17:45.
Sie stiess diese K-Drama typische Zischen aus - es hatte dort eine ähnliche Funktion wie „Shit" - und sprang vom Stuhl auf. Nur noch 15 Minuten bis die Sitzung anfing! - und sie wusste nicht mal wo sie hinmusste. Hoffentlich war der Chef noch da. Hastig griff sie nach der Stofftasche, die für solche Notfälle an der Stuhllehne hing und packte das Notebook, den Notizblock, das Klemmbrett und eine Handvoll Stifte ein.
Sie wühlte ihren Schminkspiegel aus der Handtasche und warf einen raschen, prüfenden Blick rein. Gut. Keine verschmierten Maskarareste oder sonst was. Sie warf den Schminkspiegel zurück in ihre Handtasche, zog den Blaser an, den Charline ihr grosszügig ausgeliehen hatte und atmete noch einmal tief durch. Los gehts.
Sie setze sich in Bewegung, wirbelte aber nochmals herum und stopfte noch das Ladekabel in die Tasche. Sicher war sicher, auch wenn sie das Notebook bewusst nochmals komplett geladen hatte. Sie eilte in den Durchgangsbereich, während sie einen erschrockenen Blick auf ihre Armbanduhr warf.
Schon zehn vor. Wenn sie nur wüsste, wo die Sitzung stattfand. Der Boss war bestimmt schon da. Sie sollte ihn anrufen. Aber wo hatte sie ihr Handy und... Mit einem Ruck blieb sie stehen. Er stand im Durchgangsbereich und sah ihr wartend entgegen, während er sein Handy in die hintere Hosentasche schob.
Sie wollte gerade eine Entschuldigung stammeln - denn offensichtlich hatte er auf sie gewartet - aber er schien nicht genervt. Oh. „Ready?", fragte er und sah sie abwartend an. ,Nein!', sagte ihr Verstand mit einer Nuance Panik. Sie nickte stumm. Er nickte zur schweren Tür und sie setzte sich rasch in Bewegung. Er folgte ihr.
„Wohin?", schaffte sie es endlich etwas zu sagen und blieb ausserhalb der Privatsektion stehen. „Dritter Stock", sagte er ebenso knapp, aber er schien entspannter als sie sich fühlte. Natürlich. Er hatte das jede Woche. Sie ging neben ihm her durch den Gang. Nach ein paar Schritten schon blieb er beim Lift stehen.
Sie seufzte innerlich. Sie wäre lieber die Treppen hochgegangen. Mit einem hellen Pling öffnete sich die Lifttüre. Er lies sie vor und sie trat hastig ein und drückte sobald er drinnen war auf die Drei. Die Türen schlossen sich und der Lift setzte sich langsam in Bewegung. Das leise Sirren des Liftmotors war das einzige Geräusch in dem kleinen Raum. Wenigstens hörte man so nicht den Atem. Sie linste zu ihm. Sollte sie etwas sagen? Sie starrte auf ihre Hände.
Akward.
Im Treppenhaus könnte sie wenigstens gehen und musste nicht tatenlos rumstehen.
Auf einmal ärgerte sie sich innerlich über sich selbst. Was sollte das? War ja nicht so, dass sie 90% ihrer Zeit mit ihm alleine war. Sie atmete ein und strafte die Schultern. Und die Sitzung würde sie auch schaffen. Schliesslich war er dabei - und sie schreib ja nur das Protokoll.
Schon machte der Lift wieder Pling und die Türen öffneten sich. ,War vielleicht doch besser als Treppen gehen', dachte sie und trat in den Gang. Ausserdem wechselte ihr Ich im Lift auf "geschäftlich''. Sie wartete, bis er neben sie trat und gemeinsam gingen sie links den Gang hinunter. Hinter ihnen schlossen sich die Lifttüren und der Lift verschwand rauschend in der Tiefe.
Hier war sie schon mal gewesen. An ihrem allerersten Tag hier. Irgendwo da weiter vorne musste sein Büro sein. Sein imposantes Büro. Sie warf ihm einen Seitenblick zu. Sein Büro, in dem er eigentlich nie war. In dem Moment fing er ihren Seitenblick auf, aber er sagte nichts dazu.
Sie bogen in einen kleinen Seitengang ein und blieben schon nach wenigen Schritten vor einer mit Milchglas verglasten Türe stehen. Nervosität kribbelte ihr von den Schuhsohlen bis hoch in den Kopf. Ihr Blick flog zu seiner Armbanduhr. Fünf vor fünf. Ihr Blick glitt weiter über ihn. Für einen kleinen Augenblick war er reglos stehen geblieben als sammle er sich oder straffe innerlich die Schultern.