Kapitel 11 - Ferienbeginn

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„Sayumi..." Es kam nur selten vor, doch Asuka war gegenwärtig so sprachlos, dass sie nicht so recht wusste, was sie sagen sollte. Die Schülerin mit den wahrscheinlich besten Noten an der Yōsen, ihre Freundin Sayumi, hatte eine Prüfung verhauen. Und das nicht nur ein bisschen, sondern so richtig. „Hey, Knirps, mit so einer Note fährst du aber nirgendwo hin", merkte Atsushi trocken an. Asuka sah deshalb nicht wenig verärgert zu ihm und erwiderte seine unnötige Bemerkung, bevor irgendwer anders es konnte: „Halt die Klappe, Murasakibara!" Damit zeigte die sonst so fröhliche und gelassene Oberschülerin eine Seite an sich, welche die beiden Basketballer noch nicht zu Gesicht bekommen hatten.

Atsushi passte das gar nicht. Er hatte nur die Wahrheit ausgesprochen – es gab also keinen Grund, ihn so anzufahren, wie Shiro-chin es getan hatte. Nur weil sie gut kochen und backen konnte, besaß sie noch lange keinen Freifahrtschein, mit dem sie sich alles erlauben durfte. Deshalb sah er jetzt selbst mit verengten Augen zu der Weißhaarigen hinab, die ihm aber nicht minder verärgert entgegenblickte. „Ich weiß, ihr zieht euch gerne auf, aber... Auch du kannst Rücksicht auf die verletzten Gefühle und die Enttäuschung eines Jemanden nehmen. Es gibt Grenzen, Murasakibara, auch für dich." Trotz dessen, dass sie etwas gereizt war, vermittelte ihm Asuka diese Worte ruhig und neutral. Dann wandte sie sich wieder Sayumi zu, auf deren Schultern sie ihre Hände legte, um ihren Beistand zu vermitteln. „Wollen wir zu deinem Lehrer gehen? Vielleicht ist das ja ein Fehler..." Vorstellen konnte sie sich das zwar nicht... Aber es war ebenso unglaublich, dass Sayumi eine Prüfung mit lediglich einundvierzig Prozent ablegt haben sollte. „Das ist kein Fehler... Lass uns bitte...einfach gehen", murmelte die Kleinere, woraufhin Asuka verständnisvoll nickte. Sie warf einen letzten Blick über ihre Schulter, zu Tatsuya und Murasakibara, ehe sie Sayumi leicht anschob und sich mit ihr zum Wohnheim begab. Auf dem Weg dachte die Weißhaarige unentwegt darüber nach, wie das hatte passieren können. Ein Patzer dieses Ausmaßes war etwas, dass ihr selbst widerfahren könnte, aber doch nicht Sayumi. Und schon gar nicht in diesem Fach! Was also hatte dazu führen können?

Als sie in ihrem Zimmer angekommen waren, drücke Asuka Sayumi zunächst einmal auf ihr Bett, ehe sie aus der hintersten Ecke ihres Schrankes etwas herauskramte. Eine metallene Schachtel, die der Schwarzhaarigen sehr wohl bekannt war. „Die eiserne Reserve? Ich dachte, die holst du nur in Notfällen heraus?" Als Reaktion auf diese Frage legte Asuka ihren Kopf schief. „Wenn das kein Notfall ist, was dann?", stellte sie die Gegenfrage, ehe sie sich zu ihrer Freundin setzte und die Schachtel öffnete. Dort drinnen waren Süßigkeiten – oder wie die Weißhaarige sie auch gerne nannte: Nervennahrung. Und wenn Sayumi jetzt eine Sache gebrauchen konnte, dann war es Nervennahrung! Da die Schwarzhaarige unter dem auffordernden Blick ihrer Freundin einknickte, griff sie schließlich in die Schachtel hinein und nahm sich ein paar Weingummis heraus, die sie sich anschließend in den Mund steckte.

„Vorhin sagtest du... Das Prüfungsergebnis wäre kein Fehler. Hast du etwa damit gerechnet?" Sollte dies der Fall sein, so würde Asuka wütend auf sich selbst sein. Während sie so sehr mit sich selbst und ihren Prüfungen beschäftigt gewesen war, hatte sie überhaupt nicht bemerkt, dass etwas mit Sayumi nicht stimmte. Sie war für ihre Freundin nicht da gewesen, obwohl diese ihr die ganzen letzten Wochen zur Seite gestanden hatte. „Ich habe geahnt, dass ich schlechter abschneiden würde. Dass ich aber nicht einmal bestehe, das hat selbst mich überrascht..." Die Stimme der Schwarzhaarigen war ungewohnt rau und tief, was der Größeren eine leichte Gänsehaut über den Körper jagte. Bevor sie fragen konnte, ob etwas vorgefallen war, kam ihr Sayumi allerdings zuvor: „Asuka, ich muss dir etwas beichten. Ganz gleich, ob bestanden oder nicht... Ich hätte ohnehin nicht mit euch fahren dürfen." Das war ein Geständnis, welches die Weißhaarige nicht erwartet hätte. Entsprechend groß wurden auch ihre Augen. „Aber du sagtest doch, du hättest mit deiner Mutter..." – „Ich habe dich angelogen, damit du die Motivation für deine Prüfungen nicht verlierst. Es hätte dich zweifelsohne heruntergezogen. Du bist ein zu mitfühlender und emotionaler Mensch, Asuka..."

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