1. Kapitel (Finsternis)

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Der Mond stand hell und kalt am Himmel und ließ die knorrigen, jetzt, in der Blattleere kahlen Bäume lange, finstere Schatten auf den bemoosten Boden des Waldrandes werfen. Zwischen den Schatten liefen Katzen mit struppigen Pelzen und angelegten Ohren durch den Wald am Rand eines Donnerweges, auf dem zu dieser Tageszeit nur hin und wieder ein Monster mit leuchtenden Augen und tödlichen Pfoten vorbeiraste.

Plötzlich ertönte ein Jaulen, ein langes, herzzerreißendes Jaulen, das die Katzen zusammenzucken ließ. Sie begannen, sich um die Wurzeln einer riesigen Eiche zu versammeln.
Zwischen den Wurzeln des uralten Baumes befand sich ein kleiner, höhlenartiger Raum, in dem eine goldbraun gefleckte Kätzin kauerte. Ihr Körper zuckte unter Krämpfen, sie schien schreckliche Schmerzen zu haben.

Erneut jaulte sie auf, und ein schwarz-brauner Kater, der sein Gesicht in den Schatten hielt- sodass man nur ein stechendes gelbes Auge sah- und direkt neben ihr gestanden und sie ausdruckslos beobachtet hatte, drehte sich nun zu den anderen versammelten Katzen um und fauchte sie mit einer tiefen, bedrohlichen Stimme an:" Habt ihr Mäuseherzen nichts besseres zu tun, als uns anzugaffen? Verschwindet! Luchs, du kannst meinetwegen bleiben."

Ein schöner, silberner Kater mit feinen, schwarzen Streifen und klugen, türkisen Augen löste sich aus der sich langsam zerstreuenden Gruppe von Katzen und trottete auf den schwarz-braunen Kater zu. Mit ruhiger Stimme miaute er:" Finsternis, ich kann verstehen, dass du nervös bist, schließlich wird man nicht jeden Tag Vater, aber das ist noch lange kein Grund, uns so anzufahren."

Der dunkle Kater trat einen Schritt aus den Schatten sodass nun nun sein Gesicht sah,jedenfalls das, was davon übrig war. Denn die rechte Hälfte davon war schrecklich entstellt, das Fell zerfetzt, die Haut vernarbt und statt eines Auges klaffte in seinem Gesicht eine leere Höhle. Mit einem Knurren in der Stimme antwortete er dem silbernen Kater:" Du hast mir nicht vorzuschreiben, was ich zu tun habe, Fluss! Ich bin dein Anführer, nicht du meiner!" Mit diesen Worten stürzte er sich auf den Silbernen, fühlte Haut unter seinen Krallen reißen, stieß in mit einem gewaltigen Hieb zu Boden und nagelte ihn dort mit seinen Krallen, an denen schon so viel Blut unschuldiger Katzen klebte, fest, wollte sich in Fluss' Kehle verbeißen, doch da erklang wieder dieses Heulen, das seiner Gefährtin Reh.

Er ließ Fluss los, wirbelte herum und blickte die getupfte Kätzin an, deren Körper noch immer von den Wehen, die jetzt in kurzen Abständen kamen, geschüttelt wurde. Er hatte keine Ahnung, wie er ihr helfen konnte, also sagte er einfach nichts und blickte gespannt auf die Kätzin herab, als mit einem heftigen Zittern ein winziges Bündel in das Mondlicht glitt und auf den bemoosten Waldboden hinab.
"Ein kleiner Kater!", schnurrte Reh. Sofort begann sie, das Junge zu lecken und rechts von ihm tauchte eine Katze auf.
Luchs.
Er hatte sie nur bleiben lassen, weil Reh ihre Schwester war, jetzt ignorierte er sie einfach. Als er so auf den kleinen, sich windenden Körper seines Jungen herabblickte, stieg ein Schnurren in seiner Kehle auf. Er unterdrückte es mühsam, er durfte jetzt keine Schwäche zeigen!

Das zweite Junge glitt nun auf den Boden hinab, kleiner als das erste und schwarz wie die Nacht.
Reh begann, auch dieses zu lecken, Luchs half ihr bei dem ersten, es war dunkel getigert. Die beiden Kätzinnen schoben die Jungen an Rehs Bauch, wo sie sofort anfingen, nach Milch zu suchen.

Bis jetzt waren beide Kater, und der Schwarz-braune, Finsternis, ging davon aus, dass keine mehr kommen würden, doch wieder erzitterte der Körper seiner Gefährtin und ein drittes Junges glitt hervor.

Dieses war hellbraun getigert, noch ein Kater. Finsternis betrachtete die kleinen vollkommenen Wesen und nun konnte er das Schnurren nicht mehr unterdrücken.

"Waren das alle?", erkundigte sich Finsternis. "Vielleicht, aber ich glaube... eins kommt noch", keuchte Reh, erschöpft von der Geburt ihrer Jungen.

Und tatsächlich- sie wurde erneut von einer weiteren Wehe erfasst, sie unterdrückte mühsam einen weiteren Schrei, die Krämpfe häuften sich, doch das Junge ließ auf sich warten.

So lange sie auch warteten, das Junge kam nicht. Die Sonne warf schon erste goldene Strahlen durch den Wald und die ersten Katzen kamen von ihren nächtlichen Jagden zurück, als endlich ein winziges Bündel, noch kleiner als die Anderen, mit einem letzten Zittern von Reh auf den Boden der Höhle glitt.

Es regte sich schwach, während es von Reh und Luchs sauber geleckt und zu seinen Geschwistern geschoben wurde, und ein leiser, wimmernder Laut drang aus seiner winzigen Kehle.

"Eine Kätzin. Das wars." Das war Reh. "Sie sind perfekt", hauchte Finsternis. Er drehte sich zu seinen Gruppenmitgliedern um und verkündete:" Wir haben vier gesunde Junge. Drei Kater und eine Kätzin!"

Er wusste, seine Jungen würden sein Vermächtnis ehren und eines Tages in seine Pfotenstapfen treten. Sie würden das zu ende bringen, was er angefangen hatte: Diese jämmerlichen, verweichlichten Clans vernichten,die ihm so viel genommen hatten und denen er lebenslange Rache geschworen hatte, davon war er felsenfest überzeugt.

Was er nicht wusste: Unter seinen Jungen befand sich eine Rebellin. Eine Katze mit dem Herzen einer Kriegerin, nicht dem einer Streunerin.

Warrior Cats -  Sturmfeuers RufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt