4. Türchen

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Sehr geehrter Mr Styles,

uns hat ihr Exposee zu ihrem neuen Roman sehr gefallen. Leider müssen wir ihnen mitteilen, dass ein Werk dieser Art aktuell nicht in unseren Katalog passt. Wie Sie wissen, hat sich unser Verlag auf Thriller und Horror spezialisiert, weswegen wir uns dazu entschieden haben, ihren Roman abzulehnen. Wenn Sie in Zukunft weitere Thriller schreiben, heißen wir Sie sehr herzlich bei uns Willkommen...

Seufzend schließt Harry den Laptop. Natürlich musste das passieren. Es wäre ja auch undenkbar, dass sein bisheriger Verlag einen Liebesroman veröffentlicht, wo kommt man denn dann hin. Dass es nicht ganz so einfach ist, weiß er. Theoretisch. Dennoch hatte er gehofft, das der Verlag ihm zuliebe eine Ausnahme machen würde. Er hat schon acht Bücher dort veröffentlich – ziemlich erfolgreich muss man wohl sagen. Er ist einer der wichtigsten Autoren für dieses Unternehmen und trotzdem bügeln sie ihn einfach mit so einer E-Mail ab. Er sieht auf den Stapel Notizen, der die Hälfte seines Schreibtisches füllt. Vor ein paar Wochen kam ihm die Idee. Der Roman ist so gut wie fertig, nur einen Verlag hat er nicht.

Inzwischen hat er bei drei verschiedenen Verlagen veröffentlich. Er mag es nie, sich neu auf die Suche zu machen, aber weiß, dass ihm nichts anderes übrig bleibt, wenn er dieses Buch veröffentlichen möchte. Bevor er allerdings nach Verlagen sucht, die in Frage kommen, schreibt er seinem besten Freund.

Harry: Hat nicht geklappt.

Niall: Idioten

Harry: Eigentlich nicht und das weißt du

Niall: Man kann auch mal etwas Neues versuchen

Harry: Das könnte man auch so auslegen, dass ich einen neuen Verlag versuchen sollte

Niall: Du weißt, dass das so nicht gemeint war

Harry: Hilft mir gerade wenig. Ich habe im Augenblick keine Ideen mehr für neue Thriller, aber dafür dutzende für Liebesromane.

Niall: Dann such dir einen neuen Verlag. Dein Name ist doch in der Branche bekannt, die müssten sich doch um dich reißen.

Harry: Ich sag Bescheid, ob du damit recht hast

Nialls Optimismus geht Harry zwischendurch durchaus auf die Nerven, aber in Momenten wie diesen ist er froh darüber, ihn als Freund zu haben. Er sieht die Dinge lockerer, entspannter. Er hat diese es klappt schon alles irgendwie-Mentalität. Harry sucht nach Verlagen. Er hat eine Queere-Romanze geschrieben. Da ist es nicht unbedingt leicht, einen Verlag zu finden. Er möchte gerne zu einem großen, bekannten Verlag, aber er weiß, dass viele von diesen noch eher konservativ handeln. Die kleinen Verlage sind inzwischen häufig diverser aufgestellt. Über kleine Verlage ist er hinaus. Damit hat er seine Karriere vor einigen Jahren gestartet. Er will zu den großen Verlagen. Vielleicht ist es ein Ego-Problem.

Er weiß inzwischen, worauf er bei Verlagen achten muss. Viele fallen da schon aus dem Rennen. Er kennt sich in der Branche aus und so fällt seine Wahl sehr schnell auf Aria Publishing. Es gehört zu einem größeren Verlag und ist seit Jahren in der Branche fest etabliert. Genau wie sein Name. Ed Ward. Wenn man ihn kennt, erscheint dieses Pseudonym absolut unkreativ zu sein. Harry mag es. Er hat lange überlegt, wie er sich als Autor nennen soll. Er wollte nicht seinen richtigen Namen nutzen, als er angefangen hat zu schreiben. Wer hätte auch wissen können, dass es irgendwann so gut läuft. Am Anfang hat er neben seinem Studium zum Journalisten geschrieben und einige Fächer in Kommunikation belegt. Er wollte Journalist werden, aber das ist lange her. Genaugenommen ist er Journalist geworden – für ein Jahr. Dann hat der Verlag, bei dem er seither veröffentlicht hat, ihn abgeworben und er konnte tatsächlich seine Miete zahlen.

Er hatte Glück, das ist ihm bewusst. Eine tolle Familie, die ihn unterstützt und die besten Freunde, die er sich hätte wünschen können. Ohne sie wäre sein Leben definitiv anders verlaufen und vermutlich hätte er auch sein Studium nicht gepackt. Er hätte sich kurz vor seinem Abschluss in der Ecke verkrochen und darauf gewartet, dass das Universum sich so weit ändert, dass es ihm wieder gut geht. Tja, so war es nicht, aber es geht ihm dennoch wieder gut. Sehr sogar. Lächelnd lehnt er sich zurück, als die die Mail geschrieben hat – von seiner anderen E-Mail-Adresse versteht sich. Die wenigsten in der Branche wissen seinen richtigen Namen und wenn, dann haben Sie alle eine Verschwiegenheitsklausel im Vertrag unterschrieben. Bisher ist nie etwas an die Öffentlichkeit gekommen. Für die ist er nur ein zurückgezogen lebender Buchautor. Die meisten denken vermutlich er ist schon im Rentenalter und lebt auf irgendeiner Farm oder in einem Kleinen Landhaus außerhalb von London.

Er lebt mitten in der Stadt. Er liebt den Trubel und die Menschen. Sie inspirieren ihn. Er hat immer ein Notizbuch dabei, denn die meisten Ideen kommen ihm, wenn er durch die Innenstadt und den Hydepark geht. Er mischt die Merkmale der Menschen und setzt sie zu neuen Charakteren zusammen. Vielleicht sind sie deshalb so authentisch.

Es dauert zwei Tage, bis Aria Publishing sich zurückmeldet. Niall hatte recht, er hat sich einen Namen aufgebaut.

Sehr geehrter Mr Ward,

wir haben ihr Exposee mit Freude gelesen und sind uns einig, dass wir ihren neuen, queeren Roman sehr gerne bei uns verlegen würden. Wir vermuten, dass dieser bereits fertig oder so gut wie fertig ist, weswegen wir Sie sehr gerne baldmöglichst bei uns ins Büro einladen möchten, um mit ihnen die Vertragsdetails zu besprechen. Anbei senden wir Ihnen eine Liste mit möglichen Terminen. Wenn keiner dieser Zeitpunkte für sie wahrnehmbar sein sollte, schicken Sie uns gerne eine Alternative.

Mit freundlichen Grüßen,

Sasha Mayland

Die Termine sind gut. Nächste Woche Dienstag um 10 Uhr wählt er aus, bedankt sich für die schnelle Antwort und trägt es in seinen Kalender ein – den er auch immer mit sich herumträgt. Er mag es, in kleine Bücher zu schreiben und alles festzuhalten. Das ist viel besser als der Kalender oder die Notizen auf seinem Handy. Niall versteht nicht, wieso Harry diese ganzen analogen Sachen toll findet, aber als er dann bei Harry auf dem Schreibtisch eine alte Schreibmaschine gefunden hat, hat er gar nicht mehr nachgefragt. Auf dieser schreibt Harry seine Exposees. Wenn es sich darauf nicht richtig anfühlt, verwirft er diese Idee. Niall findet das bescheuert, aber wer ist er schon, darüber zu urteilen, wie Harry arbeitet.

Harry: Es hat geklappt

Niall: Sag ich doch :)

Harry: Danke

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Wer ganz aufmerksam war, erkennt an dieser Stelle vielleicht schon, dass diese Story Idee nicht neu ist - nur ausgearbeitet. What do you think about it? :)

Love, L

Adventskalender 2023Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt