Er starrte an die Decke, und das obwohl er eigentlich viel zu tun hätte, aber er wollte den Frieden noch ein wenig länger fühlen. Es war schon geraume Zeit her, seit er sich so ruhig gefühlt hatte.
Seine Gedanken wanderten. Er hatte wieder eine neue Sekretärin eingestellt. Die unqualifizierteste bisher.
Ein kleines, amüsiertes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Zumindest in mancherlei Hinsicht war sie unqualifizierter als die vorigen. Aber er hatte sie auch nicht deswegen eingestellt. Auch nicht aufgrund guter Leistungen in den Bereichen Chemie und Biologie. Auch nicht, weil sie besonders geeignet wäre, seine Termine zu organisieren und so weiter. Sie schien keinerlei Erfahrung in den Aufgaben einer Sekretärin zu haben.
Doch als sie das Büro betreten hatte, hatte sich etwas verändert. Er hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte, aber er hatte sie eingestellt und vielleicht erlernte er es mit der Zeit. Sie hatte ihm ihre Unterlagen hin gehalten und er hatte einen Blick darauf geworfen, aber eigentlich waren von dem einen Moment an alle anderen Qualifikationen egal gewesen. Ohne zu zögern war er dem Impuls gefolgt und hatte eine Entscheidung getroffen.
Ganz kurz kamen leise Zweifel. Miga warf ihm jetzt schon vor, dass er in ein paar Monaten mehr Sekretärinnen verbrauchte als andere in einem Leben. Ob er es nicht in ein paar Tagen oder gar Stunden bereute, sie eingestellt zu haben?
Sein Blick schweifte aus der Fensterfront. Plötzlich blieb sein Blick an dem Grünblau in der Ferne hängen. Es war beinahe dieselbe Farbe wie die ihre Augen. Er schüttelte den Kopf. Nein. Er bereute es nicht, sie eingestellt zu haben. Erst als er in ihre Augen gesehen hatte, war ihm bewusst geworden, was er brauchte. Er hatte gesehen, was er die ganze Zeit unbewusst in den Augen und Gesichtszügen anderer gesucht hatte.
Guianna Hunziker.
Er lächelte wieder. Ihr Name war eine lustige Kombination. Während Hunziker vielleicht nicht gerade ein allerwelts, aber ein "allerschweizter" Name war, gehörte ihr Vorname zu den eher selten vergebenen. Er hatte ihn zumindest noch nie zuvor gehört.
Italienisch, hatte er getippt - weil es ähnlich wie die italienische Form von Julia klang - und war damit nicht mal soooo falsch gewesen. Guianna war die räthoromanische Form von Johanna.
Ja, er hatte sie gegoogelt; damals als seine Schwester auf ihn eingeredet hatte, er solle zumindest ein Vorstellunggespräch mit der jungen Frau machen. Allerdings hatte er kaum etwas unter ihrem Namen gefunden. Nicht einmal ein LinkedIn Profil. Nur ein privates Insta - Profil hatte es ihm angezeigt und das konnte auch von irgendjemandem sonst sein. Eigentlich hatte er nur Miga zu liebe zu einem Vorstellungsgespräch eingewilligt - und weil Frau Keller morgens gekündigt hatte.
Und jetzt hatte er sie tatsächlich eingestellt. Rascher und unüberlegter, impulsiver als er je zuvor jemanden eingestellt hatte. Aber da war nichts als Friede in ihm.