2.6 Wenn der Vorhang fällt

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„Sonst kommt er ja nicht zur Pause,", sagte Bianca plötzlich an sie gewandt und Guianna war sich nicht sicher, ob sie die Frage gestellt hatte oder die andere von sich aus davon begonnen hatte. „aber manchmal wenn er bei uns in einem der Labore ist, kommt er mit. Hin und wieder."

„Ja", stimmte Janis zu und wandte sich an Charline. „Er war doch heute bei euch im Labor, oder?" Charline nickte und dann ging es wieder um andere Themen.

Kaum ein Atemzug später war die Pause um. Sie standen auf und begannen die Tassen zusammen zustellen und abzuräumen. Ein Handy blieb auf dem Tisch liegen.

„Wem ist das?", fragte Marco, der ebenfalls an ihrem Tisch sass und fuchtelte damit in der Luft herum. Während die anderen zu verneinen begannen, hörte sich Guianna sagen. „Das ist das vom Chef." Und als sich alle Blicke auf sie bündelten, schob sie rasch nach: „Glaub ich."

„Ja.", stimmte nun auch Bianca zu. „Das ist seins." Und indem sie sich direkt an Guianna wandte, meinte sie: „Kannst du's nicht gleich mitnehmen und ihm geben." Natürlich konnte sie das. Sie konnte nichts anderes behaupten. Wohl oder übel musste sie es also entgegennehmen.

Sie verabschiedete sich rasch und eilte davon. Es war sicher einfacher, es ihm noch zu geben, wenn er unterwegs war. Ihn in einem seiner Räume zu stören, fühlte sich jedesmal wie ein Verbrechen an.

Eigentlich war es dumm zu glauben, sie könne ihn noch zuvor erwischen. Er hatte fünf Minuten Vorsprung. Aber dennoch... Doch sie erreichte die Türe zum Privatbereich ohne ihn entdeckt zu haben. Rasch legte sie ihren Finger auf den Display, öffnete die Tür und..

Da war er! Es schien als sei er eben erst durch dieselbe Türe wie sie in den Durchgangsbereich getreten. Wie konnte es sein? Wie konnte er für denselben Weg fünf Minuten länger haben? Um so viel länger zu haben, musste man schon sehr in Gedanken sein.

Ihr Verstand hatte ihrem hoffenden Herzen zu erklären versucht, dass es nicht möglich sei, ihn noch zu erwischen. Aber er war hier. Im Durchgangsbereich. Nicht in einem seiner Räume. Noch nicht. „Warten Sie.", stiess sie hervor, glücklicherweise erstaunlich wenig atemlos klingend.

Er wandte sich um. „Herr Kim...", begann sie und blieb vor ihm stehen. -„Kim", unterbrach er sie brüsk. Sie starrte ihn an. Hatte sie jetzt die ganze Zeit den falschen Namen genannt?

Sollte das heissen Jimin sei sein Nachname? Es war aber auch zu dumm, wenn beides nach Vornamen klang und mal das eine, mal das andere vorne stand und... Aber Bianca hatte auch von Frau Kim und Miga von Jimin gesprochen. Also lag sie doch nicht falsch?

Offenbar stand ihr die Verwirrung ins Gesicht geschrieben, denn ihre Gedanken hatten für den gedanklichen Sprint nur eine halbe Sekunde Zeit gehabt, bevor er ungeduldig erklärte: „Sie sind voraussichtlich für ganze sechs Monate fünf Tage die Woche mit mir in Kontakt. Da geht Herr auf die Nerven."

Ok. Guianna nickte. Nur Nachname + Siezen. Wie in der Oberstufe. Jedenfalls ging sie davon aus. Wenn er was anderes wollte, würde er es schon melden. Genervt war er eh immer. Da kam es gar nicht gross drauf an, wenn ihr wieder ein Schnitzer unterlief. Und irgendwie war das ausserordentlich beruhigend.

Vielleicht hatte sich ein Lächeln auf ihr Gesicht geschlichen. Denn war da etwas gewesen? Etwas auf seinem Gesicht? Ein kurzes Zucken? Verwirrung? Nun, mochte er unleserlich sein wie seine Schrift.

Sie nickte nochmals und wagte Versuch zwei, angesichts eines immer ungeduldiger werdenden Chefs. „Kim, Sie haben Ihr Handy vergessen." Sie hielt es ihm hin. Er nickte und nahm es entgegen. Ohne ein weiteres Wort ging er davon.

Ein bisschen verdutzt schaute sie ihm nach. Dann zuckte sie die Schultern und ging in ihr eigenes Zimmer. Sie war ja nicht dazu angestellt, ihren Boss zu verstehen. Sie sollte seine Schrift entziffern - unter anderem.

Ob Miga heute kam um ihr ihre weiteren Aufgaben, ihre eigentlichen Aufgaben zu zuteilen und zu erklären?

Mist! Sie hatte vergessen ihn wegen den unentzifferbaren Wörtern zu fragen. Nun, vielleicht traf sie ihn nochmals im Durchgangsbereich an. Sie hatte ja noch anderes zu tun bis dann.

Des Genies SekretärinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt