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Um die ganzen Geschehnisse des Tages zu verarbeiten muss ich irgendwas tun. Laufen wird heute nicht reichen. Boxen! Das ist jetzt genau das Richtige. Schnell packe ich meine Tasche und mache mich auf den Weg in die Bronx. Schon einige Monate war ich nicht mehr hier. In der großen alten Industriehalle trainieren einige Amateurboxer. Hier habe ich boxen gelernt, aber auch Kickboxen und Karate. Martial Arts wird hier auch von einigen praktiziert. Das hab ich mal für einen Film gebraucht und danach hab ich einfach weiter trainiert. Wenn ich denn hier war und das war im letzten Jahr eher selten. Aber für heute Abend ist es genau das richtige. Mich mal so richtig auszupowern, meine Gefühle los werden. Die Enttäuschung, dass sie offensichtlich nicht das gleiche für mich empfindet wie ich für sie. Es wäre ja auch zu schön gewesen. Oder mache ich mir hier was vor? Ist es doch nur einfach das gute Gefühl sie wieder in meinem Leben zu haben?

Drei Stunden später bin ich wieder zu Hause und keinen Schritt weiter. Ich habe keine Ahnung, was ich wirklich für Jess fühle. Nur eines steht fest: Sie hat eine magische Anziehungskraft auf mich und ich liebe es in ihrer Nähe zu sein. Ich liebe es, sie zu spüren. Aber ...ich traue mich nicht einmal es zu denken. Und aussprechen kann ich es schon gar nicht. LIEBE? Dieses große Wort mit 5 Buchstaben. Und wenn ja, welche Art von Liebe? Geschwisterliebe? Wie verdammt soll ich das wissen?

Um mich ein wenig abzulenken hole ich den Drehplan von morgen raus und das Skript. Text wird es wieder wenig geben. Wahrscheinlich läuft es ab wie am ersten Tag. Wir laufen los. Allerdings haben wir drei Drehorte, die von einander weg liegen. Ich versuche mich in die Stimmung rein zu lesen, die an diesem Tag zwischen Beth und Phil herrscht. <Phil wirkt distanziert>. Vielleicht sollte ich auch ein wenig Raum zwischen mich und Jess bringen. Wenn sie mich nur als ihren Bruder sieht, dann stehe ich eh auf verlorenem Posten.

Wie immer bin ich am nächsten Morgen einer der Ersten am Set. Ich hasse es unpünktlich zu sein und mich dann vielleicht hetzen zu müssen. Diesen Stress kann man gut verhindern, wenn man früh da ist. Meist sind das Catering sowie Garderobe und Maske auch schon da. Sie bereiten in Ruhe den Tag vor.

Vicky, die Garderobiere habe ich erst vorgestern in meiner Wohnung kennen gelernt. Sie ist eine super sympathische Blondine. Etwa 160cm groß und ...wie soll ich sagen...pummelig. Ihre Brille auf der Nase verdeckt ein wenig ihre schönen blauen Augen. Ich entdecke Sie am Catering. Sie beißt gerade mit Genuss in einen Bagel.

„Guten Morgen." begrüße ich sie als ich neben ihr stehe.

„Oh, guten Morgen, Dean." Ihre Stimme ist sehr angenehm. Sie passt zu ihr.

„Schmecken die Bagels?" frage ich.

„Himmlisch." antwortet sie mir und grinst dabei. Sie ist eine Genießerin.

„Lohnt es sich zuzugreifen?" höre ich die mir so bekannte Stimme hinter mir. Jess greift an mir vorbei und nimmt mir den letzten Lachsbagel weg. „Hey. Das war meiner." protestiere ich.

„Du gönnst Deiner kleinen Schwester nicht ihren heiß geliebten Lachsbagel?" sie spielt die Entrüstete. Ich für meinen Teil spüre wieder dieses Gefühl in mir. Ihre Nähe, dieses Prickeln im Bauch. Aber das scheint wirklich einseitig zu sein. Oder?

„Magst Du einen Kaffee?" holt mich ihre Stimme aus meinen Gedanken.

„Ja, gerne." Mehr kann und will ich gerade nicht sagen.

Was nur kann ich tun, dass sie mit dieser Bruder Schwester Scheiße aufhört? Außerdem glaube ich langsam sie will mich damit nur provozieren. Ich hab letzte Nacht lange nachgedacht. Nicht nur ich habe gestern nicht gespielt. Auch sie. Jeder Kuss, jede Berührung, die Reaktionen unserer Körper. Das war alles echt. Das waren gestern nicht Beth und Phil, das waren Jess und Dean. Auch wenn sie es vielleicht nicht so deutlich spürt wie ich. Aber ich weiß, das da etwas zwischen uns ist. Etwas was über Geschwisterliebe hinaus geht.

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