1.2: Nur vorübergehend!

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Wieder im Gang suchte sie einen Schalter um fie Türe wieder zu schliessen, aber als sie den einzigen vorhanden drückte, ging nur das Licht im Flur aus. Rasch machte sie es wieder an. Schliesslich ging sie einen Schritt von der Türe weg und diese schloss sich von selbst.

Geisterhaft. Sie lächelte amüsiert. Alles passte zusammen. Sie blieb stehen und ihr Lächeln verblasste, während sie wartete.

Er hatte ihr überhaupt nicht gesagt, was er von ihr erwartete. Nicht für heute. Nicht für die nächsten Wochen. Eigentlich wusste sie gar nicht wirklich, als was und wofür sie denn nun angestellt war. Aber er hatte sie angestellt. Er. Etwas an ihm kam ihr seltsam vertraut vor. Was nur? Woher? Es machte ihn noch fremder.

Dann ein Geräusch. Vielleicht das Öffnen und Schliessen einer Tür. Dann das Klackern von Absatzschuhen. Steinernes Hallen. Eine Frau- Anfang dreissig- tauchte auf. Knapp kinnlange braune Haare. Weisse Bluse. Ihr Lächeln war eine Wohltat nach der Mimik, oder vielleicht eher der nicht vorhandenen Mimik, ihres neuen Chefs.

Gegenseitiges Lächeln und Vorstellen, Händeschütteln und dann gingen sie zu zweit wieder durch die Gänge. Nicht allzu weit. Dann blieb Bianca - sie hatte sich gleich mit Vornamen vorgestellt- vor einer Tür stehen.

Doch statt einen Zahlencode einzugeben oder ihren Finger auf den Screen zu halten, zog sie ihr Handy hervor und schrieb eine kurze Nachricht. -„Sind vor der Tür." Zu Giuanna, deren neugierigen Blick sie aufgefangen hatte, meinte sie: -„Die Codes zu seinen eigenen Büros gibt er uns nicht. Auch Fingerprint und Butch gehen nicht. Ich hab ihm geschrieben. Er wird uns gleich Zutritt geben."

Im selben Moment hörte man ein leises Summen. Bianca drückte die Türfalle hinunter und die Tür liess sich öffnen. -„Voilà", verkündete sie und hielt Giuanna die Türe auf.

„Ich wundere mich ehrlich gesagt, dass er dir das Büro seiner Schwester gibt.", fuhr Bianca fort als sie Guianna folgte. „Schliesslich ist das sozusagen in seiner privaten Sektion. Aber vielleicht lässt er dir für nächste Woche ein Zimmer ausserhalb einrichten. Wie auch immer..."

Sie liess die Türe los und trat an Guianna vorbei. „Komm.", forderte sie sie auf und marschierte voraus.

Guianna folgte ihr, doch als sie hörte wie die Tür hinter ihr zu fiel und das Schloss einrastete, schluckte sie schwer. Irgendwie fühlte sie sich eingesperrt.

Aber das Gefühl verschwand rasch. Der Eingangsbereich, den sie gerade durchschritten, war geräumig und in hellen Farben - vor allem cremeweiss - gestaltet. Indirekte Beleuchtung erfüllte ihn und ein paar geschickt platzierte Spiegel sorgten für zusätzliche Weite. Er war lichter, trotz fehlender Fenster. Irgendwie geliebter - auch wenn das seltsam klang.

Sie folgte Bianca quer durch den Raum, während links und rechts Türen vorbei zogen. Die meisten gaben keinen Blick frei auf das Zimmer dahinter, doch eine war aus Glas, hinter dem man schemenhaft einen Tisch erkennen konnte und eine andere Türe stand offen und im vorbei eilen entdeckte sie eine Reihe schwarzer Bildschirme.

Bianca ging zielstrebig auf die hinterste Tür zu, die Tür genau gegenüber der Eingangstüre. Kein Codeschloss. Keine Fläche für Fingerprint. Nicht mal ein Schlüssel steckte.

Guianna war überrascht. Selbst Bianca, die sich hier auskannte, stockte kurz, weil sie so gewohnt war, ständig irgendwelche Schlösser zu öffnen. Dann lachte sie und murmelte: „Hab ich ganz vergessen" und stiess die Tür auf. Sie drückte auf den Lichtschalter und hell goldgelbes Licht flammte von überall auf.

In mitten des Raums, leicht neben die Mitte des Raumes nach rechts versetzt, stand ein geräumiger Schreibtisch. An den mattdunklen Wänden standen Schränke und Regal in einem warmen Braunton. Sie wirkten wie ein einziger Komplex aus vielen einzelnen, aber zusammenpassenden Stücken. Wie eines dieser alten Häuser mit unzähligen Erkern. Auf ein paar frei hängenden Regalbrettern mitten in und zwischen den Schrankteilen standen Töpfe mit Efeu, Bilder und Dekogegenstände. Alle hübsch platziert. Gerade genug um es wohnlich wirken zu lassen.

An der Wand gegenüber der Tür, diesmal gegen links leicht neben die Mitte versetzt, standen zwei Aquarien in dem Schrankkomplex, herausgestrichen und betont mit Licht wie zwei Juwelen.

Fenster hatte der Raum keine, doch drei an den Wänden verteilte Bildschirme hatten sich zusammen mit dem Licht eingeschaltet und zeigten nun bewegte Unterwasserszenarien.

Der dicke, cremeweisse Teppich schluckte jegliches Geräusch als die beiden Frauen zum Schreibtisch gingen. Bianca drückte auf den Startknopf und während sie darauf warteten, dass sich der Computer aufstartete, wandte sie sich wieder an die Neue. -„Hat er gesagt, was du heute erledigen sollst?"

Giuanna schüttelte den Kopf. Bianca verdrehte die Augen und Giuanna glaubte sie ,Typisch' murmeln zu hören. Diese lies den Blick über die Schreibtischplatte gleiten und schob dann ein Klemmbrett zur Seite.

„Hier haben wir es ja.", triumphierte sie als darunter ein Display etwa in der Grösse eines A5 Blattes auftauchte. „Ich hoffe nur...", murmelte sie und tippte zweimal kurz darauf. Sofort flammte der Bildschirm auf und ein Eingabe erschien.

Bianca zückte wieder ihr Handy und begann eine Nachricht zu tippen, doch der Boss kam ihr zuvor. Eine Nachricht mit vier Zahlen tauchte auf dem Handybildschirm auf. Mit flinken Fingern tippte sie den Zahlencode ein und ein Logo pulsierte mehrmals, bevor es verschwand und den Blick auf eine Art Terminkalender freigab.

Bianca wählte das heutige Datum an und sofort ploppte ein Fenster auf, auf dem stand: ,Die Berichte der letzten und der heutigen Woche auf Tipp- und Rechtschreibefehler Korrektur lesen. Befinden sich unter den Dokumenten dieses Jahres in den Ordnern W32 und W33.'

-„Na immerhin." Bianca klang wieder versöhnter. Sie lehnte sich über den Schreibtisch und zog die Tastatur heran. „Er hat mir doch vorhin das Passwort genannt.", murmelte sie und tippte. Aber offenbar war es das Falsche. Sie seufzte und zog ihr Handy hervor. „Na, wenigstens hab ich es mir aufgeschrieben."

Sie tippte wieder auf der Tastatur und diesmal war der Rechner zufrieden und beendete den Aufstart-Vorgang. Bianca riss eine bunten Zettel vom Block und kritzelte eine Zahlen- und Buchstabenkombination darauf.

-„So. Das ist das Passwort und das der Zahlencode.", erklärte sie Guianna und schob ihr den Zettel hin. „Aber du sollst es möglichst bald ändern, meinte er. Also jetzt und danach mindestens jede Woche, eher öfter."

Sie wandte sich wieder dem Bildschirm zu und nach ein paar Klicks hatte sie die entsprechenden Ordner gefunden. „So", verkündete sie. „Ich muss jetzt wieder zurück. Aber ich hab dir unters Passwort noch meine Handynummer geschrieben. Du kannst einfach schreiben oder anrufen, wenn was ist. Also" Sie zog den Bürostuhl vom Tisch weg und drehte ihn einladen zu Guianna. „Viel Glück!"

Des Genies SekretärinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt