3.3 Farben sind Zeit/Stimmungen

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Sie hatte den Überblick verloren. Anfangs hatte sie die Tage gezählt, die sie schon hier war, doch nun fühlte es sich an wie Zuhause. Die Arbeit hatte an Routine gewonnen, ohne langweilig zu werden. Und sie sah ihn jeden Tag. Allein schon darum war es nicht langweilig bei der Arbeit.

 „Also, dann wäre das der Montag 14. November um 10 Uhr." Sie wartet auf die Bestätigung am anderen Ende. Dann fuhr sie fort. „Gut. Vielen Dank. Einen schönen Tag noch. Wiedersehen." Sie legte auf, legte das Handy beiseite und trug den Termin in den Kalender ein. Sie schnappte sich ihr Klemmbrett. Gestern Abend hatte sie sich noch Dinge notiert und musste die ihm jetzt noch sagen, da sie ihn gestern bei Arbeitsende zwar kurz getroffen, aber nicht mehr daran gedacht hatte es ihm zu sagen. 

Sie trat in den Eingangsbereich und verharrte einen Augenblick. Sicherlich war er wieder in seinem üblichen Raum mit dem Pult und den Bildschirmen. Bevor sie sich in Bewegung setzen konnte, trat er aus besagtem Raum. „Kim", begann sie und er hob sofort den Kopf, blieb stehen und sah sie an, während ihr eigener Blick zum Klemmbrett sprang um sicher zu gehen, dass sie nichts vergass. 

„Labor 1 und 7 haben ihre Untersuchungen abgeschlossen.", begann sie „Ich habe Ihnen die vorläufigen Resultate noch gestern Abend weitergeleitet und zugesagt, dass sie heute um zwei Uhr in Labor 1 und Morgen um 5 Uhr abends in Labor 7 vorbei schauen werden." Sie schaute kurz auf umzusehen, ob er damit einverstanden war. Er sagte nichts und seine Mine war wieder unleserlich. Das hiess dann wohl, dass es ok war. Sie sah wieder auf das Klemmbrett. „Ansonsten haben Sie heute keine Termine, aber Sie sagten mir gestern, ich solle Sie daran erinnern, dass sie an Projekt C27 weiterarbeiten wollen. Ausserdem ist eine Beschwerde eingekommen. Ich habe Ihnen die Mail weitergeleitet und einen Antwortvorschlag mitgesendet." 

„Gut" Wieder einmal bekam sie nur eine knappe Antwort, bevor er sich umdrehte und verschwand. Sie starrte ihm nach. Gut? Sie seufzte und ging zurück an den Schreibtisch. Das war wohl sein Lieblingsfüllwort. Oder eher sein Dietrich-Wort. Ein Wort, dass wie ein Dietrich, in jedes Schloss passte, aber für keines optimal geeignet war. Vielleicht sollte sie sich auch ein solches Wort zulegen. Er schien es zumindest äusserst praktisch zu finden. 

,Sicher' wäre eine Option. Ne. Sie schüttelte den Kopf. Zu langweilig. Ihr Blick wanderte zur Decke. ,Selbstmurmelnd' wäre bestimmt lustig. Das kannte er sicherlich nicht. Sie hatte es vor Jahren einmal in einem alten Jungenbuch gelesen und es war irgendwie hängen geblieben. Fraglich war nur, ob es in genügend Situationen anwendenbar war. 

,Eisern' Sie lächelte. Ja. eisern. Das mochte sie. Das hatte so etwas Zuverlässiges, Ehrenhaftes an sich. Das sagten die Jungs in den alten Büchern immer, um zu bekräftigen, dass der andere sich auf sie verlassen konnte. Ihr Lächeln wurde breiter. ,Eisern it is', beschloss sie für sich, richtete sich auf und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Insgeheim freute sie sich schon auf die erste Gelegenheit ihr frisch erkorenes Lieblingsfüllwort zum Einsatz zu bringen. Doch die Zeit floss dahin und es ergab sich keine Gelegenheit. Geduld, mahnte sie sich. 

„Hab dir drei Dokumente per Mail geschickt." Sie hob den Kopf. Der Chef stand im Türrahmen. „Den Vertrag brauch ich in dreifacher Ausführung. Die anderen beiden brauche ich zehnmal. Unten neben dem Raum mit der Kaffeemaschine gibt's einen Drucker. Können Sie das bis Mittag erledigen?" 

„Eisern", erklärte sie seelenruhig und widmete sich wieder dem Klemmbrett, um etwas zu notieren. Sie verkniff sich ein Lächeln. Gerade noch hatte sie es geschafft nicht ,sicher' oder ,selbstverständlich' zu sagen. 

„Was?", kam seine irritierte Gegenfrage. Sie hob den Kopf und zauberte einen verwunderten Ausdruck auf ihr Gesicht. „Hm?", fragte sie zurück und hob in einer unschuldigen Geste die Augenbrauen. Aber sein Gesicht war wieder unleserlich, als er den Kopf schüttelte und wortlos wieder verschwand. Sie konnte das Grinsen nicht mehr zurückhalten. ,Phase 1 geglückt', dachte sie amüsiert. Ohne zu wissen, was den Phase 2 und so weiter umfassen könnte. 

Im nächsten Augenblick stand er schon wieder in ihrem Büro. Sie räusperte sich in der Hoffnung das Grinsen loszuwerden und setzte noch im letzten Moment ihren ernsthaften Gesichtsausdruck auf. -„Ja?" -„Ich brauche den Bericht von Gestern." -„Hab ich ihnen eben geschickt." -„Ah..", machte er und weg war er. Schon war das Grinsen auf ihrem Gesicht zurück. Sie setzte sich wieder an den Schreibtisch. Eisern. Ihr Herz hopste weiter vergnügt umher und ihre ausgelassene Seele knuddelte das Wort wie ein kleines Mädchen ihre Lieblingskatze. Eisern.

Amüsiert über sich selbst schüttelte sie den Kopf. Das man sich über so etwas Kleines so gross freuen konnte. Sie ermahnte sich selbst wieder zur Konzentration und wandte sich dem Bildschirm zu. Sie würde die Mails zu Ende durchgehen und beantworten und dann anschliessend runter gehen um das Gewünschte auszudrucken. Wieder erschien ein Grinsen auf ihrem Gesicht als sie sich an ihr „Eisern" und seine Reaktion darauf erinnerte. Selbst er konnte überrumpelt werden. 

Des Genies SekretärinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt