15. Türchen

920 220 36
                                    

Harry zieht es tatsächlich durch. Er geht ein paar Tage nichts ins Büro. Stattdessen arbeitet er von zuhause aus – wenn man das denn arbeiten kann. Wie lange braucht es wohl, um eine Küche einzubauen? Es ist auf jeden Fall zu laut für ihn, da bringen ihm seine Kopfhörer auch nicht viel. Manchmal vibriert sogar sein Schreibtisch. Ihm ist bewusst, wie viel er schaffen könnte, wenn er ins Büro gehen würde, aber er will nicht. Er braucht eine paar Tage abstand, um seinen Verstand wieder zu ordnen und seine Gedanken nicht ständig von Louis dominieren zu lassen. Irgendwann kommt er zu dem Schluss dass es doch ganz gut ist, dass Louis das Buch nie lesen wird. So wird er nie erfahren, dass Harry auch noch drei Jahre nachdem er weggezogen ist, an ihn gedacht hat. Er hat es verarbeitet, indem er dieses Buch geschrieben hat. So weit so gut.

Aber er hat das Buch nicht geschrieben, nur um sich einzugestehen, dass er doch nicht über Louis hinweg ist und dass es ihn umhaut, wenn er vor ihm steht. Dass es ist durcheinander bringt und dass er, wenn er sein Parfum riecht, weiche Knie bekommt. Das war so nicht geplant.

Es ist Freitag, als er den Krach zuhause nicht mehr aushält und wieder in Büro fährt. Er ist extra früh unterwegs und verzieht sich sofort auf die Dachterrasse. Die Sonne scheint und wärmt ihn ein bisschen unter der Decke. Der Kaffee dampft und zufrieden macht er sich an die Arbeit.

Louis bemerkt nicht, dass Harry einige Etagen über ihm im freien sitzt. Er ist in seine Arbeit vertieft. Die ganze Woche hat es gut geklappt. Er will glauben, dass er sich eingearbeitet hat und deswegen so produktiv ist. Er lässt den Gedanken, dass es daran liegen könnte, dass Harry nicht hier ist, nicht zu. Seine eigenen Gedanken zu verdrängen, hat er in den letzten Jahren gelernt. Man könnte sagen, er hat es perfektioniert. Hätte er das nicht getan, wäre er mit ziemlicher Sicherheit durchgedreht.

Mittags setzt sich Zayn zu ihm. „Wird es besser?" – „Was meinst du?" – „Harry." – „Können wir bitte nicht über ihn reden?" Zayn seufzt und sieht ihn erwartungsvoll an. „Du weißt, dass es das nicht besser macht." – „Ich erledige meinen Job und das sogar ziemlich gut", stellt er klar, aber Zayn lässt sich locker. „Erst lässt du die Augen nicht von ihm und jetzt verkriechst du dich in die Arbeit. Meinst du nicht, es ist aufgefallen, dass du die ganze Woche Überstunden gemacht hast?" – „Du bist nicht mein Chef, was geht dich das an", antwortet Louis abweisend. „Weißt du was? Wir gehen heute Abend auf den Weihnachtsmarkt. Ich wette, da warst du dieses Jahr noch nicht." – „Ach was, Sherlock." – „Gut. Ich frage die anderen auch", beschließt Zayn zufrieden. Louis verdreht die Augen und ist froh, dass dieser lebensfrohe Idiot ihn endlich in Ruhe lässt. Er ist fast so schlimm wie Liam. Wobei der ihm wahrscheinlich dazu noch jeden Tag ungefragte Beziehungsratschläge geben würde.

