Telefonat

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Bevor ich das Telefonat annehme, atme ich noch einmal tief durch. Ich weiß nicht, warum, aber meine Mutter geht mir momentan ziemlich auf die Nerven. Aber ich kann sie auch nicht ignorieren. Daher drücke ich auf den grünen Hörer. „Hallo Mum, was kann ich für Dich tun?" falle ich direkt mit der Tür ins Haus.

„Vor allem Dich mal melden. Du bist schon drei Tage wieder im Land und hältst es wohl nicht für nötig Dich bei Deiner Mutter zu melden." tadelt sie mich. So wie immer halt. Gloria Hunter kann man selten was Recht machen.

„Ich habe die Tage fast durchgeschlafen, Mum. Ich bin fertig. Ich brauche meine Ruhe." versuche ich sie Milde zu stimmen.

„Ohhhh, entschuldige, der Herr braucht seinen Schönheitsschlaf!" Ihre Stimme trieft vor Sarkasmus.

„Mum, ich hatte seit 6 Monaten keinen Tag mehr frei. Habe anstrengende Dreharbeiten bei teilweise 40Grad und mehr hinter mir. Ich kann nicht mehr!" Ich versuch es mal auf die Mitleidstour. Vielleicht hilft das ja.

„Gott, Du bist ein junger Mann, das wirft Dich doch nicht um. Du solltest vielleicht mehr schlafen als rumzuvögeln mit Deinem Co-Star." Wieder die alte Laier. Ob ich mit oder ohne Frau schlafe, wo liegt da der Unterschied? Zumal ich nach ein paar Runden Sex meist besser schlafe als ohne.

„Das geht Dich nichts an." Das hab ich ihr schon ein paar Mal gesagt.

Sie zieht scharf die Luft ein. „Das sehe ich anders. Es schadet Deinem Ruf. Du hinterläßt gebrochene Herzen. Irgendwann wird keine mehr mit Dir drehen wollen." Wie bitte?

„Die Frauen wissen, auf was Sie sich einlassen. Ich mache keiner was vor." sage ich bestimmt. Soll mir ja Keine mit was anderem kommen. Ich sag immer klar heraus, dass ich nur Sex will und keine Beziehung.

„Aber Du bist nun mal ein toller Mann. Das man sich in Dich verliebt ist klar." versucht sie mir zu schmeicheln. Aber das ist ein Thema über das ich nun gerade wirklich nicht reden möchte.

„Mum, wir schweifen ab. Ich hab Dir schon mal gesagt: Mein Privatleben geht Dich nichts an. Was willst Du? Komm zum Punkt." bestimme ich. Eine kurze Pause entsteht. Ist selten, dass ich so mit ihr spreche.

„Das Studio will zu „Snowland" mit der Promotion starten. Ich werde mich morgen mit Claires Agenten treffen um einige Termine abzustimmen. TV, Fotoshoots, Festivals. Ihr solltet Euch zusammen sehen lassen." Hatte ich mir nicht anders gedacht.

„Du weißt, was ich von dieser Art von Promotion halte." Und ausgerechnet Claire....Na ja, irgendwann musste ich wohl wieder auf sie treffen. Das ist Teil des Jobs. „Aber keine Lovestory Mum. Da mach ich nicht mit." Wieder versuche ich so bestimmt wie möglich zu sein.

„Was hast Du dagegen? Du weißt, Ihr Vater ist sehr einflussreich. Er könnte Dir tolle Angebote besorgen. Denk doch wenigstens mal darüber nach. Ihr habt Euch doch gut verstanden." versucht sie mich zu beschwichtigen.

„Ja, das haben wir. Und sie ist ja auch ganz ok. Aber ich kann nun mal keine Gefühle heucheln." Ich kann förmlich sehen, wie sie am anderen Ende der Leitung die Augen verdreht. Gefühle sind auch nicht unbedingt ihr Ding. Ich glaube sie hätte auch nichts gegen eine arrangierte Ehe. Hauptsache sie wäre zu meinem, und damit auch zu ihrem, Vorteil. Ob ich dann weiter andere Frauen ficke, das ist ihr ziemlich egal. Aber sollte ich jemals heiraten, dann nur aus Liebe.

„Was suchst Du eigentlich?" Wenn ich das wüsste, wäre ich auch glücklicher. Aber ich weiß einfach nicht. Irgendwas fehlt immer.

„Jedenfalls nicht Claire. Aber einverstanden. Mach ein paar Termine aus. Aber frühestens in drei Wochen. Ich brauche diese Zeit für mich." Hoffentlich gibt sie jetzt Ruhe.

„Da wird das Studio nicht mitziehen. Telluride ist in zwei Wochen. Da wird der Film uraufgeführt. Danach geht es direkt nach Toronto. Eventuell dann nach Europa. Mal sehen." Jetzt ist sie bestimmt aufgesprungen und rennt in ihrem Büro rum.

„Mum!" unterbreche ich sie. „Ich brauche diese Zeit. Sonst dreh ich durch. Mein Magen dreht durch. Mir geht es schlecht. Mein Arzt sagt, wenn ich so weiter mache, dann wird das nicht lange gut gehen." Plötzlich ist es ganz ruhig am anderen Ende. Endlich habe ich ihre Aufmerksamkeit.

