Beginn Kapitel 4 - Die Flucht / Das Versteck

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Die Flucht

Die Wärme des Steins war nun ganz nah zu spüren. Sein weißliches Glühen schien richtiggehend zu pulsieren, als wäre er lebendig. Wie schon zuvor empfand ich auch diesmal das Bedürfnis, diesen Kristall anzufassen. Es war, als ob er mich förmlich dazu einladen würde. Ein Gefühl des Friedens und der Zuversicht machte sich in mir breit. Ob dies der Stein der Weisen war? Der Stein, wonach Generationen von Menschen so verzweifelt gesucht hatten? Ich bewunderte seine raue Schönheit und langsam streckte ich meine Hand danach aus. Ich war meinem Ziel so unglaublich nah, dennoch zögerte ich. Was würde wohl geschehen? War ich dann endlich am Ende meiner Reise? Einer Reise mit unbekanntem Ziel. Irgendetwas hielt mich zurück, den letzten entscheidenden Schritt zu tun. Langsam ließ ich meine Hand wieder sinken. Der Kristall schimmerte einladend und ich konnte kaum meinen Blick von ihm wenden, so sehr war ich in seinem Bann. Das wohlige Gefühl in mir wurde immer stärker, bis mich schließlich ein Gefühl der absoluten Lebensfreude durchströmte. Im Glückstaumel streckte ich wieder meine Hand aus. Diesmal war es soweit, ich wollte dieses Wunderwerk berühren. Ich wollte ihn besitzen. Er sollte meins sein. Ich machte einen weiteren Schritt auf den verheißungsvoll glühenden Kristall zu, als mich etwas weckte.

Erschrocken fuhr ich aus meinem Traum hoch und blickte mich um. Ich fand mich auf dem Ledersessel vor dem großen Bücherregal wieder. Ich war über einem Buch in einer sehr unangenehmen Haltung eingenickt, was sich jetzt mit enormen Rückenschmerzen rächte. Ich streckte mich und sah mich vorsichtig im Zimmer um, aber nichts rührte sich. Selbst in meinem Kopf war es ungewöhnlich still. Ich seufzte. Es war also wieder nur ein Traum gewesen. Was hatte es nur mit diesem merkwürdigen Kristall auf sich, von dem ich hier unten ständig träumte? Gedankenverloren versuchte ich meine abstehenden Haare zu einem Zopf zu formen, als mich ein Geräusch aufhorchen ließ. Es hatte wie ein kurzes Stöhnen geklungen. Ich fuhr in die Höhe und lauschte alarmiert. Mit einem Schlag war ich hellwach.

Da war es wieder! Diesmal gefolgt von einem dumpfen Krachen, als ob etwas Schweres zu Boden fiel. Erschrocken fuhr ich hoch.

Die Tür! Alarmiert drehte ich mich um, als ich ein leichtes Kratzen an der Tür hörte, gefolgt von dem knarrenden Geräusch der Türangeln. Jemand verschaffte sich gewaltsam Zutritt zu meinem Zimmer! Die Tür öffnete sich unbarmherzig weiter und hektisch sah ich mich im dunklen Zimmer nach einer Versteckmöglichkeit um, aber es gab keine. Der riesige Kasten lag bereits im Sichtbereich der Tür und um unter das Bett zu kriechen, fehlte mir die Zeit.

Ich saß in der Falle!

Das Knarren der Scharniere war deutlich zu hören, als die schwere Holztüre weiter aufschwang. Verzweifelt sah ich mich nach etwas um, das ich als Waffe verwenden konnte, während im Türrahmen eine schmale, schwarz gewandete Gestalt erschien. Im Gang konnte ich die zwei riesigen Wächter regungslos am Boden liegen sehen und ich hoffte inständig, dass sie nur bewusstlos waren. Ihr Anblick bestätigte mich in der Annahme, dass dies kein Freundschaftsbesuch war. Die schwarze Gestalt näherte sich mir langsam und die Angst kroch unweigerlich in mir hoch. Gehetzt schweifte mein Blick umher und blieb schließlich an den hölzernen Stühlen hängen. Der Eindringling war mir bereits unangenehm nahe, als ich mich schnell duckte und zu dem kleinen Tisch eilte. Mit aller Kraft konnte ich einen der schweren Stühle anheben und wie ein Schild vor meinem Körper halten, wobei die Stuhlbeine in Richtung des Fremden zeigten. Mir war bewusst, dass dies ein kläglicher Versuch war, mich selbst zu verteidigen und in Wahrheit ungemein lächerlich wirken musste. Lange würde ich das Gewicht des Stuhls wahrscheinlich sowieso nicht halten können. Ich versuchte die Panik zu unterdrücken, die sich meiner langsam bemächtigte. Unbeeindruckt trat die Gestalt wieder einen Schritt auf mich zu, um schließlich knapp vor meinem kümmerlichen Schutzschild stehen zu bleiben. Aus den Augenwinkeln sah in eine weitere Person den Raum betreten und die erneut aufflackernde Panik schnürte mir unweigerlich die Kehle zu. Es war aus! Wer auch immer sie waren, sie kamen wegen mir. Ich würde mich wahrscheinlich nicht einmal gegen einen wehren können, geschweige denn gegen zwei Gegner.

Offenbarung - Der teuflische PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt