17. Kapitel (Sturmfeuer)

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"Jetzt weißt du es also. Ich habe deine Mutter gerettet und wurde dafür verbannt!",
grollte Finsternis mit unverhohlenem Hass in der Stimme.

Sturmfeuer war wie betäubt. Warum hatte niemand ihr das gesagt? Andererseits... Er hat einen Clan-Gefährten getötet.

Was hätte ich getan? Ich könnte niemanden sterben lassen, aber auch niemanden töten.

Seit Finsternis' Beichte war sie hin- und hergerissen zwischen der Treue zu ihren Clan-Gefährten und dem Mitleid zu ihrem Vater.
Unsinn! Damals hat der Anführer entschieden, und der ist schon längst tot!
Mein Clan kann nichts dafür.

Ihr Entschluss stand fest. Sie würde fliehen, doch diesmal würden Fluss und Narbe mitkommen, wenn sie wollten. Sie wandte sich von ihrem Vater ab und trottete aus den Schatten heraus, bis ihr Narbes Geruch in die Nase stieg. Tatsächlich, der alte Kater kauerte ganz in ihrer Nähe.

Er sah schrecklich aus. Sein vernarbtes Fell war struppig und verfilzt und stank nach Krähenfraß, seine Augen blickten stumpf und glanzlos ins Leere, aber vorallem war er fürchterlich abgemagert, seine Haut schien sich lediglich über ein loses Gerüst aus Knochen zu spannen.

Erneut packten Sturmfeuer die Schuldgefühle mit eisigen Klauen. Ich hätte für ihn da sein sollen!

"Narbe?"

"Sturm. Ich hätte nicht gedacht, dass du wiederkommst."

Sturmfeuer senkte die Stimme, als sie miaute:"Bin ich auch nicht. Ich bin eine Gefangene, aber ich werde fliehen und zurückkehren. Aber diesmal lasse ich dich nicht zurück!"

"Sturm, nein, Sturmfeuer, wenn du hier lebend herauskommst, dann ohne mich. Ich bremse dich nur aus und würde bei dem Versuch zu fliehen wahrscheinlich so oder so sterben.

Du dagegen hast noch fast dein ganzes Leben vor dir, du hast die Chance, Finsternis zu besiegen und uns zu befreien. Wenn dein Vater nicht mehr Anführer ist, dann schließe ich mich vielleicht dem Clan an."

Enttäuscht tappte Sturmfeuer davon, wollte, wie in der Zeit, als sie noch eine Streunerin gewesen war, aus der Gasse hinausschleichen und vielleicht eine Ratte fangen, doch Riss und Flamme stellten sich ihr prompt in den Weg.

"Wo willst du hin?"

Stimmt. Ich bin keine von ihnen mehr,ich bin eine Gefangene.

"Ich suche Fluss", schwindelte sie.

"Er jagt gerade. Bestimmt ist er bald wieder da."

Sturmfeuer seufzte, drehte sich um und tappte zurück in die Schatten, leckte sich vorsichtig die Kratzer von ihrer Gefangennahme und blickte zum Eingang, wo nun eine Katze auftauchte, ein silbern getigerter Kater.

"Fluss!"

"Sturmfeuer. Hallo."

Sturmfeuer war überrascht, dass er sie mit ihrem Kriegernamen ansprach.
Er trat näher, und sie miaute:"Wie geht es dir? Was ist so passiert, seit ich nicht mehr da war?"

"Nichts großes. Finsternis hat uns endlich seine ganze Geschichte erzählt, und warum er verbannt wurde. Das hat mich nachdenklich gemacht. Ich dachte auch immer, die Clans wären ehrenhaft, aber nachdem ich erfahren habe, dass sie Katzen verbannen, nur weil diese lieben wollen..."

"Das hat nur der damalige Anführer entschieden, nicht der ganze Clan, ausserdem hat Finsternis einen Clan-Gefährten getötet...", verteidigte sie ihren Clan, doch Fluss fiel ihr ins Wort.

