22. Türchen

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Perplex sieht er auf den Bildschirm. Er will reden? Harry hat die Hoffnung schon längst aufgegeben. Er hat nicht mehr damit gerechnet, dass Louis noch mit ihm sprechen möchte. Es ist fast eine Woche her, seitdem sie sich auf dem Ikea Parkplatz unterhalten haben – angeschrien haben. Er atmet tief durch und steht auf. Am liebsten würde er wegrennen und sich zuhause verkriechen, aber er weiß, dass er es bereuen würde.

Louis hat die Nachricht vor 17 Minuten geschickt. Harry zögert und geht langsam und mit kleinen Schritten durch das Büro. Schließlich sieht er Louis an seinem Schreibtisch sitzen. Er ist in die Arbeit vertieft, zumindest denkt Harry das erst. Dann bemerkt er, dass Louis immer wieder zu seinem Handy schielt, das neben der Tastatur liegt. Er atmet tief durch und schreibt Louis eine Antwort.

Harry: Dachterrasse

Harry ist hier? Irritiert sieht Louis sich um. Er hat ihn heute noch nicht gesehen und draußen regnet es in Strömen. Er springt auf und läuft zu den Fahrstühlen. Die Türen haben sich gerade geschlossen, als er dort ankommt, aber er ist sich sicher, Harrys Hinterkopf gesehen zu haben. Fuck. Kurzerhand entscheidet er sich für die Treppen und rennt nach oben. Er wird das nicht versauen. Harry steigt gerade aus dem Aufzug, als Louis die Tür öffnet. Sie haben beide keinen Regenschirm dabei. Scheiße. Louis geht auf Harry zu. „Hi." Harry sieht ihn ausdruckslos an. „Uhm... ich weiß, ich hätte mich früher melden sollen, aber... äh...", stottert Louis unbeholfen und merkt, wie seine Kleidung immer nasser wird. Harry hat eine Regenjacke an, er nur einen Hoodie, der sich immer mehr vollsaugt. „Ich wusste nicht, wie", bringt er schließlich heraus. Scheiß drauf. Schlimmer kann es sowieso nicht werden.

„Ich habe ein paar Tage gebraucht, um zu verstehen, was damals passiert ist. Ich wollte nicht einsehen, dass ich Mist gebaut habe, aber ganz offensichtlich habe ich das. Und dann dachte ich erst, es wäre zu spät, dich anzurufen. Und dann habe ich gewartet und es wurde nur noch schlimmer", redet er drauf los. Harry ist erstaunt, damit hätte ich nicht gerechnet. Er weiß gar nicht so genau, was er erwartet hat, aber das ganz bestimmt nicht. „Jedenfalls ist in weniger als zwei Wochen Weihnachten und wir haben alle frei, also du natürlich auch, und das heißt, dass wir uns hier nicht über den Weg laufen. Ich dachte, dass wir das diese Woche tun und ich dich direkt ansprechen kann, aber du warst nicht hier und dann dachte ich, wir könnten nach meinem Feierabend reden. Ich wusste ja nicht, dass du doch hier bist", erklärt er seinen Gedankengang und wäre die Situation nicht so ernst und emotionsgeladen, würde Harry jetzt vermutlich sogar darüber lachen.

„Es war dumm von mir, einfach wegzulaufen. Ich wollte nicht wahrhaben, was ich da gehört habe und bin geflüchtet und das war dämlich und feige und – hätte ich damit direkt mit dir gesprochen und dich gefragt, was das bedeutet, wäre es anders gelaufen. Das wäre ich nicht nach New York gegangen. Als ich dir damals gesagt habe, dass ich ein unschlagbares Angebot bekommen hätte, was das gelogen. Ich hätte den Job natürlich abgelehnt aber dann... es war eine Panikreaktion, denke ich. Und es war natürlich auch gelogen, als ich dir gesagt habe, dass wir nur Sex hatten und dass es nie etwas Ernstes war. Ich wollte nicht zugeben, wie sehr es mich verletzt hat. Ich weiß, dass ich wirklich Mist gebaut habe. Es tut mir leid." Er atmet tief durch. „Ich bin nicht gut darin, mich mit Problemen auseinander zu setzen."

„Das warst du noch nie", bemerkt Harry und schnell und kräftig klopfendem Herzen. Louis hängen die nassen Haare in der Stirn und er möchte sie so gerne weg streichen. Regentropfen fallen auf seine Haut und tropfen von seiner Nase und seinem Kinn nach unten. Er ist klitschnass, aber das interessiert ihn nicht. Harry hingegen denkt direkt, dass Louis sich wieder eine Erkältung einfängt, wenn er noch lange hier so steht. Ob er sich wohl irgendwann mal keine Sorgen mehr um Louis machen wird?

„Ich hätte auch mit dir reden können. Ich hätte darauf bestehen müssen, dass wir miteinander sprechen und dich nicht einfach gehen lassen", antwortet Harry ihm. Er bereut es, dass er Louis hat einfach so umziehen lassen. Louis zuckt mit den Schultern. „Ich habe miese Sachen gesagt." – „Und ich hätte wissen können, dass du es nicht wirklich so meinst", erwidert Harry. Louis weiß nicht, ob er da zustimmen kann, oder nicht. Er gibt Harry keine Schuld an all dem hier. Er hat es verbockt.

„Was bedeutet das für uns?", will er zögerlich, fast schon schüchtern, wissen. Harry zuckt mit den Schultern. „Ich weiß es nicht." Louis verzieht den Mund und denkt nach. Ich weiß es nicht, bedeutet nicht, dass er völlig ausschließt, ihn zurückzunehmen, oder? Oder interpretiert er das wieder falsch? „Du... also heißt das, ich würde theoretisch noch eine Chance bekommen, wenn ich danach fragen würde?" Er kommt sich vor, wie ein dämlicher Teenager, aber ohne eine Antwort, wird er dieses Dach nicht verlassen. Er ist sowieso schon bis auf die Knochen nass. „Vielleicht. Ich habe es nie mit wem anders versucht, falls du darauf hinaus möchtest. Ein paar kurze Situationships, ein bisschen Sex, aber nie mehr", antwortet Harry ihm und Louis verzieht das Gesicht, als er hört, dass Harry Sex mit anderen hatte. „Ist bei mir auch so", sagt er aber dann. Er hatte Sex. One-Night-Stands, um ganz genau zu sein. Mehr nicht. Mehr kam für ihn nie in Frage, denn er wusste, es würde sowieso nie jemand an Harry heranreichen.

„Willst du mich denn fragen?", möchte Harry von ihm wissen. Louis nickt. Auf jeden Fall möchte er das. Harry will sich nicht zu sehr freuen, aber er kann gegen dieses Gefühl nichts tun. „Okay." – „Du... was? Wirklich?" – „Wenn du nicht plötzlich wieder umziehst und verschwindet." – „Werde ich nicht!", antwortet Louis sofort. Nein, wird er nicht. Den Fehler macht er garantiert kein zweites Mal. „Also... ähm... ein Date? Willst du Essen gehen oder... scheiße." – „Scheiße?" Louis flucht laut und geht einige Schritte. „Meine Möbel sind gestern angekommen, ich wollte sie eigentlich dieses Wochenende aufbauen. Aber das kann ich natürlich verschieben! Wann hast du denn Zeit? Hast du dieses Wochenende überhaupt Zeit?"

Harry schmunzelt. „Wir können auch einfach deine Möbel aufbauen und dabei reden. Ich brauche kein teures Essen oder irgendein aufregendes Date." – „Du willst mir helfen, meine Möbel aufzubauen?", fragt Louis überrascht. „Sonst würdest du garantiert die Anleitung nicht lesen und alles kaputt machen", grinst Harry. Louis will widersprechen, lässt es dann aber sein. Sie wissen beide, dass Harry recht hat.

„Und jetzt geh wieder rein, du wirst krank." – „Werde ich nicht." – „Wir gehen jetzt rein, du trocknest dich so gut es geht ab und ich mache dir einen Tee. Sonst werde ich nicht zu dir kommen morgen", entscheidet er und Louis geht sofort zum Fahrstuhl.

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Es geht Berg auf. Das wurde in Türchen 22 auch mal Zeit, oder? Was glaubt ihr, kommt in den letzten beiden Türchen? 

Love, L

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