2.9 Wenn der Vorhang fällt

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Sie war gestresst. Und entnervt. Das Unter-dem-Meer-Summen war ihr endgültig vergangen. 

Es war viertel nach Eins und der Computer hatte die letzen zwei Dokumente wegen einer erzwungenen Softwareaktualisierung nicht richtig abgespeichert. Somit musste sie das Korrektur lesen von ungefähr zwei Stunden nochmals wiederholen und das obwohl sie zeitlich eh schon hinterher war. Schliesslich musste sie den letzten Bericht noch zu Ende entziffern. Maya bestand (per Nachricht) penetrant darauf, dass sie zur Mittagspause kommen solle - ihr Handyakku war genau in dem Augenblick leer, indem sie hatte antworten wollen - und der Boss schien sich beim letzten Bericht noch mehr Mühe gegeben zu haben, unleserlich zu schreiben. 

Und darüberhinaus hatte sie es geschafft, sich mit dem Bürostuhl in den eigenen Fuss zu fahren. Nur den Kopf hatte sie noch nicht angeschlagen. Innerlich wartete sie regelrecht darauf. Stattdessen kippte ihre Wasserflasche um, die genau dieses eine Mal nicht richtig zu geschraubt war. In letzter Sekunde konnte sie noch die Tastatur retten und während sie mit der anderen Hand die Flasche wieder aufstellte und begann den See grob mit dem Ärmel aufzuwischen. Sie war so entnervt, dass sie kurz davor war vor Wut und Zeitdruck zu weinen. Und wer erschien genau jetzt unerwünschterweise im Türrahmen? 

Natürlich der Boss. „Ich brauche möglichst bald die abgetippten Berichte.", verlangte er. Sie warf ihm nur einen kurzen Blick zu, doch er schien sich davon nicht abschrecken zu lassen. „Die ersten beiden sind fertig abgetippt.", sagte sie mit der am wenigsten gestressten Stimme, die ihr gerade möglich war. Doch sie war kühl, hart. „Wenn das Korrektur lesen der Dokumente noch ein bisschen warten kann, dann kann ich den gestrigen vielleicht bis heute Abend erledigen." 

„Hast du nicht gestern gesagt, du seist fast fertig mit Korrektur lesen?"                                               „Die Dokumente speicherten sich nicht im neusten Stand.", erklärte sie knapp und schloss die offene Seitenschublade des Schreibtisches einen Schuss kräftiger als nötig, einfach nur um etwas zu tun, etwas möglichst Gewaltminimes. „Und die handschriftlichen Berichte lassen sich so gut lesen wie Hieroglyphen. Und zwar vor der Entdeckung des Rosetta Steins.", ergänzte sie ohne ihn anzusehen und zog die Tatstatur zurück auf die inzwischen mit dem anderem Ärmel endgültig trockengewischte Fläche. 

Noch als das letze Wort ihren Mund verliess, wurde ihr eiskalt. So hatte sie noch nie mit jemanden auswärts gesprochen. Und niemals mit einem oder einer Vorgesetzten. Diese spöttische Bemerkung am Ende. Warum war gerade dieses eine Mal ihr Mund schneller als ihre Zurückhaltung gewesen?

Ihr Blick glitt zu ihm. Sein Gesichtsausdruck sagte nichts. Absolut nichts. Er nickte. -„Gut." Dann drehte er sich um und ging. Gut? Eine Weile lang sass sie einfach nur erstarrt da und blickte auf die Leere zwischen den Seiten des Türrahmens. Gut. Sollte sie in Tränen ausbrechen?

Des Genies SekretärinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt