Kapitel 2 - Die Bestechung

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„Kaori-san, bitte grab ein Loch für mich, in welchem ich für alle Zeiten versinken kann", seufzte Hanashiro Asuka, während sie wie ein Tropf über dem Tresen hing. Das Geschäft war nun leer, weshalb sie wieder vollkommen ungezwungen miteinander reden konnten. „Natürlich und wer hilft mir dann im Laden aus?", fragte ihre Chefin, Kaori, und zog eine Augenbraue hoch, während sie auf einem Stuhl sitzend ihre Nägel feilte. „Hier ist doch eh immer tote Hose", erwiderte die Weißhaarige, woraufhin Kaori in der Feilbewegung innehielt und zu der Oberschülerin blickte, die sie schon eine ganze Weile als ihre Aushilfe beschäftigte. „Das Faulenzen zieh ich dir vom Lohn ab", drohte sie, woraufhin Asuka – noch immer mit einem wehleidigen Unterton – sogleich eine Antwort parat hatte: „Welcher Lohn?" Schweigen legte sich eine ganze Weile über die Frauen, ehe sie sich angrinsten und schließlich sogar leise lachten. Kaori steckte ihre Feile weg, ehe sie sich zu der Oberschülerin lehnte. „He, sag mal... Waren das Freunde von dir? Sie trugen deine Schuluniform, oder?", fragte die Schwarzhaarige neugierig. Das Grinsen auf Hanashiros Lippen verschwand wieder, da ihr nun ihr Elend wieder bewusst wurde. „Hmm... Der Schwarzhaarige ist mein Klassenkamerad. Und den großen Lilahaarigen kenne ich eigentlich gar nicht. Ich weiß nur, dass er Basketball spielt und der größte Schüler an der Yōsen ist." Außerdem eilte ihm ein gewisser Ruf voraus, dem er vorhin auch gerecht geworden war.

„Ich habe die beiden darum gebeten, niemandem an der Yōsen zu verraten, dass ich hier jobbe. Und was sagt der? Mal gucken. Was soll das heißen? Entweder er sagt es weiter oder er behält es für sich! Es gibt doch kein dazwischen!", seufzte Hanashiro und fuhr sich etwas durchs Gesicht. „Mal gucken!", murmelte sie noch einmal leise zu sich selbst. „Ich dachte, deine Schule würde Nebenjobs mittlerweile gestatten?", fragte Kaori und zog eine Augenbraue hoch. Nicht zuletzt, weil sie in Erfahrung bringen wollte, ob sie seit mehr als einem Jahr eine Schülerin beschäftigte, die sie gar nicht hätte beschäftigen dürfen. „Ist mittlerweile erlaubt, wird aber trotzdem nicht gern gesehen", erwiderte die Weißhaarige und pustete sich die Strähnen ihres mittlerweile zu langen Ponys aus dem Gesicht. Sollte dieses Geheimnis herauskommen, würde es zwar keine Konsequenzen mit sich ziehen, doch sollte sie sich dann in den Prüfungen einen Patzer erlauben, wüsste sie genau, dass sie wegen ihrer außerschulischen Tätigkeit kritisiert werden würde. Außerdem wollte sie es vermeiden, dass sie noch mehr Schulkameraden in diesem Laden über den Weg lief. „Vielleicht hat er das ja gesagt, weil er wegen der Cake-Pops enttäuscht wurde? Oder wie nannte er sie noch gleich? Kuchenlollis?", lachte die Chefin etwas, woraufhin Asuka ein wenig angefressen zu dieser blickte. „Toll, und wessen Verdienst ist das? Lieferschwierigkeiten wegen des Wetters, hör mir auf. Du hast sie bei der Bestellung vergessen." Das Lachen von Kaori erstickte augenblicklich, zudem kratzte sie sich etwas schuldbewusst an der Wange, während sie ihren Blick abwandte.

„Aber... Für jemanden deinesgleichen dürften fehlende Cake-Pops doch kein Problem darstellen, oder?", versuchte sich die Ältere ein wenig herauszureden. Oder zumindest versuchte sie, Hanashiro auf andere Gedanken zu bringen. Die Oberschülerin richtete sich von ihrer fast schon hängenden Position auf dem Tresen wieder auf, nachdem sie die Worte ihrer Chefin vernommen hatte. Ihre Stimmung schien sich augenblicklich etwas gebessert zu haben, denn sie lächelte fast schon ein wenig. „Recht hast du, Kaori-san. Dann gehe ich heute früher, sonst schaffe ich das alles nicht mehr. Ich habe ja auch noch Hausaufgaben – du weißt schon, der Alltag einer Oberschülerin." Die Weißhaarige erhob sich von ihrem Platz und verschwand mit einem Winken durch die Tür hinter dem Tresen. „Halt, warte mal. Asuka!" Die schwarzhaarige Frau war von ihrem Stuhl aufgesprungen, doch sie ließ sich mit einem tiefen Seufzen sogleich wieder auf diesen fallen. „Ryōtarō, dein Kind macht mich fertig", sprach Kaori dann noch leise vor sich hin.


In der Zwischenzeit waren Murasakibara und Himuro fast wieder bei der Yōsen angekommen. Sie gingen gerade den restlichen Weg von der Station zurück zu dem Wohnheim, das sich auf dem Campus der Elite-Oberschule befand. Während Atsushi auf seinem extra großen Kaubonbon herumkaute, blickte er im Augenwinkel zu dem Schwarzhaarigen hinab, der eine Hand an seinen Mund gelegt hatte, während sie schweigend nebeneinander gingen. „Du grübelst ja immer noch", merkte er nach einer Weile an und wandte schließlich seinen Blick ab. Muro-chin sollte jetzt bloß nicht auf den Gedanken kommen, er würde sich Gedanken machen oder so etwas. Das tat er sicherlich nicht. Ihm war das nur aufgefallen und deshalb hatte er es angesprochen. So wie nahezu alle Entscheidungen seinen Launen oder seinem Bauchgefühl entsprangen. „Sag mal, Atsushi, hast du wirklich keine Ahnung, wer Hanashiro ist oder tust du nur so?" Himuro fand die Antwort auf seine Frage bereits in der Reaktion des Größeren, denn Atsushi zog eine Augenbraue hoch und kaute sein Bonbon signifikant langsamer. „Nö, keine Ahnung. Noch nie gesehen", erwiderte er. Wobei das wohl nicht stimmte, wenn er so darüber nachdachte. Er war ihr bestimmt über den Weg gelaufen, nur hatte ihn das nicht interessiert und somit hatte er auch keine Erinnerung daran.

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