Er hat was getan? Davon hat er uns nichts erzählt!"

Er hat ihnen das absichtlich nicht erzählt, damit sie dachten, er wäre unschuldig!
"Ja, er hat einen Clan-Gefährten getötet, als dieser Reh angegriffen hat."

Fluss schien völlig überrumpelt. Sturmfeuer miaute leise:"Also,kommen wir zum Punkt!
Ich muss von hier fliehen, mit dir und Narbe, aber er will nicht mitkommen!"

"Wenn Narbe etwas nicht will,hast du keine Chance. Er ist die sturste Katze, die ich kenne.
Ich werde mit dir kommen, aber nur, wenn wir mit deinem Clan dafür sorgen, dass er gefahrlos kommen kann."

"Das werden wir. Also, hast du eine Idee?"

***

Die Nacht brach herein, und wie abgesprochen stürmte Fluss in die Gasse und heulte:"Hunde! Wir werden angegriffen!"

Sofort brach Chaos aus, die Streuner rannten panisch durcheinander und Sturmfeuer flitzte unbemerkt zwischen den Katzen hindurch. Mit dem silbernen Kater an der Seite raste sie in Richtung Donnerweg, in Richtung... Zuhause!

Die Aussicht, zu ihrem Clan zurückzukehren, trieb sie noch weiter an, besonders, als hinter ihr Schlange jaulte:"Da sind keine Hunde! Die Gefangene entkommt! Hinterher!"

Die anderen Streuner sträubten ihre struppigen Pelze, fauchten und preschten ihnen hinterher.

Da. Da kam der Donnerweg in Sicht. Das erste Mal, dass sie sich über den Anblick des kahlen schwarzen Steins und des Gestanks der Monster freute.

Instinktiv wollte sie ihr Ohr an den Boden pressen, um herauszufinden, ob gleich ein gewaltiges Monster mit leuchtenden Augen und tödlichen runden Pfoten heranraste, doch sie hatte keine Zeit dafür.

Ich werde verfolgt!

Also raste sie, flink wie ein Wiesel, auf den Donnerweg hinaus, doch da fiel ihr sengend heiß ein, dass Fluss ja auch noch zu fliehen versuchte.

Sie drehte sich um-
Und sah, wie ihr Freund von einem silberweißem Kater umgeworfen wurde. Sie brauchte einige Herzschläge, um zu begreifen, wer das war. Eisklang!

Plötzlich stieg eine ungeahnte Wut in ihr auf, Wut auf Eisklang und auf sich selbst, weil sie nicht früher erkannt hatte, wer er wirklich war.

Sie stürzte sich voller Wucht auf ihn, stieß ihn von Fluss herunter. Nur eine Baumlänge hinter ihm tauchten schon die anderen Katzen auf, jetzt mussten sie fliehen!

Blind preschte sie erneut auf den Donnerweg, diesmal mit Fluss neben sich. Ihre Muskeln streckte sich bei ihren gewaltigen Sprüngen, sie hörte ihr Herz im Gleichtakt mit ihren Pfoten schlagen.

Es fühlte sich so schön an, frei zu sein- ein etwas seltsamer Gedanke auf einem Donnerweg und auf der Flucht.

Leider bekam sie nur am Rande ihrer Wahrnehmung mit, dass Fluss ihr ein "Achtung!" Zurief. Doch Sturmfeuer konnte nicht stoppen, und als sie aus ihrer Trance erwachte, sah sie links von sich die leuchtenden Augen eines Monsters.

Beängstigend nah schien es schon, im letzten Moment wollte sie sich noch mit einem Hechtsprung in Sicherheit bringen, doch es war zu spät.

Das Monster prallte mit unbeschreibliche Heftigkeit in ihren Körper, schleuderte ihn in die Luft- und sie blieb reglos am Rand des Donnerweges liegen, umgeben von Dunkelheit.

Warrior Cats -  Sturmfeuers RufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt