Eine eiserne Nacht

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Till hatte recht. Rübchens für mich noch immer nicht realisierbare Gegenwart hatte mir tatsächlich in meinem Trauerprozess um meine geliebte Stute geholfen.
Ja, die Arbeit mit dem eigenwilligen Pony ließ mich sogar wieder richtig aufblühen.
Aber eine Sache - jemanden - konnte Rübchen nicht wieder hinbiegen.

»Oh je, er ist ja mal wieder in bester Laune.« Theo seufzte und lehnte sich neben mich an den Holzzaun der großen Weide. Anweiden. Das taten wir mal wieder zu dieser Zeit des Jahres, denn nach dem harten Winter, hatten sich die Pferde das erste saftige Gras des Frühjahrs so richtig verdient.

»Seitdem Allegra fort ist sieht er überall Gespenster und hat schlechte Laune. Das Training ist ein Alptraum geworden!«, beklagte ich mich nun bei meiner langjährigen Freundin, nachdem ich auch diesmal beobachten musste, wie Conti nicht zur Ruhe kommen konnte und wie ein wild gewordenen auf und ab lief.
»Der wird sich noch verletzen, wenn der so weiter macht!«, äußerte Theo ihre Sorgen, die ich doch selber schon längst hatte.
»In die Box kann er aber auch nicht, da geht er seit ein paar Wochen nur noch an die Wände! Theo, er ist wie ein anderes Pferd...« Niedergeschlagen ließ ich nicht zum ersten Mal an diesem Tag meine Schultern hängen.
»Wir überlegen uns etwas! Aber, Conni, nicht mehr heute. Wir müssen bald los.«

Mit gepackten Sachen starteten wir auch dieses Wochenende auf eines der unzähligen Turniere, die wir immer besuchten.
Anders als in den letzten ganzen Monaten holte ich heute nicht Conti vom LKW, was mich schon ein wenig missmutig stimmte.

Edda war mal wieder fantastisch und auch Catchi hat sich von ihrer besten Seite gezeigt, aber am Ende des Tages war ich zu abgelenkt, um mir ein Schleifchen zu sichern.
Meine Gedanken kreisten unaufhörlich um meinen besten Freund - mein Pferd.

Wieder zuhause angekommen musste ich mir von Sabine anhören, was schon wieder passiert war.
»Drei Zäune hat er mir eingerissen, Conni. Das geht so nicht...«, äußerte sie mit einem bedauernswerten Gesichtsausdruck und legte ihre Hand auf meine Schulter.
»Ich weiß... Wo ist er jetzt?«, fragte ich müde.
»Drei mal kannst du raten. Der ist das ganze Wochenende nicht von der Wiese runter gekommen - er lässt sich nicht einfangen.«
»Na schön.« Ich seufzte erschöpft von dem anstrengenden Wochenende. »Ich werde ihn holen und nebenbei deine Zäune wieder aufstellen.«
»Ist schon gut, hab ich schon getan.«
»Da werden sicherlich neue liegen.«

Mit einem bedrückten Gesichtsausdruck stiefelte ich mit einem Halfter bewaffnet in meinen grünen Gummistiefeln zur Weide an der Hauptstraße .
Na toll, dachte ich, als es mal wieder anfing zu regnen.

»Dann wollen wir mal«, sagte ich entschlossen zu mir selbst und kletterte über das nasse Eisentor.
»Conti!«, rief ich dem Donner entgegen und pfiff einmal schrill.
Die Kapuze weiter ins Gesicht gezogen stiefelte ich bis ans andere Ende der Weide, wo Conti unbeeindruckt von mir graste.
Der Wind zog mittlerweile so heftig an meinen Kleidern, sodass ich Schwierigkeiten hatte, gegen an zu gehen.

»Na komm schon!«, rief ich verärgert, als er von mir wegtrabte, nachdem ich mich endlich zu ihm durchgeschlagen hatte. »Sei doch nicht so!«
Wieder grölte laut der Donner und auch die Blitze wurden immer regelmäßiger.

»Warum bist du so?!«, schrie ich verzweifelt, nachdem auch meine besten Versuche ihn einzufangen nichts brachten.
»Ich hasse dich, Conti! Du machst nichts als Ärger! Immer nur Ärger!«, brüllte ich den von mir ein paar Meter entfernt stehende Hengst an.
»Ich hasse dich einfach nur noch!«, schluchzte ich nun mit einem nassen Gesicht - nicht nur dem Regen wegen - und glitt ins nasse Gras.

»Na steh schon auf«, forderte die tiefe Stimme, die auf einmal neben den Donnerschlägen hinter mir auftauchte.
Ich schluchzte ein paar mal in mich rein, ehe ich mich am Arm hochziehen ließ.

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