19. Kapitel (Sturmfeuer)

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Sturmfeuer streckte sich und merkte erleichtert, dass ihre Wunden beinahe nicht mehr schmerzten. Ihr Knochen war noch nicht ganz verheilt, aber länger würde sie es im Zweibeinerbau nicht mehr aushalten.

Früher hatte sie so oder so keine Gelegenheit zur Flucht gehabt, aber heute würde sie fliehen.
Sie hatte sich nie von den Zweibeinern streicheln lassen, dafür war sie zu stolz, aber mit den Hauskätzchen hatte sie sich angefreundet, besonders mit Loki und Anni. Es würde ihr schwer fallen, die beiden zurückzulassen.

"Sturmfeuer! Es geht los, der Zweibeiner geht zur Tür!"
Auf Annis Ruf hin sprang sie auf die Pfoten und lief, ihre rechte Vorderpfote schonend, in Richtung Ausgang.

Der Zweibeiner öffnete die Tür, Schneeball schmiegte sich an seine Beine, Loki sprang auf seinen Schoß.

"Jetzt!", rief Anni und Sturmfeuer huschte pfeilschnell durch die schmale Öffnung, raste in das nächstbeste Gebüsch. Der Zweibeiner rief alarmiert etwas und in der Tür tauchte seine Gefährtin auf und nahm Rose in ihre Pfoten.

Erstaunt sah Sturmfeuer etwas, wie einen Schatten, hinter ihr herflitzen. Anni! Heiliger SternenClan, was macht sie da?

Die kleine Kätzin huschte zu ihr ins Gebüsch, miaute eindringlich:"Wir müssen hier weg! Komm, beeil dich!"

Zu verdattert, um zu widersprechen, folgte Sturmfeuer ihrer Freundin. Fast einen Mond lang hatte sie in diesem stickigen Bau festgesessen, jetzt konnte sie endlich die frische Luft einatmen und sich auf den Weg zurück zum SturmClan machen.

Anni schien sich auszukennen im Zweibeinerort, kein Wunder, sie hatte Sturmfeuer einmal erzählt, sie sei früher eine Straßenkatze gewesen. So führte sie Sturmfeuer durch die finsteren Gassen, die in ihr ein scheußliches Gefühl auslösten, weil sie die Erinnerungen an das Streunerlager wachriefen.

Endlich tauchte vor ihnen eine Wiese auf, mit hohem Gras und schier unendlich weit. Erst jetzt fiel ihr auf, dass die Blattgrüne dem Blattfall gewichen war.
Sturmfeuer fragte nun erschöpft:"Anni! Warum bist du mitgekommen? Der Zweibeinerbau war doch dein Zuhause."
"Er war mein Zuhause, aber jetzt ist er es nicht mehr. Ich bin jetzt frei und möchte mich deinem Clan anschließen. Dann bin ich mehr als nur eine Katze, die nicht mehr tut als zu überleben."

Die goldbraune Kätzin war erstaunt, so abenteuerlustig kannte sie die freundliche Kätzin gar nicht. Aber wenn sie so darüber nachdachte... Es wäre schön, wenn sie auch eine Clan-Katze wäre.

"Also gut. Weißt du, wohin wir müssen?"

"Nein. Ich habe absolut keine Ahnung. Du bist doch die Kriegerin, nicht ich!"

"Ich bin mir sicher, der SternenClan wird unsere Pfoten leiten. Ich weiß nicht, wie der Clan es findet, wenn ein Hauskätzchen mitkommt. Vielleicht sollten wir so tun, als wärst du eine Einzelläuferin..." Sie konnte nicht zuende sprechen, denn Anni unterbrach sie:

"Nein. Meinetwegen können mich deine Clan-Gefährten verbannen, aber ich werde zu dem stehen, was ich bin."

Sturmfeuer war beeindruckt vom Mut der Kätzin. "Wie du meinst. Erst einmal sollten wir uns aber einen Platz für die Nacht suchen."

