Der erste Abend im Ryokan war vergleichsweise ruhig verlaufen. Nach dem Essen waren die drei eigentlich nur noch baden gegangen, ehe sie die Futons in Asukas Zimmer ausgerollt hatten. Da Atsushi die Normgröße der handelsüblichen Futons überstieg, hatte Asuka noch einen weiteren geholt und diesen quer an den anderen herangeschoben. Jetzt sah man zwar kaum noch etwas von den Tatami-Platten auf ihrem Fußboden, doch zumindest hatten sie es alle bequem. Danach waren – typisch für Jugendliche eben – sämtliche Ladekabel ausgepackt und ihre Handys an diesen angeschlossen worden. Für Atsushi und Asuka war dies die letzte Handlung des Abends, denn sie waren in einer Hinsicht vom gleichen Schlag: Sie zählten zu diesen Personen, die abends früh schlafen gingen und dementsprechend früh wieder aufstanden. Somit hatte sich Himuro recht schnell allein in dem Zimmer wiedergefunden – zumindest in dem Sinne, dass er als einziger noch wach war. Es war schließlich auch erst kurz vor zehn Uhr und er würde im Traum nicht daran denken, jetzt schon zu schlafen. Zumal er auch Ferien hatte. Deshalb lag er noch lange rücklings auf seinem Futon und schrieb einige Nachrichten an seinem Handy.
Am kommenden Morgen war Atsushi derjenige, der zuerst erwachte. Auf seinem lila Klapphandy überprüfte er die Zeit und stellte fest, dass es kurz nach sechs Uhr war. Es würde sicherlich seine Zeit brauchen, bis sein Körper sich darauf einstellen konnte, dass er zumindest ein bisschen länger schlafen könnte. Und sobald das erfolgt war, würde das neue Schuljahr bereits wieder losgehen – so war es doch immer. Er atmete lautlos durch und stellte wenig überrascht fest, dass Muro-chin noch tief und fest am Schlafen war. Dass Shiro-chin allerdings auch noch schlief, verwunderte ihn hingegen, wo sie doch stets behauptet hatte, sie würde für die Arbeit hier immerzu früh auf den Beinen stehen. Das brachte ihn in eine ziemlich blöde Lage, denn... Was sollte er jetzt tun? Warten, bis einer von beiden aufwachte? Einen oder gleich beide wecken? Keine dieser Alternativen erschien ihm sonderlich prickelnd. Deshalb fuhr er sich ein wenig durch seine längeren Haarsträhnen, während er nachdachte. Das Grummeln seines Bauches brachte ihn schließlich auf einen weiteren Gedanken: Das Restaurant aufsuchen und dort abwarten. Die ganze Zeit zwischen seinen schlafenden Schulkameraden zu sitzen, würde sie Situation sicherlich nicht besser machen. Also erhob er sich von seinem Futon, kratzte sich kurz an seinem Bauch und verließ dann anschließend das Zimmer von Shiro-chin. Den Weg hatte er sich vom gestrigen Tag gemerkt und so betrat er schließlich den fast menschenleeren Saal. In einem Gasthaus in der großen Stadt wäre sicherlich um diese Uhrzeit schon der Bär los – aber hier, auf dem weit entfernten Land, sah das wohl anders aus.
„Oh, das ist aber eine Überraschung... Ich hätte nicht gedacht, dass einer von euch vor Asuka aufsteht", merkte Ryōtarō, der genau zwischen Küche und Speisesaal stand, um alles im Blick zu behalten, überrascht an. Atsushi wäre sicherlich erschrocken, wäre er nicht überaus resistent dagegen. Er war durch Kuro-chin in der Hinsicht abgestumpft. „Setz dich doch", meinte Shiro-chins Vater dann noch und deutete auf die Plätze am Tresen, die ihn an eine Ramenbar erinnerten. Da Atsushi nichts dagegen einzuwenden hatte, folgte er der Aufforderung. Von dem Platz aus konnte er ein wenig in die teilweise abgetrennte Küche blicken, wo ein junger Mann und eine Frau gerade tätig waren. „Mein Lehrling, Hoshino... Und die hübsche Dame ist Shimizu, ihr habt sie gestern schon getroffen. Sie regelt den Service hier. Wenn recht wenig los ist, überlass ich den beiden das Kommando, damit sie endlich flügge werden...", erklärte Ryō, nachdem er Atsushis fast schon neugierigem Blick gefolgt war. „War das bei Shiro-chin auch so?", fragte er, wo sich schon einmal die Gelegenheit bot. „Shiro-chin?", wiederholte Ryō diese Bezeichnung, ehe er zu grinsen begann. „Dein Spitzname für Asuka? Gar nicht mal so übel... Aber, um auf deine Frage zurückzukommen: Nein, Asuka musste damals nicht auf so etwas vorbereitet werden. Sie hat das Arbeiten und Tun hier von klein auf praktisch in sich aufgesogen. Sobald sie konnte, hat sie ganz von sich aus angefangen, mitzuhelfen. Dadurch hat sie mittlerweile mehr Berufserfahrung, als die meisten, die hier arbeiten oder anfangen. Und sie ist wirklich gut, in den Dingen, die sie tut. Ein einzigartiges Mädchen..."
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Vanilla Flavor
RomansaUrsprünglich wollte Murasakibara Atsushi lediglich ein bisher unbekanntes Süßwarengeschäft in Akita besuchen und dort nach Herzenslust sein Geld verprassen. Dort angekommen ertappt er allerdings Hanashiro Asuka, eine Zweitklässlerin der Yōsen, bei e...