Turniertage

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Es waren schon drei Wochen vergangen seitdem ich zurück an der Ostsee war und allmählich pendelte sich eine tägliche Routine ein.

Die Arbeit mit Conti verlief manchmal gut, manchmal nicht gut.
Gerade wenn ich dachte, dass ich ihn hatte, verfiel er in alte Muster und blockte wieder ab.
Sein Verhalten hing aber auch ganz stark von meiner Gefühlslage ab.
Denn obwohl ich meistens total tiefen entspannt war, gab es auch Tage, wo ich nicht genügend Zeit für Conti hatte und deshalb alles schnell machen wollte.
Es waren die Turniertage, die mich immer wieder aus meinem Konzept holten und deshalb fasste ich einen Entschluss.

Es war mal wieder eines der entspannteren Turniere auf dem ich nur einen Ritt hatte und danach mein Schleifchen bekam.
Nichtsdestotrotz war das Fernsehen da und auch die Zuschauermenge war riesig.
Man durfte einfach nicht vergessen in welcher Liga ich ritt und was für ein Tamtam auf so einem Turnier veranstaltet wurde.

Ich hatte ein Zeitspringen mit Catchi, welches ich mit Bravour meisterte. Wenn man sich bei Catchi auf eines verlassen konnte, dann auf ihre Geschwindigkeit. Sie übersprang jedes Hindernis zuverlässig, in einer Zeit, die fast unmöglich war - uns konnte eigentlich keiner mehr schlagen.

Nach meinem Ritt, riefen mich die Moderatoren zu sich auf den Platz und wollten mich interviewen. Ich kannte das ganze Spiel, denn es verging kaum ein Turnier, ohne dass die junge, talentierte Constanze Luise Fiedler ein Interview gab.

»Da kommt ja die hübsche Constanze«, sagte der eine Moderator, den ich nur allzu gut kannte. Es war Jim, der schon damals die Europameisterschaft moderierte.
»Hallo, Jim«, sagte ich winkend und strahlte über beide Ohren.
»Ich merke schon, ihr beide kennt euch und ich bin hier das fünfte Rad am Wagen«, lachte der andere Moderator, den ich noch nicht kannte.
»Oh ja, Frankie, ich kenne Constanze schon eine ganze Weile«, sagte Jim stolz und legte seinen Arm um meine Schulter.

»Jetzt erzähl doch mal ein bisschen von dir. Ich meine, damals bei der Europameisterschaft ist es nicht gut für dich ausgegangen, aber du bist mittlerweile viel besser aufgestellt als damals - du hast dich zurück an die Spitze gekämpft«, bohrte Frankie in der Vergangenheit.
»Tatsächlich hat sich ganz schön viel bei mir geändert, aber es ist alles super.«
»Großartig, einfach großartig. Wir haben eine Überraschung für dich, aber keine Sorge, diesmal keinen Heiratsantrag«, platzte Jim heraus und deutete ein wenig schmunzelnd auf eine Leinwand.

Überrascht drehte ich mich um und sah mal wieder eine Diashow über mein Leben.
Dieses Mal war es aber eine Diashow über meine schönsten Turniermomente.
Es wurden so viele Bilder gezeigt, an die ich mich gar nicht mehr erinnern konnte.
Daran merkte ich erst wie lange ich schon im Turniersport war.

»Constanze, vor nicht ganz 10 Jahren bist du dein erstes Turnier geritten und genau deshalb haben wir uns überlegt, dir das nochmal vor Augen zu halten. Du und deine Pferde sind aus dem Turniersport nicht mehr weg zudenken und du bist ein Vorbild für viele Reiter.«
»Dankeschön, Frankie, aber ich muss euch was gestehen. Eigentlich wollte ich es noch nicht jetzt, nicht so, verkünden, aber die Zeit ist gekommen. Ich werde mich erstmal aus dem Turniersport zurück ziehen...«
Sofort fingen die Moderatoren an zu buhen und auch das Publikum stieg mit ein.
»Ich weiß, dass sich das jetzt schlimmer an hört als es ist, aber ich werde wieder kommen«, versuchte ich die Menge zu beruhigen.

»Nein, Constanze, sag sowas nicht«, meinte Jim ein wenig enttäuscht.
»Es tut mir leid, Jim, aber ich habe keine Wahl. Es ist ja aber nicht für immer, nur eben für eine Weile. Außerdem werdet ihr noch genug von meinen Pferden sehen und könnt somit immer an meine Arbeit erinnert werden und an den Fortschritten teilhaben.
Egal wen ihr auf meinem Pferd in den Parcours reiten seht, bei der Person könnt ihr euch sicher sein, dass ich das so möchte und im Hintergrund immer da bin. Meine Pferde werden mit sehr kompetenten Freunden, meiner Familie, an den Start gehen, die meine Pferde in meinem Sinne weiterbilden werden.«
»Was ist eine Weile? Die ältere Generation wird es vielleicht noch wissen, aber deine Mutter, Mathilde, hat sich auch nur für eine „Weile" zurückgezogen. Sie ist nie wieder gekommen...«
»Keine Sorge, ich werde wieder kommen. Wann das sein wird - dann wenn die Zeit reif ist. Wenn ich mit Contenance in die Arena reite, wisst ihr, dass ich wieder zurück bin - versprochen...«

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