3.20 Farben sind Stimmungen/Zeit

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Sie hatte ja gesagt. Sie hatte tatsächlich zugestimmt ihn zu verschiedensten öffentlichen Anlässen zu begleiten und nun war sie in unregelmässigen Abständen mit ihm abends unterwegs. Heute war es wieder so weit.

,,Das kriegst du mittlerweile selbst hin", hatte Miga verkündet und sie noch ein letztes Mal prüfend gemustert. Sie waranfangs, besonders natürlich beim ersten Mal, vorbei gekommen und hatte sie geschminkt und frisiert und ihr ein passendes Kleid vorbei gebracht. Das letzte Mal hatte Guianna es selbst versucht und Miga war vorbei gekommen und es begutachtet und Verbesserungen vorgenommen. So auch heute. Offenbar war sie zufrieden oder sie war es einfach müde, ständig abends vorbei zu kommen, wo sie doch mit dem Studium wahrlich genug zu tun hatte.

Nun stand sie alleine im Bad und starrte sich im Spiegel an, der dankbarerweise bis zum Boden reichte. Mit zittrigen Händen strich sie das eh schon glatte Kleid glatt und atmete tief durch. Sie war noch immer ein bisschen nervös. Sie warf sich ein prüfendes Lächeln zu. Ja, sie war ein bisschen nervös. Oder auch ein bisschen mehr.

Sie hatte irgendwann aus Langweile oder Neugierde begonnen auf einer Webseite für Luxusartikel nach den Taschen zu suchen, die ihr Miga ausgeliehen hatte. Ein paar hatte sie auch gefunden und bei Anblick der Preise unweigerlich die Stellen zu zählen begonnen. Erleichtert hatte sie festgestellt, dass da noch ein Komma war - auch wenn Rappenbeträge bei vierstelligen Zahlen irgendwie lächerlich wirkten. Unter den gegoogelten Taschen war auch die gewesen, die sie beim ersten Mal getragen hatte: Chanel Timeless Double Flap Bag small schwarz. Der Name hatte sich ihr eingebrannt. Vielleicht weil der Preis ihr den Atem geraubt hatte. Sie hatte Miga daraufhin gebeten, ob sie ihr nicht die weniger teuren Taschen ausleihen könne, aber die hatte nur abgewinkt und ihre weiteren Einwände ignoriert.

Sie atmete ein letztes Mal durch, warf sich den leichten Mantel über den Arm, nahm die Handtasche und verliess den Raum. Er wartete draussen schon auf sie. Dabei war sie zu früh dran. Er nickte ihr zu und dann gingen sie zum Lift und fuhren in die Tiefgarage runter. Sie sprachen nie viel auf dem Weg zu einem solchen Anlass, aber sie war ruhiger, sobald sie gemeinsam unterwegs waren.

Sie schloss die Augen und rief sich Gwyneth Paltrow als Pepper Potts in Erinnerung - Top Sekretärin des erfolgreichen und genialen Unternehmers Stark. ,Spiel deine Rolle. Es ist ein Theater und du kannst brillieren.', versuchte sie sich selbst zu ermutigen.

Beim zweiten Mal war sie seltsamerweise noch nervöser gewesen als beim ersten Mal. Als sie mit steifen Schritten, die Handtasche krampfhaft umklammernd neben ihm zum Eingang gegangen war, hatte er sich plötzlich zu ihr hinüber gelehnt. ,,Stell dir vor, das alles ist ein Theater und du spielst eine Rolle.", hatte er ihr zugeflüstert. Er hatte ihr einen aufmunternden Blick zugeworfen. Sie musste leichenblass ausgesehen haben. Jedenfalls hatte er ein kleines bisschen besorgt ausgesehen.  ,,Wenn was schief geht, dann war das nur deine Rolle, nicht du.", war er fortgefahren. Sie hatte genickt, durchgeatmet und sich eine Filmszene in Erinnerung gerufen, in der eine Frau mit entschlossenen, festen Schritten durch den Raum ging. Dann hatte sie sich die Tasche umgehängt, die Schultern gestraft und ihren Auftritt begonnen.

Das hatte sie bis jetzt jedes Mal getan und es hatte geholfen. ,,Welche Rolle spielst du?", fragte sie plötzlich als sie in den Tunnel hinein fuhren und Lichtblitze durchs Auto huschten. Er warf ihr einen irritierten Blick zu. Dann schien er zu begreifen. ,,Der Assi-Boss", sagte er langsam und dunkel und in seinen Augen funkelte es amüsiert. Ihr durch die Nervosität eh schon ein bisschen wackliger Herzschlag kam total aus dem Konzept. Ihr Herz spielte gerade übermotiviert Hulla-Hop. Wie sollte es auch nicht, wenn sich doch der goldene Schimmer so schön im Braun seiner Augen fing.

,,Du?", fragte er zurück und riss sie aus ihrer Trance. Sie blinzelte. Oh. Ähm. ,,A1-Sekretärin.", meinte sie und leider klang es nicht frech. Eher scheu. Als sei es ihr ein bisschen peinlich, das zu zugeben. Das war es ja auch. Und ihre Stimme gab wiedermal alles preis.

Des Genies SekretärinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt