24. Kapitel

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Der Nebel wallte bei jedem Schritt um meine Beine und ich strich mir die blonden Locken zurück. Sie waren nass von Wassertröpfchen und ich war ununterbrochen dabei, mich selbst zu verfluchen. Gellert du leichtsinniger, rücksichtsloser, arroganter Idiot!, schimpfte ich mich. Mein Zauberstab ruhte fest in meiner Hand. Der Tarnumhang... Der Tarnumhang... Der Tarnumhang. Ich musste ihn haben. Unbedingt. Nicht, weil ich seine Macht so begehrte oder so faszinierend fand. Sondern der Vollständigkeit wegen. Damit Al und ich alle drei Heiligtümer hatten und nicht bloß eines oder zwei. Nein. Wenn wir Meister des Todes werden wollten, Al und ich, dann brauchten wir alle drei Heiligtümer des Todes und nicht bloß die zwei, die uns am meisten interessierten. Nun, und zu den Heiligtümern zählte nun einmal auch der Tarnumhang. Der Nebel war zäh, so zäh, dass ich ohne mein Gespür längst gegen einen Baum gelaufen wäre. Zum wiederholten Mal wich ich einem Baum sehr knapp aus und dankte der Macht jenseits unserer Vorstellung dafür, dass sie mich mit einem Gespür für menschliche Anwesenheit und menschliche Emotionen sowie sämtliche andere Anwesenheiten gesegnet hatte. Wer auch immer du bist, seltsame Macht: Danke! Ich seufzte und fuhr mir über die Wangen. Der Nebel war so dicht, dass er sich in winzigen Wassertröpfchen auf meiner Haut absetzte. Entnervt verdrehte ich die Augen. Gut, dass Al nicht hier war. Ich war gegangen, leise und unauffällig und wusste, dass er wahrscheinlich nicht begeistert davon war, dass ich ihm keine Nachricht hinterlassen hatte. Aber... Ich hatte ihm nicht sagen können, wohin ich ging, denn sonst hätte er zweifellos mitkommen wollen. Und schon bei dem Gedanken... Al hier im Nebelwald... Wo es hier doch von gefährlichen magischen Wesen wimmelte... Mein Herz krampfte sich zusammen und ich schluckte, umklammerte meinen Zauberstab so fest, dass es schmerzte. Nein. Nicht Al. Nicht hier. Durch den Nebel drang kaum Licht zwischen den Bäumen hindurch, weswegen hier ein ständiges Halbdunkel herrschte. Ich presste die Lippen zusammen und hob das Kinn. Vor mir tat sich plötzlich ein schwarzes Loch auf. Verdattert blieb ich stehen. Was war das? Nachdenklich zog ich die Augenbrauen zusammen. Ah. Eine Höhle. Etwas regte sich in mir. Eine Höhle... war das nicht das perfekte Versteck? Für den Tarnumhang? Ja. Entschlossen atmete ich aus, dann wieder ein und hob meinen Zauberstab höher. Mein Gespür kribbelte, eine seltsame Aura traf es. Vielleicht hatte der Tarnumhang einen Wächter? Wer wusste. Ich biss mir auf die Lippen, kaute darauf herum, bis ich mein Blut schmeckte. Dann gab ich mir einen Ruck und stolzierte in die Höhle.
Kaum, dass ich dreieinhalb Schritte hineingemacht hatte, knackte etwas unter meinen Füßen. Wie eingefroren blieb ich stehen. Es war stockfinster. Hastig murmelte ich: "Lumos!" Die Spitze meines Zauberstabes leuchtete auf. Jetzt sah ich, auf was ich da getreten war und meine Kehle wurde eng vor Abscheu. Ein Knochen. Ich schluckte die bittere Säure hinunter und atmete scharf aus. Anschließend ging ich weiter. Bei jedem meiner Schritte knackten weitere Knochen. Auf einmal... ein tiefes Knurren. Ich blieb stehen und spannte jeden Muskel an. Nox! Mein Zauberstab erlosch. Ein weiteres Knurren. Behutsam streckte ich mein Gespür aus. Wieder diese seltsame, prickelnde Aura. Nun wurde mir klar, was sie außerdem noch war... böse. Nein. Das war nicht der Tarnumhang. Das war... Schaudernd senkte ich halb die Lider und ließ zu, dass mein siebter Sinn ein Bild vor meinem inneren Auge schuf. Das war ein Mantikor.
