abend in der Schulküche vorbereitet und es hatte sie eine Menge Zeit und Arbeit gekostet. Doch sie konnte nun, voller Zufriedenheit, die Früchte ihrer Arbeit betrachten. Der Tisch, an welchem sie mit Sayumi, Tatsuya und Murasakibara saß, zeigte kaum eine freie Stelle, so vollgestellt war er. Neben der wichtigsten Speise, dem Reis, befand sie auf den verschiedenen Tellern und Schälchen so ziemlich alles, was das Herz begehrte. Gebratene Makrele, gedämpftes Gemüse, Tempura, Soba, Yakitori, Tonkatsu... Und die Liste ging immer so weiter. „Also dann... Ich würde mal sagen, auf das erfolgreiche Spiel unseres prestigeträchtigen Basketballklubs", sprach Asuka erfreut, wobei Tatsuya wohl der Einzige war, der ihre Euphorie ein wenig teilte. Sayumi blickte etwas griesgrämig drein, was wohl noch immer damit zusammenhing, dass Himuro sie zuvor zum Mitkommen gezwungen hatte, damit sich Asuka allein mit Atsushi unterhalten konnte. Was den Größeren im Übrigen betraf... Dieser hatte schon seit einigen Minuten nur noch Augen für das Essen und war deshalb kaum ansprechbar. Trotz dieser vielen unterschiedlichen Gemütslagen freuten sich aber alle auf das gemeinsame Schlemmen. So sprachen sie unisono ihr kleines Tischgebet und bedankten sich für das Essen, ehe es endlich losgehen konnte.

„Ich möchte im Vorhinein anmerken, dass ich noch immer verärgert bin-", bevor Sayumi weiter kam, wurde sie von Murasakibara unterbrochen, der ein „bist du doch immer", einwarf, wofür die Schwarzhaarige ihn mit ihren Blicken erdolchte, „aber das Essen ist dir wie immer gelungen, Asuka", beendete Sayumi schließlich mit zusammengepressten Zähnen ihren Satz. „Kommt schon, nicht streiten", versuchte die Weißhaarige die beiden zu beschwichtigen, allerdings gelang ihr das nur so halb. Zwar schwiegen Atsushi und Sayumi, doch sie stierten sich fast unentwegt an. Nun... Man sollte die kleinen Erfolge feiern.

„Ich muss Mikami zustimmen, das ist wirklich lecker. Das womöglich beste Mittagessen, dass ich je gegessen habe. Aus deinen Fähigkeiten spricht wohl das Familienhandwerk, was?", fragte Tatsuya seine Klassenkameradin und lenkte somit wieder auf ein anderes Thema. Auf seinen Lippen zeichnete sich ein mehr als zufriedenes Lächeln ab, was in Asuka schließlich ein wenig Stolz aufkommen ließ. „Jepp. Das ist die Formel, nach der im Hause Hanashiro gekocht wird. Das hat mir alles Ryōtarō beigebracht", erwiderte sie, wobei man deutlich den Stolz heraushören konnte, den sie empfand. „Wer ist denn Ryōtarō?", fragte Himuro nun neugierig, vielleicht auch ein wenig verschmitzt. Das brachte sie zum Lachen, ehe sie antwortete: „Sicherlich nicht der, für den du ihn hältst. Ryōtarō ist mein Vater. Und der beste Koch, den ich kenne. Falls ihr je in den Genuss kommt, werdet ihr mir sicherlich zustimmen." Asuka freute sich auch schon, in knapp einem Monat wieder Zuhause zu sein. Im Laufe der Trimester machte sich immer etwas Sehnsucht nach der Heimat in ihr breit. Sie vermisste das ländlichere Leben, durch Shōnai zu spazieren, im Gasthaus zu sein, mit ihrem Vater in der Küche zu stehen.

„Warum nennst du deinen Vater beim Vornamen?", wurde die Weißhaarige schließlich von Atsushi gefragt. „Klingt irgendwie komisch", fügte dieser noch hinzu. Damit hatte er nicht ganz unrecht, das entsprach sicherlich nicht der Norm... Ah, aber das Familienverhältnis von Ryōtarō und ihr entsprach ja ebenso wenig der Norm! „Sei doch nicht so unsensibel. Das hat schon seine Gründe, du...!" Ehe sich Sayumi wieder mit dem Lilahaarigen streiten konnte, legte Asuka ihr eine Hand auf die Schulter. „Danke für deine Rückendeckung. Aber es ist schon in Ordnung." Die Reaktion der beiden Schülerinnen war mehr als eigentümlich, weshalb sich Murasakibara und Himuro kurz im Augenwinkel ansahen, um sich von ihrer gegenseitigen Ahnungslosigkeit zu überzeugen. Bevor allerdings irgendwer fragen konnte, erklärte sich die große Zweitklässlerin schon von selbst: „Ich bin es nicht anders gewohnt. Ryōtarō ist nicht mein biologischer Vater. Trotzdem ist er meine Familie und der einzige Vater, den ich kenne. Uns hat es damals zusammengeschweißt... Nach dieser Sache..." Zu fragen, um was für eine Sache es sich handelte, trauten sich die beiden Oberschüler aber nicht. Nicht einmal Murasakibara, der ja bekanntlich kein Blatt vor den Mund nahm. Allerdings konnte selbst er sich denken, was Shiro-chin meinte. Wenn man einen Ziehvater besaß, dann zumeist aus dem Grund, weil man ein Waisenkind war. Und das war dann doch ein so sensibler Bereich, in welchen sich nicht einmal ein Murasakibara Atsushi mit dessen Gleichgültigkeit hineinwagte.

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