Etwa in der Mitte der Wiese stand eine riesige Weide mit leise im Wind raschelnden, schon etwas verfärbten Blättern, zwischen deren Wurzeln die Beiden Schutz suchten. Nebeneinander rollten sie sich zusammen, Sturmfeuer leckte noch kurz ihr schon fast verheiltes Vorderbein, bevor sie einschlief.

***

Sie öffnete die Augen und fand sich auf einer mond- und sternenbeschienenen Lichtung wieder. In der Mitte ragte ein gewaltiger Felsen über ihr auf, ähnlich wie beim Mondfall, doch aus diesem  speiste sich kein kristallklarer Wasserfall und am Rande der Lichtung standen vier uralte Eichen, sodass sie einen Kreis ergaben.

Wo bin ich?

Hinter dem Felsen trat eine schwarzgold gestreifte Kätzin hervor, Sturmfeuer traf eine Erkenntnis: Sie kannte diese Katze! Sie hatte sie gesehen, als sie das erste Mal beim Mondfall gewesen war. Sie hatte ihr etwas sagen wollen, das wusste Sturmfeuer, aber kein einziger Laut war aus ihrer Kehle gewichen.

Nun sprach die Kätzin mit dem sternenfunkelnden Pelz:"Folge dem Flügelschlag des Falken.
Er wird dich nach Hause bringen."

Kaum hatte sie zuende gesprochen, verblasste ihre Gestalt, wurde wieder zum Stern am Silbervlies, obwohl Sturmfeuer ihr hinterherrief:"Nein! Warte! Was wolltest du mir sagen? Wer bist du?"

Etwas packte, schüttelte sie und sie hörte ihren Namen. Ruckartig wachte sie auf, die Augen in der Dunkelheit weit aufgerissen. Anni hatte sie geweckt. Die kleine Kätzin saß besorgt mit nervös zuckender Schwanzspitze neben ihr, den Schwanz sorgsam um die Pfoten geringelt.

Draußen, außerhalb der schützenden Wurzeln, fielen die fahlen Sonnenstrahlen durch einen schimmernden Schleier aus Morgennebel auf den unebenen, noch vom Tau bedeckten Boden.
Ein Falke schrie laut und durchdringend, irgendwo in Richtung Sonnenaufgang, und als Sturmfeuer zögernd aus dem Schatten des Baumes heraustrat, sah sie ihn mit den Flügeln schlagen.

Ein Falke! Natürlich. Wir müssen ihm folgen.
"Anni! Komm schnell, ich weiß jetzt, wo wir langmüssen."

"Wie hast du das jetzt herausgefunden, haben deine Sternenkatzen dir ein magisches Zeichen geschickt?", fragte diese neckend, folgte ihr aber ohne Diskussionen.

"So in der Art."

Und so trabten die Kätzinnen dem Falken hinterher, der seltsamerweise nie ganz außer Sicht flog. Über kahle Hügel und durch dichte Wälder, immer das Ziel, der Clan, vor Augen.

Unterwegs erbeuteten sie die ein oder andere Maus, etwas, das sie beide noch üben mussten, üblicherweise ernährte sich der SturmClan ja von Kaninchen.

So zogen sie einen halben Mond umher, bis sie ein sumpfiges Gebiet erreichten und leichten Katzengeruch wahrnahmen, der immer stärker wurde. Langsam fand Sturmfeuer das alarmierend, zurecht, denn nun trabte eine Katzengruppe auf die beiden zu, bevor diese sich verstecken konnten.

An der Spitze lief ein braun gefleckter Kater mit grünbraunen Augen, flankiert von einem sanfarbenen Kater und einer hübschen hellbraunen Kätzin. Für einen Moment dachte sie, den Geruch zu kennen, doch sie war zu nervös, um richtig nachzudenken.

"Lauf!", rief sie ihrer Freundin noch zu, dann preschte sie selbst los, Anni dicht auf den Pfoten, durch schmale Pfade im Schilf.

Sie mochten schnell sein, aber ihre Verfolger waren hier zuhause. Durch irgendeine Abkürzung konnte ihr die hellbraune den Weg abschneiden, und als sie panisch zurückblickte, erkannte sie einen braunen Kater.

Sie waren umzingelt.

Warrior Cats -  Sturmfeuers RufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt