5. Kapitel

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Monate zogen ins Land. Jenneth und ich stellten uns brav. Mir war nämlich klar, dass unsere Schulleiterin uns, beziehungsweise mich, noch auf dem Kieker hatte wegen der Sache letztes Jahr, als einer der Lehrer mich am Eingang zur Dunklen Abteilung erwischt hatte. Ich konnte froh sein, dass ich noch nicht darin gewesen war, wie so viele Male zuvor. Darum hatte meine Schulleiterin mich auch nicht bestraft - bestrafen können. Aber es hatte dennoch ausgereicht, ihr Misstrauen zu erregen und mich im Auge zu behalten. Tja. Doch sie würde nichts finden.
Seit vier Monaten machte ich einen auf Musterschüler, genau wie Jenneth. Und das, obwohl ich darauf brannte, die Listen aus dem Schulleitungsbüro zu stehlen und dort endlich den Elderstab zu finden. Ich suchte ihn nun schon seit drei Jahren und nun wollte ich endlich Erfolg haben. Aber um den Erfolg auch ganz sicher zu bekommen, tat ich eben erstmal so, als könnte ich kein Wässerchen trüben.

Gerade war Hausaufgabenzeit und ich war so eben bei den letzten für heute angekommen. Astronomie. Eine Sternenkarte beschriften. Innerlich stöhnte ich entnervt auf. Auch das noch. Jenneth, der mir gegenübersaß, schleuderte gerade seine Feder auf den Tisch. "Was ist?", fragte ich, angesichts seiner gereizten Miene. "Astronomie!", knurrte er. "Ach, du auch?", ich stützte mich mit einem Ellenbogen, dem linken, auf mein Knie und sah ihn an. Er nickte so heftig, dass seine braunen Haare um ihn herumflogen. Vom Nachbartisch aus warf Karinja mir sehnsüchtige Blicke zu. Ja, ich hielt sie mir weiterhin als Nebenspielchen warm. Das nahm mir Charina sehr übel, aber das war mir herzlichst egal. Sie war für mich Schnee von gestern und mit ihr würde ich nie wieder ein Spiel spielen. Das war sie nicht wert. "Ich", sagte ich nun zu Jenneth "bin fast fertig. Kannst abschreiben." Noch während ich sprach, beschriftete ich den letzten Punkt. Die Venus. "Hier.", setzte ich hinzu und schob ihm meine Karte hin. Jenneth schenkte mir aus grauen Augen einen verliebten Blick, dann machte er sich ans Abschreiben. Am Nachbartisch sah Karinja mich bedeutungsvoll an, stand auf und ging. Mir war klar, was sie wollte. Da es jedoch zu auffällig sein würde, ihr sofort zu folgen, beschloss ich, noch zu warten. Mein Glück (oder auch nicht, wie man es nahm) war, dass Jenneth kein besonders schneller Abschreiber und nicht sonderlich gut in Astronomie war. So konnte ich locker acht Minuten verstreichen lassen, ehe ich aufstand und mit einem "Bin gleich wieder da, Jenn." davonschlenderte. Im Gang vor der Bibliothek, in der traditionell die Hausaufgaben gemacht wurden, lehnte Karinja an der Wand. Sie wartete offenkundig auf mich. "Dein Blick war nicht zu übersehen, Karinja.", stellte ich fest. "Das war ja auch Absicht.", gab sie zurück und sah sich um. "Ist irgendjemand in der Nähe?", wollte sie wissen. "Nein.", antwortete ich, denn mein Gespür meldete mir nicht den Hauch anderer Anwesenheiten in der Nähe - außer in der Bibliothek, versteht sich. Aber auch von dieser waren wir ein bisschen weg. Betont langsam rückte ich näher an meine Exfreundin, momentanes Nebenspiel, heran und stützte meine Arme links und rechts neben ihren Kopf. Anschließend neigte ich mich zu ihr, so dicht, dass sie meinen Atem in ihrem Gesicht spürte. Sie keuchte leise, hob zitternd den Kopf, ihre Lippen öffneten sich leicht. Ein Grinsen huschte über mein Gesicht, dann eliminierte ich den letzten Abstand zwischen uns und küsste sie, wie ich es immer tat. Dominant, bestimmend und hart. Lieblos. Sie war nur ein Spiel von mir und sie wusste das auch, deswegen konnte ich bei ihr das Lieblose auch mehr durchklingen lassen, als bei Jenneth. Obwohl es kein zärtlicher oder verlangender Kuss war, schmolz Karinja förmlich dahin. Vor allem, als ich mich von ihr losmachte und ihren Hals mit leichten Bissen bedeckte. Es war meine Spezialität, andere um ihren Verstand zu bringen, während ich völlig kalt blieb. Als ich nun mit einer Hand über ihr Dekolleté strich, keuchte sie erneut. Ruckartig riss ich mich von ihr zurück. Darauf stieß sie einen seltsam verzweifelten Laut aus, wie ein kleines Kind, das soeben von den Eltern verlassen worden war. "Nein.", hauchte sie, schlug die braunen Augen auf und sah mich flehentlich an. "Bitte." "Sorry, Honey.", erwiderte ich frostig. "Aber mein Terminkalender ist sehr ausgeplant. Ich muss wieder gehen." Damit wandte ich mich ab, blickte dann aber noch einmal über die Schulter zurück. "Geh mir ja nicht direkt hinterher. Außer du willst, dass es verdächtig ist. Warte noch mindestens fünf Minuten." Sie nickte nur. Ihre Pupillen waren geweitet, ihr Atem ging rasch. Sie wollte noch mehr. Nicht jetzt, Süße., dachte ich. Dieses 'mehr' hatten wir erst letzte Woche gehabt. Mit den ruhigen, eleganten Bewegungen, die mir so eigen waren, ging ich.
Kaum, dass ich wieder in die Bibliothek getreten war, erblickte ich Jenneth. Er saß, mit hochkonzentrierter Miene, die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, da und schrieb weiterhin ab. Just in dem Moment, da ich bei ihm ankam, setzte er sich auf und stieß hervor: "Fertig!" "Wunderbar.", sagte ich, trat hinter ihn und fuhr mit einem Finger die Konturen seiner Halswirbel nach. Ich sah, wie sich ihm sämtliche Härchen aufstellten. Doch die Bewegung, als er seine Feder beiseite legte, war bewundernswert ruhig. Gelassen neigte ich mich über seine Schulter, pflückte meine Himmelskarte vom Tisch und faltete sie wieder zusammen. "Komm. Gehen wir.", bestimmte ich. Jenneth nickte. "Okay. Bin fertig." "Natürlich bist du.", schnurrte ich ihm ins Ohr und strich ihm eine glatte Strähne zurück. Ihn schauderte es, er stand auf, übergab mir meine Feder, nahm seine eigene und Seite an Seite verließen wir die Bibliothek. Als wir auf den Gang traten, verriet mir mein Gespür, dass Karinja sich hastig in eine dunkle Ecke flüchtete. Ich grinste. Vor mir war niemand sicher. Nachdem ich sicher war, dass niemand uns hörte, sagte ich zu Jenneth: "Wir tun es heute Nacht." "Was?", fragte er und blickte mich mit grauen Augen verwirrt an. "Heute Nacht brechen wir in das Büro unserer herzallerliebsten Schulleiterin ein und klauen die Listen. Heute Nacht beginnt unsere Suche nach dem Elderstab wirklich.", antwortete ich ihm. Sein Blick leuchtete auf. "Endlich.", flüsterte er. Zur Antwort lächelte ich, blieb stehen, umschloss sein Gesicht mit meinen Händen und küsste ihn. Ganz kurz nur und so sanft, wie ich es vermochte. Natürlich erwiderte Jenneth den Kuss, doch bevor er ihn vertiefen konnte, zog ich mich von ihm zurück. "Komm, Jenn. Gehen wir." Aufgeregt nickte er und wir machten uns auf, die letzten Vorbereitungen zu treffen.

Loveless || Gellert Grindelwald FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt