Der Plan war mehr als nur aufgegangen.
Heute war ihr erster Tag in ihrer vollen Funktion als Sekretärin und sie hatte nicht gestresst oder aus dem Gleichgewicht gewirkt als sie bei Arbeitsbeginn durch den Durchgangsbereich gegangen war. Mehr noch, vorhin als er eigentlich nur etwas aus einem anderen Raum holen wollte, hatte er sie im Durchgangsbereich getroffen.
Für einen Moment war er fast in den Farben untergegangen. Mit schwungvollen, ja nahezu spielerischen Schritten, war sie aus Migas Büro gekommen und sie hatte ihn offen angestrahlt. „The New Generation hat angerufen um einen endgültigen Termin zu vereinbaren. Das Interview mit Emilia Lukas findet nun am 14 nächsten Monat statt.", hatte sie ihm gesagt und in ihrer Stimme flatterten so viele Farben, dass er einen Moment brauchte um zu realisieren, was sie überhaupt gesagt hatte. Er versuchte noch mit all diesen Farben zurecht zu kommen, als sie auch schon wieder aus dem Raum wirbelte, bevor er überhaupt etwas erwidern konnte.
Es dauerte einen Moment bis sich die atemvolle Faszination gelegt hatte und er wirklich realisierte, was sie gerade gesagt hatte. Das Interview. Er hatte es wieder einmal erfolgreich verdrängen können - Zumindest mehr oder weniger, aber nun nicht mehr. Wieso hatte er dem überhaupt zu gestimmt? Aber Miga hatte ihn breit geschlagen. Wieder einmal. Von wegen sich selbst überwinden und überhaupt sei es gute Werbung und und und. Und nun stand es schon bald vor der Tür.
Er fühlte Grauen in sich aufsteigen. Er versuchte es wieder hinab zu schlucken, aber es wollte nicht recht klappen. Er ging zurück in den Raum, aus dem er zuvor gekommen war ohne zu holen, was er eigentlich hatte holen wollen. So sehr er es auch versuchte, er konnte sich gerade nicht mehr konzentrieren. Kurz kam wieder die Erinnerung an die strahlende Sekretärin. Wenn sie doch nur etwas anders verkündet hätte! Dann könnte er sich ganz dem Genuss ihres Anblickes hingeben. Aber nur schon an sie zu denken, linderte das Grauen. Ja, nur schon an sie zu denken, machte das Grauen kleiner. Sie dabei zu haben, würde es erträglich machen.
Mit einem Ruck setzte er sich aufrechter hin. Warum dachte er im Konjunktiv? Was hatte er schon zu verlieren? Er konnte es zumindest versuchen. Als er die Türe hörte, schoss er vom Stuhl hoch und ging in den Durchgangsbereich. „Haben Sie am 14 einen Termin?", hörte er sich selbst wie aus der Pistole geschossen fragen und war auf einmal innerlich plötzlich sehr nervös. Er nahm ihr zögerliches ,Nein' erleichtert hin und fragte sogleich die entscheidende Frage, ohne selbst wirklich mitzubekommen, wie er es denn konkret formulierte. Gut. Das war ein Nicken. Erleichterung machte sich in ihm breit.
Ohne weiter abzuwarten, machte er eine Rechtsherumwendung und ging zurück in sein Büro. Er setzte sich hin und atmete ein-zwei Mal ein und aus - erst dann wurde ihm bewusst, dass er sie vielleicht - aber nur ein klein wenig - überrumpelt hatte. Jedenfalls schien es ihm nun, dass ihr Gesichtsausdruck am Ende ein wenig irritiert oder zumindest überrascht gewesen war.
Aber sie war seine Sekretärin - Dann war doch Teil ihrer Aufgabe ihn zu begleiten und das würde sie am 14. dann ja auch. Schliesslich war sie seine Sekretärin. Und überhaupt, er brauchte sie - auch ganz objektiv gesehen. Er brauchte beim Gespräch einen Zeugen und jemand, der das Gespräch aufnahm und ein Protokoll schrieb - Damit er Beweismaterial hatte, wenn die Zeitung mal wieder etwas ganz Anderes drucken wollte, als sich abgespielt hatte.
Er fühlte altbekannten Groll aufsteigen, aber schob ihn schnell beiseite. Er war schliesslich nicht der Einzige, der sich der Medien wegen hinter hohen Mauern verschanzte - unter anderem.
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