„Du warst beim Arzt?" hakt sie nach.

Ich atme tief durch. Irgendwie schwierig der eigenen Mutter davon zu erzählen. Kein Kind will den Eltern Sorgen bereiten und ein Arztbesuch impliziert immer Sorgen. „Ja. Gestern Vormittag. Nachdem ich 8 Stunden am Stück geschlafen habe." antworte ich ihr. Sie scheint kurz nachzudenken. Dann fährt sie fort und dabei klingt ihre Stimme nicht mehr ganz so hart wie noch vor zwei Minuten.

„Dean, Du weißt selbst: Man muss das Eisen schmieden, so lange es heiß ist. Und Du bist derzeit mehr als angesagt. Diese Chancen dürfen wir uns nicht entgehen lassen. Es kommen auch wieder andere Zeiten." Ich fass es nicht: Sie fragt nicht mal, warum ich beim Arzt war oder ob ich krank bin.

„Mum..... Du verstehst es nicht: Ich kann nicht mehr. Ich brauche eine Pause. Sonst werde ich irgendwann zusammen klappen." Das dies schon passiert ist, werde ich ihr jetzt bestimmt nicht sagen. Offensichtlich interessiert es sie ja eh nicht.

Seit 15 Jahren treibt sie mich von einem Job zum nächsten. Ich hatte keine Teenager Zeit wie alle anderen. Am Ende hat sie mich sogar aus der Schule genommen. Privatlehrer haben mich ein Jahr unterrichtet. Dabei wäre ich gerne zum College gegangen. Ich will nicht sagen, dass die Schauspielerei mir nicht gefällt, aber ich hätte mir auch anderes vorstellen können. Meeresbiologie zum Beispiel fand ich immer sehr interessant. Alles was mit Meer zu tun hat, hat mich immer fasziniert. Wale Watching hab ich mal gemacht, während Dreharbeiten in Kanada. Tauchen ist mein liebstes Hobby, was ich immer mache, sobald ich die Möglichkeit habe.

Seit 15 Jahren findet mein Leben auf dem Filmset statt. Und wenn ich nicht drehe, dann Fotoshootings, Pressetermine, Promotion. Einfach keine freie Minute zum Durchatmen. Anfangs fand ich es ja auch toll. Aber mit zunehmenden Jahren, hat es mich immer mehr genervt. Außerdem vermisse ich es immer mehr, mal einfach in der Menge unterzutauchen. Als Teenager war es super, wenn mich jemand auf der Straße ansprach. Wenn man Selfies mit mir machen wollte. Aber nun möchte ich einfach manchmal eine Tarnkappe haben.

„Dean, Du hörst mir nicht zu." höre ich die Stimme meiner Mutter, die mehr als sauer klingt.

„Entschuldige. Ich war in Gedanken. Wenn Du mir die zwei Wochen bis Telluride gibst, dann bin ich dabei."

„Das hört sich schon besser an. Ich werde Dir alle Termine schreiben." Sie scheint offensichtlich zufrieden mit sich. Sie hat wieder einmal erreicht, was sie wollte.

„Die Zeit vom 15. Dezember bis 15. Januar will ich auch frei haben." versuche ich zu bestimmen.

„Das wird irgendwie gehen. Obwohl es Award Season ist." Kein Entgegenkommen ihrerseits ohne ein Aber. Das ist immer so.

„Das interessiert mich reichlich wenig." bemerke ich und höre, wie sie auf der anderen Seite schnaubt.

„Sag das nicht. Für „Snowland" liegen die Chancen nicht schlecht." das klingt ja so, als würde da ein gewisser Stolz in ihrer Stimme mitschwingen.

„Das werden wir dann sehen. By Mum. Ich muss." Und ich lege auf. Ich weiß, ein wenig unhöflich, aber ich musste das jetzt tun. Es ist eh alles gesagt.

Mal wieder hat es mich mehr aufgeregt als entspannt, ein Telefonat mit meiner Mutter zu führen.

Ob Sie recht hat? Snowland als Kandidat für einen der großen Preise unserer Branche. Na ja, das werde wir sehen. Telluride und Toronto sind gute Gradmesser. Viele der Filme, die dort ausgezeichnet werden, stehen später auf den Nominierungslisten.

Wenn ich ehrlich zu mir bin, dann hab ich in den letzten Jahren dieses Ziel irgendwann mal einen Oscar oder Golden Globe zu bekommen aus den Augen verloren. Komplett dem Mammon geopfert. Vielleicht sollte ich daran mal wieder was ändern. Und da ist der Abend morgen ideal. Wie hat Jamie mal gesagt: Fifty Shades hat ihm die Freiheit gegeben Projekte zu machen, die ihm am Herzen liegen, die ihn künstlerisch weiter bringen. Die verdienten Gagen reichen um ein ruhiges Leben zu finanzieren und sich zu konzentrieren auf das, was man wirklich machen will. Bin ich, wie er, an diesem Punkt angekommen? Darüber werde ich nachdenken müssen.

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