Kapitel 17 - Versöhnung

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„Du hast dich mit Atsushi gestritten, oder?" Tatsuya hatte innerlich etwas mit sich gerungen, ob er dieses Thema gegenüber Asuka wirklich ansprechen sollte. Einerseits wollte er sich nicht in etwas einmischen, das ihn nichts anging, andererseits wollte er ebenso wenig in ein Fettnäpfchen hineintreten. Deshalb hatte es sich an Asuka gewandt, nachdem Okamura und Fukui weitergereist waren. „Man kann dir nichts vormachen, oder?", war alles, was die Weißhaarige ihm zunächst entgegnete, ehe sie zu einer richtigen Antwort ansetzte: „Ja, wir hatten so etwas wie einen Streit. Er ist manchmal so unbedacht, dass es einen wirklich zur Weißglut treiben kann. Und trotzdem... Ich kann ihm nicht zu böse sein. Er macht das nicht aus einer bösen Absicht heraus, das weißt du sicher auch... Aber ich kann auch nichts dafür, dass ich mich verletzt fühle. Jetzt sind wir in einer Situation, in der ich enttäuscht bin und er überhaupt nicht begreift, wieso..." Ein tiefes Seufzen kam ihr über die Lippen, während sie sich ein wenig den Arm rieb. Kurz schweifte ihr Blick zu Tatsuya, dem man förmlich ansah, dass er nicht so recht wusste, was er sagen sollte. „Mach dir keine Gedanken, das renkt sich wieder ein", sprach sie zuversichtlich. Spätestens vor dem Schlafengehen würde sieh ihn zum Reden zwingen, denn sie konnte nicht in einem Zimmer schlafen, in welchem Spannungen herrschten. „Ach was, darüber mache ich mir keine Gedanken. Immerhin ist nur einer von euch ein Kindskopf", schmunzelte Tatsuya, was auch Asuka leicht zum Lächeln brachte.


Mittlerweile war es Abend. Die Sonne war bereits untergegangen und der dunkle Nachthimmel hatte sich über Shōnai ausgebreitet. Asuka saß draußen auf dem Holzbalkon, den sie von ihrem Zimmer aus erreichen konnte, und betrachtete die Sterne. Sie hatte ihre Beine zwischen die Holzstäbe des Geländers gesteckt, sodass sie diese im Freien baumeln lassen konnte. Hier, auf dem Land, erschien ihr der Nachthimmel so wunderschön. In Akita war es durch die vielen Beleuchtungen der Stadt kaum möglich, die Sterne zu betrachten. Und von Schulkameraden hatte sie gehört, dass es in den riesigen Metropolen wie Tokio oder Yokohama überhaupt nicht möglich war. Damit gab es noch einen weiteren Grund, warum sie diese riesigen Großstädte nicht betreten wollte. Sie konnte ihre ganzen Schulkameraden nicht verstehen, die unbedingt nach Tokio zum Studieren wollten. Ihr wäre es am liebsten, würde sie für alle Zeiten in diesem Moment verharren. Oberschülerin bleiben und sich niemals mit den Problemen der Erwachsenen herumschlagen zu müssen – das wäre wirklich toll...

Noch während sie beim Beobachten der Sterne ein wenig nachdachte, hörte sie, wie hinter ihr die Shoji-Tür auf- und zugeschoben wurde. Schritte ertönten auf dem hölzernen Boden ihres Balkons und bewegten sich auf sie zu. Mit genügen Diskretionsabstand setzte sich Murasakibara dann im Schneidersitz neben sie. Das alles, ohne ein Wort zu sagen. Etwas neugierig und auch abwartend, blickte Asuka zu ihm herüber, doch seine langen lilafarbenen Haarsträhnen verdeckten sein Gesicht. Dann, mit einem Mal, legte er auf die freie Fläche des Bodens, die zwischen ihnen beiden lag, einen verpackten Keks. Dann noch einen und noch einen... Er hörte gar nicht mehr auf! „Was wird das, wenn es fertig wird?", fragte Asuka, die nicht so recht wusste, was er damit bezwecken wollte. „Die sind für dich", erklärte er recht stumpf. Das was etwas, dass sich Asuka auch schon gedacht hatte, aber... Er wollte ihre Vergebung doch nicht wirklich mit Keksen erkaufen, oder? „Danke, aber... Mir ist nicht danach", erwiderte sie vielleicht eine Stufe zu kühl. „Du musst sie aber annehmen. Sonst heißt das, dass du noch immer böse mit mir bist." Es war also, wie sie vermutet hatte... Er suchte den einfachen Weg und wollte sie mit Süßigkeiten bestechen, was auch sonst? „Murasakibara, das ist nicht..." – „Es tut mir leid, Asuka."

Ihr Herz machte einen Satz. Zwei Dinge, die für sie unerwartet kamen, hatten sich in einem Satz miteinander verbunden: Zum einen hatte sich Murasakibara in einem für ihn ungewöhnlich ernsten Ton entschuldigt, zum anderen hatte er sie beim Vornamen angesprochen – ohne Suffix oder dergleichen. Das fand sie nicht weiter unhöflich, es hatte sie nur sehr überrascht. Wollte er ihr auf diese Weise mitteilen, dass er es ernst meinte? Wenn ja, dann war ihm das gelungen. „Ich habe mich falsch ausgedrückt, das habe ich begriffen. Ich meinte das aber wirklich nicht so..." Atsushi hatte die ganze Zeit, bis eben gerade noch, darüber nachgedacht. Eigentlich gab es noch mehr Dinge, die er ihr sagen wollte, aber das wurde ihm zu peinlich. Deswegen hoffte er, dass er genug getan hatte, damit sie ihm verzieh. Allerdings hörte er rein gar nichts von Shiro-chin. Zu ihr herübersehen wollte er aber auch nicht.

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