Wieder ein Knurren, dann kratzten Klauen und ich spürte einen Luftzug. Etwas Schweres landete am Boden hinter mir. Der Mantikor war an mir vorbeigesprungen. Panisch wirbelte ich herum. Ich sah ihn nicht. Das war nicht gut. Überhaupt nicht gut. Ein Fauchen. Aufs Geratewohl schoss ich einen Zauber ab - in diesem Fall Depulso. Die silberne Welle jagte durch die Luft. Aber... Vor mir war kein Mantikor. Ein unheilvolles Beben durchlief mich. Meine Haut kribbelte. Das hier war noch nicht vorbei. Nein. Kein bisschen. Es fing erst an wurde mir klar. Verdammtes Zweites Gesicht! Wofür habe ich dich, wenn du mich nicht warnst?! Zornig biss ich mir auf die Unterlippe, dann auf die Oberlippe.
Ein weiteres Fauchen.
Vor Schreck ließ ich fast meinen Zauberstab fallen. Aus heiterem Himmel ein brennender Schmerz quer über meinen Rücken, ich wirbelte herum und fand mich Auge in Auge mit dem Mantikor wieder. Aaaargh. Hatte dieses Biest gerade versucht, mich zu stechen?! Na, was hieß 'versucht'. Es hatte mich getroffen. Das sagte mir das warme Kitzeln meines Bluts an meinem Rücken. Sekunden vergingen, in denen der Mantikor und ich uns anstarrten. Das löwenähnliche Wesen mit dem menschlichen Gesicht und dem Skorpionschwanz knurrte tief und entblößte sein Revolvergebiss. Vor Schmerz erschaudernd biss ich die Zähne zusammen. Er wollte mich töten. Nein. Ich werde nicht sterben. Nicht so! Ich bin Gellert Grindelwald! Nicht irgendein Muggel! Mein Hass und mein Zorn wallten in mir auf. Also gut. Mit einem Schnippen meines Zauberstabs warf ich dem Mantikor eine Runde Bombarda entgegen, gefolgt von Stupor, Flipendo und Incendio. Leider wich er aus. Jedem einzelnen meiner Flüche! Fast fiel mir der Untekiefer herunter. Was sollte das denn? Nun sprang er einen neuen Angriff, seine Klauen verfehlten mich um Haaresbreiten und mein Rücken reagierte auf mein Ausweich-Manöver mit brennendem Schmerz. Außerdem breitete sich allmählich ein Stechen von der Wunde aus. Mir war klar, dass das das verfluchte Gift war. Oh, bei allen Heiligtümern des Todes! Ich wich einem weiteren Angriff aus wie ein eingeübter Stuntman. Nur, dass ich das nicht mehr lange durchhalten würde. Doch leider schien der Mantikor entweder immun gegen meine Zauber zu sein, oder er wich ihnen spielend aus. Das brachte mein Innerstes zum Brodeln, vor allem, als er einem hervorragend gezielten Immobulus auswich. Mit normalen Zaubern konnte ich diesem Monster offenbar nicht beikommen, wurde mir klar, während ich mir Mantikor-Sabber von der Wange wischte. Igitt. Keine normalen Zauber... Aber was dann?! Was- Mitten im Denken hielt ich inne. Zum einen, weil ich gerade so noch seinem schnappenden Maul entgangen war, zum anderen, weil mir ein Geistesblitz gekommen war. Keine normalen Flüche? Ha. Also gut. Es gab drei Flüche, deren Blitze schneller waren als die normaler Zauber. Nämlich die drei Unverzeihlichen Flüche. Energisch spannte ich meine schmerzenden und protestierenden Muskeln an, mal davon abgesehen, dass mir langsam schwindelig wurde. Der Mantikor knurrte tief. Ich wich zurück. Der Mantikor knurrte erneut und kauerte sich zum Sprung. Ich blieb stehen. Der Mantikor fletschte die Zähne. Ich hob den Zauberstab. Der Mantikor sprang.
Avada Kedavra!, ich dachte es nur, flehte, betete, es möge funktionieren und schloss die Augen.
Ein schrilles Kreischen, ein grüner Blitz, ein Aufblitzen, das sah ich selbst durch meine geschlossenen Lider.
Dann ein dumpfer Aufschlag. Ich riss die Augen auf. Vor mir am Boden lag der Mantikor. Tot. Ein schiefes Lächeln verzerrte meine Lippen. Mein Zauberstab entglitt meinen Fingern und ich sank zu Boden, direkt neben meinem toten Feind. Verlor das Bewusstsein.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 02 ⏰

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Loveless || Gellert Grindelwald FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt