Beginn Kapitel 2 - Der Fährmann

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Als ich zu mir kam war das Erste was ich wahrnahm ein muffiger Gestank und der metallene Geschmack in meinem Mund. Ich versuchte mich an das, was geschehen war, zu erinnern, aber mein Schädel brummte und erschwerte mir das Denken erheblich. Ich wollte mich aufsetzen, aber etwas hinderte mich daran.

War ich etwa gefesselt?

Und mit diesem Gedanken kehrte plötzlich meine Erinnerung wieder zurück: das ungute Gefühl von Angst, der Mann in unserer Wohnung, die Hand über meinem Gesicht. Ich wurde entführt!

Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag und ich brauchte eine Weile, um meine Gedanken wieder zu sammeln und meinen Herzschlag zu beruhigen.

Ich konzentrierte mich und überlegte, ob es für all die Ereignisse vielleicht eine einfache und logische Erklärung gab, worüber ich heute Abend eventuell sogar lachen könnte.

Meiner Sache nicht ganz sicher, öffnete ich die Augen vorsichtshalber nur einen Spalt weit und versuchte durch meine Wimpern hindurch etwas von meiner Umgebung zu erspähen.

Es war düster und nur ein schwaches, flackerndes Licht erhellte meine nähere Umgebung. Ich fühlte, wie mich wieder langsam die Furcht beschlich, aber diesmal kämpfte ich erfolgreich dagegen an. Ich konnte mir nicht noch einmal erlauben, dass Panik meinen Geist vernebelte.

Der Boden unter mir war hart und ich merkte an den Schmerzen in meinem Rücken, dass ich schon eine ganze Weile hier gelegen haben musste. Ein Blick an mir hinab überzeugte mich von einem weiteren Verdacht. Meine Hände waren gefesselt und das dicke, schmutzige Seil war noch einmal um meinen Körper gebunden, sodass ich meine Hände nicht ausstrecken konnte. Ich versuchte mich leise zur Seite zu rollen, um meinen armen Rücken zu entlasten, als ich plötzliche merkte, dass ich nicht alleine war. Eine Gestalt in einem grauen Umhang stand mit dem Rücken zu mir und hielt einen langen Stab in der Hand, den er mit gleichmäßigen Bewegungen anhob und wieder senkte. Er schien nicht der Mann aus meiner Wohnung zu sein. Sein Körperbau war von schmaler Statur, während die meines Angreifers eher die eines muskelbepackten Zwerges gewesen war.

Ich hielt kurz den Atem an, aber die Gestalt schien meine Bewegung nicht bemerkt zu haben. In meiner seitlichen Position konnte ich nun mehr von meiner Umgebung ausmachen und plötzlich wusste ich, wo ich war.

Ich war auf einem Boot! Die schmächtige Gestalt stand vorne an der hölzernen Reling und steuerte das Boot. Jetzt erst bemerkte ich das leise Plätschern des Wassers, als es vom Bug zur Seite gedrängt wurde. Der muffige Gestank, der mir bereits zu Anfang aufgefallen war, kam von dem fauligen Wasser, das überall in den alten Holzbrettern des Bootes zu stehen schien. Ich kannte diesen Geruch nur zu gut von unseren Zimmerpflanzen, die von meinem Vater in guter Absicht immer maßlos übergossen wurden.

Dennoch lag noch etwas Anderes in der Luft, was ich nicht zuordnen konnte.

Und was hatte ich eigentlich im Mund?

Der metallene Geschmack war immer stärker geworden. Ich hatte es anfänglich auf die Wirkung des Chloroforms zurückgeführt, aber jetzt konnte ich einen kleinen runden Gegenstand unter meiner Zunge spüren. Langsam, um keine unnötigen Geräusche zu produzieren, drehte ich meinen Kopf und ließ den Gegenstand leise aus meinem Mund auf die Bootsbretter gleiten. Es war eine kleine Münze aus Bronze mit der Prägung eines männlichen Porträts. Irgendetwas längst Vergessenes regte sich in meinem Kopf. An irgendetwas erinnerte mich die ganze Szenerie, aber als ich den Gedanken greifen wollte, war er auch schon wieder vergessen.

Zögernd sah ich mich weiter um. Dem flackernden Licht nach zu urteilen musste irgendwo hinter mir eine Laterne angebracht sein. Das Heck des Bootes konnte ich aber aufgrund meiner eingeschränkten Lage nicht einsehen.

Offenbarung - Der teuflische PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt