Kapitel 5 - Ein Besucher

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Am frühen Nachmittag endete der Unterricht an der Yōsen-Oberschule, und die Klubaktivitäten konnten aufgenommen werden. Asuka war mehr als glücklich darüber, dass sie an diesem Nachmittag nicht arbeiten musste und endlich wieder für ihren Klub da sein konnte. Als dessen Vorsitzende versuchte sie sich so viel Zeit wie möglich zu nehmen, doch wie Kaori-san bereits bemerkt hatte, gab es eine ganze Menge, was sie in ihrem Leben als Schülerin unter einen Hut bringen musste. Manch einer würde ihr sicherlich raten, eins von beiden, den Klub oder die Arbeit, aufzugeben, damit sie sich voll und ganz auf das andere fokussieren konnte. Mit Gedanken dieser Art hatte sich Asuka bereits auseinandergesetzt, doch sie war jedes Mal wieder zu dem gleichen Schluss gekommen: Sie brachte es nicht übers Herz, eines der beiden Dinge aufzugeben. Kochen war ihre Leidenschaft... Sie konnte aber unmöglich die Küche im Wohnheim dauerhaft besetzen, weshalb der Klub ihre einzige Möglichkeit war, diesem Hobby nachzugehen. Und was ihre Arbeit anging, so benötigte sie den Nebenjob, um sich ein kleines Taschengeld dazuzuverdienen. Sie konnte das nicht auch noch von Ryōtarō verlangen... Nicht, nachdem er sich bereiterklärt hatte, die horrenden Schulgebühren der Yōsen zu stemmen. Somit war sie in dieser kleinen Zwickmühle gefangen, in welcher ihr nichts anderes übrigblieb, als stets ihr Bestes zu geben. Als Schülerin, als Vorsitzende und Gründerin des Hauswirtschaftsklubs und als Aushilfe im Yuzu-Ya.

Es war ein gutes Gefühl, nach all den vergangenen Tagen wieder die Räumlichkeiten der Schulküchen zu betreten. Derzeit befand sie sich in dem Raum, der provisorisch als Klassenzimmer diente, wenn die Erstklässler theoretischen Unterricht in Hauswirtschaft hatten. An den vier größeren Esstischen konnte man schließlich problemlos arbeiten und in dem Raum befand sich sogar ein Projektor mit entsprechender Tafel. Das war für sie in den ersten Stunden nach Gründung des Klubs auch sehr von Vorteil gewesen, denn so hatte sie den Mitgliedern sämtliche Verbote und Gebote einbläuen können. Sie war recht streng in diesen Dingen, schließlich war sie diejenige, die schon für echte Kunden gekocht hatte und als Vorbild für ihre Klubmitglieder gelten musste. So band sie sich ihre Haare zusammen und klemmte die restlichen Strähnen, die aus dem Zopf fielen, mit Klammern beiseite. Dann warf sie sich noch auf ihre Schürze über, auf welcher weiße Blumen abgebildet waren – eine Anspielung an ihren Namen – und ging dann herüber in die Schulküche, wo bereits sämtliche Klubmitglieder zugegen waren.

„Hanashiro! Was für eine Freude!"

„Senpai, du bist wieder da!"

„Jetzt werden wir wieder gelyncht."

Diese und ähnliche Worte der Begrüßung wurden ihr entgegengebracht. Asuka schmunzelte, während sie zu den sechs Oberschülern des Klubs blickte und diese ebenfalls begrüßte. In Anbetracht dessen, dass sie erst am Anfang des Schuljahres diesen Klub gegründet hatte, war sie eigentlich ganz froh, dass sich überhaupt genügend Mitschüler gefunden hatten. Abgesehen davon empfand sie es als angenehm, dass sie eine kleine und überschaubare Gruppe waren. Schließlich trug Asuka auch eine gewisse Verantwortung und musste darauf achten, dass nichts passierte. Hätten sie so viele Mitglieder wie beispielsweise der Basketballklub, so hätten sie zum einen nicht einmal die Kapazitäten dafür, zum anderen würde die individuelle Nähe zu den einzelnen Mitgliedern etwas schwinden. Sie konnte sich noch gut an etwas erinnern, das Okamura ihr einmal im Vertrauen gesagt hatte: Selbst für ihn, der Kapitän des Teams gewesen war, war es praktisch unmöglich gewesen, mit allen Mitgliedern des Klubs ein gewisses Verhältnis aufzubauen. Dafür waren es einfach zu viele gewesen.

„Ich entschuldige mich in aller Form für meine längere Abwesenheit." Asuka verneigte sich vor ihren Klubmitgliedern, ehe sie sich mit einem fast schon fiesen Grinsen auf den Lippen wieder aufrichtete. „Aber ich muss schon sagen, ich bin stolz, dass ihr die Küche zwischenzeitlich nicht abgefackelt habt. Mir ist auch keine Beschwerde zu Ohren gekommen und die Feuermelder im Flur sind auch nicht angesprungen. Scheinbar hattet ihr eine ruhige Wo-" Noch bevor sie ihren Satz zu Ende bringen konnte, fiel ihr Saotome Ritsuka, eine Zweitklässlerin aus ihrer Nebenklasse, ins Wort: „Shinya wollte uns alle umbringen und einen Topf in die Mikrowelle stellen." Alle Blicke wanderten daraufhin zu dem einzigen Jungen in diesem Klub: Yamato Shinya, ebenfalls ein Zweitklässler und Klassenkamerad von Saotome. Er fuhr sich durch seine längeren, kastanienbraunen Haarsträhnen, die er zu einem Zopf gebunden hatte, und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. „Asuka-san, nicht umkippen!", wurde die Weißhaarige von Yūka, der Erstklässlerin aus Murasakibaras Klasse, gebeten. Dennoch hatte Asuka das Gefühl, als hätte ihre Seele ihren Körper verlassen. Sie hätte nicht gedacht, dass dies einmal erforderlich sein würde... Doch allem Anschein nach musste sie bei ihrer Präsentation für die Neuzugänge im nächsten Schuljahr den Punkt hinzufügen, dass man keine Töpfe in Mikrowellen stellte.

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