Scheiße, wenn die beiden sich irgendwann mal begegnen sollten, hat er keine Chance mehr. Dann ist er geliefert. Er fragt sich den ganzen Tag, wie er aus der Weihnachtsmarktsache wieder herauskommt, aber dann wartet sein Team schon am Aufzug auf ihn. Scheiße. „Wohin wollt ihr denn?", fragt er in die Runde. „Hyde Park", antwortet Zayn sofort. Louis zuckt mit den Schultern und geht mit. Ihm ist im Prinzip recht egal, wohin sie gehen. Glühwein gibt es schließlich überall. Und Harry ist nicht hier, das macht den Abend ungemein besser. Irgendwie. Und irgendwie auch nicht. Als sie aus der Tube steigen, merkt Louis, dass er fehlt. Er seufzt leise und flucht innerlich. Harry fehlt ihm nicht. Er hat ihm die letzten drei Jahre nicht gefehlt. Beides gelogen und insgeheim weiß er das. Wenn er es jedoch zugibt, wird es real und das ist viel schlimmer als das Gefühl, das seit seinem Arbeitsantritt hier permanent wie ein Brummen im Hintergrund präsent ist.

Sie holen sich eine Runde Glühwein und ergattern einen der begehrten Tische unter der Bude. Hier ist es etwas wärmer als draußen im Wind. Louis fröstelt ein bisschen. Er ist nach wie vor leicht erkältet. Er schiebt es auf das nasskalte Wetter in London, nicht auf den kurzen Besuch auf der Dachterrasse. Er muss sich einfach wieder akklimatisieren, dann wird das schon.

„Louis?" – „Mhm? Sorry." Er hat nicht einmal gemerkt, dass er seinen Gedanken anstatt der Unterhaltung gefolgt ist. „Der Kerl da drüben ist doch ganz süß, oder?", fragt Daya ihn und deutet zur Theke. „Nicht mein Typ", antwortet Louis direkt. „Sag ich doch!", grinst Daya. Majid verdreht die Augen. „Was? Worum geht es hier?" – „Ich mische mich nicht ein, ich kenne die Antwort schon." – „Hä?", irritiert sieht Louis seine Kollegen an. „Daya meinte, dass du garantiert auf Männer stehst", erklärt Majid ihm. „Deswegen hat sie gesagt, dass der Kerl süß ist." – „Ich habe gesagt, dass er nicht mein Typ ist." – „Was impliziert, dass du einen Typen hast", schlussfolgert Daya. Louis verdreht die Augen. „Was war der Wetteinsatz?" – „Dass Majid eine Runde für uns schmeißt", grinst Zayn. Jetzt ist Louis auch begeistert. „Wenn das so ist, hat Daya recht. Ich bin absolut schwul." – „Das sagst du doch nur, damit ich verliere", erwidert Majid. Louis schüttelt den Kopf. „Nein, ich stehe tatsächlich nur auf Männer. Tut mir leid." – „Verdammt", flucht er, nimmt die leeren Gläser und geht zur Bar.

Louis grinst zufrieden. „Und du hast ihr nichts verraten?", fragt er Zayn als Majid neue Getränke für sie bestellt. „Sie hat fair gewonnen", bestätigt er und Daya nickt zustimmend. „Aber wenn wir ehrlich sind, war es recht auffällig." – „Was?" Irritiert sieht Louis sie an. Zayn schüttelt leicht den Kopf, aber das bemerkt Louis nicht. „Ähm... so generell. Man merkt es irgendwie, finde ich." – „Wenn du meinst." Louis belässt es dabei. Seine Sexualität muss nicht Thema des Abends werden.

„Schaut mal, wer hier ist!" Louis sieht zu Majid, der ihnen Glühwein bringt. Das darf doch nicht wahr sein. Hinter ihm ist Harry zu sehen. „Was ein Zufall", lacht Daya und geht einen Schritt zur Seite, um mehr Platz an dem Tisch zu machen. „Hi", lächelt Harry und sieht in die Runde. „Das ist Niall." In diesem Moment taucht noch jemand neben Harry auf. Verdammt, das passiert jetzt nicht wirklich, oder?

-- -- -- -- --

Niall trifft auf Louis. Meint ihr das geht gut oder lässt der die Bombe platzen? 

Love, L

Adventskalender 2023Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt