1. Kapitel

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Gerade wollte ich mich auf den Weg in die Bibliothek machen, da rief Karinja nach mir. "Gellert!" Ich blieb stehen und drehte mich um. Da eilte sie mir entgegen, mit wehenden, blonden Haaren. "Warte.", keuchte sie und blieb vor mir stehen. "Du verschwindest schon wieder zu Jenneth, dabei hast du mich noch gar nicht begrüßt.", sie riss die Augen auf und sah mich mit großen, braunen Augen an. Innerlich seufzte ich, doch ließ mir äußerlich nichts anmerken. "Entschuldige, Darling.", erwiderte ich sanft, strich ihr über die Wange. Dann legte ich eine Hand in ihren Nacken, zog sie zu mir herauf und küsste sie. "Besser?", fragte ich, nachdem ich mich von ihr gelöst hatte. Sie verzog die Lippen und lehnte den Kopf an meine Brust. "Jaaa.", brummte sie. "Gut. Tut mir leid, Süße", ich schlang die Arme um ihre Taille und schob sie vorsichtig von mir "aber ich muss wirklich los." Karinja zog einen Schmollmund und seufzte. "Naaaa gut.", sagte sie. Blitzschnell zauberte ich ein umwerfendes Lächeln auf mein Gesicht. "Danke, Baby.", murmelte ich in ihr Haar, küsste sie auf den Scheitel und wandte mich um. "Wir sehen uns heute Nachmittag!", rief sie mir nach. "Ja, Süße!", gab ich zur Antwort, ohne stehenzubleiben.

Wenig später bog ich erleichtert in unsere Bibliothek ein. Jenneth saß mit angezogenen Beinen auf der untersten Stufe einer Leiter, seine braunen, glatten, kinnlangen Haare fielen ihm in Strähnen ins Gesicht. "Da bist du ja.", flüsterte er und hob den Kopf, als meine, wie immer völlig in schwarz gekleidete, Gestalt vor ihm stehen blieb. "Ja, bin ich. Kari hat mich noch aufgehalten.", ich zuckte die Schultern und bot ihm die Hand dar. Er ergriff sie und ich zog ihn hoch. "Kari? Warum machst du mit der nicht endlich Schluss? Du kannst ihr Erdbeerparfüm doch eh nicht leiden!", Jenneth schnaubte. "Kann ich auch nicht.", bestätigte ich gelassen und zog ihn an der Hand mit mir. "Und sie ist eine Nervensäge. Aber sie hat das Spiel begonnen und ich werde es nicht verlieren, Jenn.", sagte ich. Vor dem Regal mit den Büchern für schwarze Magie blieben wir stehen. "Du verlierst nie, ich weiß.", Jenneth seufzte. "Korrekt.", ich nickte und ließ meinen Blick über die Bücher wandern. "Trotzdem... Meinst du nicht, es wäre an der Zeit dass-?", er beendete seine Frage nicht, sondern sah mich mit seinen grauen Augen an. "Dass ich ihr sage, dass wir zusammen sind?", vollendete ich seinen Satz, drehte mich um und lehnte mich an das deckenhohe Regal hinter mir. "Ja.", Jenneth senkte den Kopf und drückte sanft meine Finger.
Er war in mich verliebt, genau wie Kari, genau wie unzählige andere.
"Bald.", versprach ich ihm und ließ meine andere Hand von seiner Wange zu seinem Schlüsselbein hinabgleiten. "Gib mir noch ein, zwei Monate. Mehr nicht." "Okay.", murmelte er und hob den Kopf, sein Blick ruhte auf meinen Lippen. Ich grinste und neigte mich zu ihm hinab. "Immer langsam, Jenn.", hauchte ich, umschloss sein Gesicht und küsste ihn. Genauso, wie ich Kari geküsst hatte, genauso, wie ich so viele andere geküsst hatte. "Langsam? Später!", stieß Jenneth hervor und sog den Atem ein, als ich meine eine Hand unter sein Hemd wandern ließ. Genauso, wie ich es bei Kari gemacht hatte, genauso, wie ich es bei so vielen anderen gemacht hatte. Ich löste mich von ihm, woraufhin er einen Protestlaut von sich gab, aber einen Schritt zurückwich. "Was Neues von deiner Mutter?", fragte ich und küsste seinen Hals. "Nein.", hauchte er, ihn schauderte es. "Ihr Zustand ist immer noch unverändert.", fuhr er fort. "Dann hoffen wir das Beste für sie.", gab ich sanft zur Antwort und wich nun endgültig von ihm zurück. "Ja.", Jenneth blinzelte mehrmals, dann blickte er zu den Büchern und atmete langsam aus. "Okay... Wonach suchen wir heute?", wollte er wissen. Ich strich mir eine blonde, gelockte, schulterlange Haarsträhne aus dem Gesicht und stemmte die Hände in die Seiten. "Inferi. Wenn wir den Stein der Auferstehung haben, sollten wir zuerst Inferi erschaffen.", ich verzog die Lippen zu einem Grinsen. "Viele Inferi, Jenn." "Klar. Klingt logisch.", pflichtete er mir sofort bei. "Gut.", ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn an. "Da unsere Bibliothek zu diesem Teil der Magie sehr viele Bücher hat, teilen wir uns auf. Du suchst da.", ich deutete mit dem Kopf nach rechts, zu den großen Fenstern. "Ich dort.", ich deutete mit dem Kopf nach links, zu den Säulen, die halb im Schatten verborgen waren. "In Ordnung.", Jenneth nickte und begann sofort, eifrig die Bücher zu untersuchen. Ich schnaubte kaum hörbar und wandte mich ab. Was war er doch für ein naiver, leichtgläubiger Dummkopf. Zufrieden schritt ich los. Eigentlich wusste ich ganz genau, wo sich jene Bücher befanden, die ich brauchte. Aber sollte Jenneth ruhig glauben, ich wüsste es nicht.
Wie ein Schatten ging ich zu den Säulen.
Eine Gestalt löste sich aus dem Schatten eines Regals. Ein Mädchen mit roten, hüftlangen, gelockten Haaren und blau-grünen Augen. Charina Vylonyva. Oder Cherry. Ich blieb stehen und zog sie in die Schatten zurück. "Gellert.", hauchte sie mir ins Ohr. "Cherry.", schnurrte ich, näherte mich ihr und bedeckte ihre Kehle mit sanften Bissen. Sie zog lautlos die Luft ein, ihre Nägel krallten sich in meine Schultern. Ihre Augen verdrehten sich, sodass nur noch das Weiße zu sehen war, als ich von ihr abließ, sie auf den Mund küsste und sie auf die Lippe biss. "Du machst mich... wahnsinnig.", keuchte sie. Tja. Du mich aber nicht!, dachte ich, sagte es aber nicht laut. "Das ist meine Berufung.", flüsterte ich anstelle dessen an ihren Lippen. Darauf stöhnte sie leise, aber nicht laut genug, alsdass Jenneth uns gehört hätte. "Komm.", ich nahm sie an der Hand und zog sie mit. "Wenn du heute wirklich so wild auf mich bist, verlagern wir das besser an einen anderen Ort." Cherry strich sich eine rote Strähne hinters Ohr. "Gut.", murmelte sie verträumt. Lautlos schlichen wir aus der Bibliothek. Jenneth würde es nicht bemerken.
In einem ruhigen, abgelegenen Gang blieb ich stehen. "Okay, meine Kirsche.", ich lehnte mich an die Wand und grinste sie an. "Dann reiß mir die Kleider vom Leib, wenn du willst." Es würde nicht unser erstes Mal sein. Ich hatte schon mit ihr geschlafen, genauso wie mit Kari und Jenneth. Aber Kari wusste nicht, dass ich außer mit ihr auch schon mit zwei anderen geschlafen hatte. Sie würde mir die Ohren vollheulen. Vielleicht hatte Jenneth Recht; es war an der Zeit, die Sache mit ihr zu beenden. So schnell wie möglich - am besten heute, wenn ich sie das nächste Mal sah. "Was ist, Cherrylein? Kommst du?", ich legte den Kopf schräg und grinste noch provokanter. Sofort war Cherry bei mir und knöpfte mein Hemd auf, ihre Finger zitterten. "Langsam, meine Süße.", hauchte ich. Sie blinzelte und schnappte nach Luft, als ich sie zu mir zog. Dann schlang sie die Beine um meine Hüfte und presste sich an mich. Erneut seufzte ich innerlich. Auf ein Neues! Sie war nicht unbedingt schlecht, aber... Sie war sie. Und das war es. Sie war ein Mädchen. Das war es.

Mehrere Stunden später stand ich auf der Plattform von Durmstrangs Aussichtsturm und schrieb einen Brief Nachhause. Das musste ich, sonst würde meine Mutter mir zweifellos den Kopf abhacken, wenn ich zu den Sommerferien heim kam. Also schrieb ich, dass meine Noten tadellos waren und ich mich ebenso wenig auf die Sommerferien freute wie sie. Dann schrieb ich noch, sie solle Gina von mir grüßen. Meine Schwester war zwar erst drei Jahre alt, doch sie mochte mich schon. Zwar taten unsere Eltern alles, damit wir uns so wenig wie möglich sahen, aber wenn wir uns sahen, waren es Momente voller Liebe. Eine Liebe, wie ich sie niemand anderem gab und niemand sie mir gab. Während ich schrieb, in kyrillischen Buchstaben, sandte ich mein Gespür hinter mich, um feststellen zu können, wann Kari kam. Doch statt ihr spürte ich Jenneth, wie er die Stufen hinaufkam. Als er gerade erst auf die Plattform bog, drehte ich mich um. "Jenn.", sagte ich leise. "Was tust du hier?", ich lehnte mich an die Brüstung. "Ich habe eigentlich mit Kari gerechnet." Jenneths graue Augen glänzten. "Sie kommt gleich.", antwortete er und schlang die Arme um sich selbst. "Aber ich wollte vorher noch zu dir.", er strich sich eine kinnlange, glatte Strähne aus dem Gesicht. "Wieso? Erzählt Kari wieder Unsinn?", fragte ich. "Nein.", seine zart geschnittenen Züge verdüsterten sich. "Aber Charina. Ich hab mitgekriegt, wie sie zu ihrer Freundin Anastasia gesagt hat, sie hätte was mit dir." Ach, daher wehte also der Wind! Charina, die Verräterin. Das würde nicht ungestraft bleiben., beschloss ich. Aber zuerst musste ich Jenneth beruhigen. Also stieß ich mich vom Geländer ab, trat zu ihm, strich ihm eine Strähne hinters Ohr und ließ die Hand an seiner Wange ruhen. "Jenn.", flüsterte ich. "Glaubst du das ernsthaft? Dass ich etwas mit Charina hätte?" Jenneth schluckte, sein Blick flackerte. "Ich weiß nicht.", murmelte er. "Oh, Jenn.", fuhr ich fort, ließ alle Sanftheit in meine Stimme fließen, derer ich fähig war. Und das war eine ganze Menge. "Natürlich nicht. Du weißt, dass Charina so verliebt in mich ist, dass es mich nicht wundern würde, wenn sie mir eines Tages Amortentia unterjubelt. Aber ich bin nicht in sie verliebt." 'Und auch nicht in dich. In niemanden!', ergänzte ich stumm. Er biss die Zähne zusammen, ich spürte, wie sich seine Kiefermuskeln unter meinem Handrücken anspannten. "Wirklich?", presste er hervor. "Wirklich.", versicherte ich ihm sanft, neigte mich zu ihm und ließ meine Lippen über seine streichen. Erneut schluckte er, entzog sich mir aber nicht. "Ich glaub dir. Ich glaub dir alles, Gellert.", flüsterte er schließlich. "Natürlich.", entgegnete ich seidenweich. Ein kurzes Lächeln huschte über Jenneths Gesicht. "Du bist... unglaublich.", murmelte er. "Ich weiß.", erwiderte ich selbstbewusst. Dann küsste ich ihn. Kurz nur. "Geh. Versteck dich. Kari kommt. Ich spüre sie.", setzte ich hinzu. Hastig nickte er, zog sich in eine Ecke zurück, zückte den Zauberstab und legte einen Tarnzauber über sich. Karis stets schäumende Aura kam näher, ich hörte nun ihre Schritte. Sekunden später stand sie vor mir. Ihre platinblonden Haare reichten ihr bis zur Rückenmitte, ihre braunen Augen schimmerten. "Gellert! Du bist pünktlich!" Sogleich wollte sie mir einen Begrüßungskuss geben, doch ich wich ihr aus. Verwirrung blitzte in ihrem Blick auf. "Hör zu, Kari.", ich lehnte mich wieder gegen das Geländer. "Ich muss dir etwas sehr Wichtiges sagen." "Was denn?", fragte sie. "Es ist aus mit uns beiden.", stellte ich klar. Schlicht und schmerzlos. "Was?!", kreischte sie. "Nein! Das kannst du mir nicht an tun! Gellert! Wir... wir sind seit vier Monaten zusammen!" "Stimmt. Und das war mehr als genug.", sagte ich. Karis Gesichtszüge verzerrten sich. "Ist an den Gerüchten etwa was dran?! Dass du was mit dieser... blöden Nuss von Charina hättest?!", ihre Stimme überschlug sich und in ihrer verzweifelten Wut hob sie die Hand, um mir eine zu verpassen. Fast sofort wurde ihr Gesicht zu dem meiner Mutter. Ihr, Vylanara, konnte ich nicht entkommen. Aber Karinja schon. Blitzschnell fing ich ihren Arm ab und hielt sie am Handgelenk fest. "Fass. Mich. Nicht. An.", knurrte ich bedrohlich ruhig. "Fass mich nicht an, Karinja Irmanovja." Ihre Augen weiteten sich, sie ließ die Hand sinken. "I-Ich wollte dich nicht schlagen!", stieß sie hervor, Tränen standen in ihren Augen. "Gellert, bitte! Das kannst du mir nicht antun! Ich liebe dich doch!", sie umklammerte meine Hände und sah mich flehend an. "Aber ich dich nicht.", gab ich zurück. Da fing sie wirklich an zu schluchzen, wandte sich um und stürmte davon.
Ich seufzte.
Sie würde sich wieder kriegen und spätestens in drei Wochen mit einem anderen knutschen.

Loveless || Gellert Grindelwald FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt