13. Türchen

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„Was hältst du von einer Lesereise?" Harry sieht auf. Louis steht in der Tür zu dem kleinen Konferenzraum, wo er gerade arbeitet. Es regnet, also ist die Dachterrasse keine Option gewesen. Der Raum ist den ganzen Tag frei, also konnte Harry sich hierher verziehen, um zu arbeiten. Er ist in der IT-Abteilung, weit genug weg, dass er Louis nicht ständig sehen muss. Der hat ihn trotzdem gefunden und sieht ihn abwartend an.

„Das wäre perfekt, um die Bindung zu deinen Leserinnen und Lesern zu stärken und auch um den zweiten Teil anzuteasern und..." – „Vergiss es", unterbricht Harry ihn sofort. „Was? Hör dir meinen Plan doch erst einmal an", antwortet Louis und verschränkt die Arme vor der Brust. Er kann es nicht leiden, wenn Kunden so stur sind. Den ganzen Vormittag hat er sich Notizen zu möglichen Inhalten und Plänen einer Lesereise gemacht und jetzt bügelt Harry ihn einfach so ab? Ganz bestimmt nicht. „Ich werde nirgendwo etwas aus meinem Buch vorlesen. Ich bin eine anonyme Person, schon vergessen?" – „Und wenn wir dir eine Maske aufsetzen? Klappt bei Musikern doch auch", antwortet Louis ihm. Harry schüttelt dennoch den Kopf. „Vergiss es. Denk dir etwas anderes aus." – „Du solltest darüber nachdenken" – „Und du solltest meine Wünsche respektieren. Du weißt, dass meine Privatsphäre ganz oben auf der Prioritätenliste steht. Dir hätte klar sein können, dass ich diesem Vorschlag nicht zustimmen werde", stellt Harry klar.

Louis verdreht die Augen und geht wieder zurück an seinen Schreibtisch. Dir hätte klar sein können, das... bla bla bla. Und Harry hätte klar sein können, dass so eine Reise als Autor wirklich wichtig ist. Er ist doch nun wirklich schon lange genug in der Branche, um das zu wissen, oder nicht? Louis lässt sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen, speichert das Dokument und schließt es dann. Auf seiner To Do Liste stehen noch einige andere Dinge, die erledigt werden müssen. Unter anderem der Kontakt zu Buchbloggern. Er erstellt eine Liste, mit Personen, die in Frage kommen. Es dauert einige Stunden, bis er Leute gefunden haben, die in Frage kommen könnten, aber schließlich ist er mit seiner Auswahl sehr zufrieden,

„Schau da mal bitte drüber, du kennst dich in dieser Branche besser aus als sich." – „Du bist schon wieder hier?", fragt Harry verwundert. Louis geht zu ihm an den Tisch und legt ihm die Liste hin. „Ich arbeite hier", antwortet er lediglich. „Sind das Buchblogger?" – „Ja. Ich weiß nicht, ob du Favoriten hast oder jemanden nicht magst, deswegen bin ich hier", erklärt Louis ihm. Harry nimmt sich ein Stift und lässt seinen Blick über die Liste gleiten. Er kennt einige dieser Leute. Ein paar scheinen ihm unpassend zu sein, die streicht er durch. Dabei spürt er die ganze Zeit Louis' Blick auf ihm.

„Ich möchte noch zehn kleine Accounts auf diese Liste haben." – „Zehn? Das Budget haben wir nicht", lehnt Louis ab. „Doch, weil man diesen Leuten nicht so viel zahlen muss", widerspricht Harry ihm. Louis weiß, dass er recht hat. „Wieso? Die anderen bringen viel mehr Reichweite", argumentiert er. „Ich habe auch einmal mit einer kleinen Auflage und wenig Followern angefangen. Man muss manchmal einfach eine Chance bekommen. Ich möchte zehn Menschen diese Chance bieten. Such queere Accounts raus, Leute, die aus der Menge herausstechen und guten Content machen, aber einfach noch nicht so lange dabei sind", bittet Harry ihn und lächelt dabei. Dieses verdammte Lächeln. Louis kann ihm dann nichts abschlagen. „Schön. Ich setze mich dran." – „Danke", sagt Harry ehrlich.

Louis schielt auf seinen Laptop, als er sich die Liste wiedernimmt. „Ein Kalender?" – „Für das nächste Buch, sonst komme ich mit den zeitlichen Abläufen in der Geschichte irgendwann durcheinander." – „Aha." Louis sollte ihn nichts fragen. Er sollte wieder zurück an seinen Arbeitsplatz kehren und Abstand zwischen sie beide bringen. Erst, als er den Raum verlassen hat, bemerkt er, dass Harry ihn weder weggeschickt, noch trocken und kalt mit ihm gesprochen hat. Er hat gelächelt, ehrlich und nicht aufgesetzt. Louis verschlägt es die Sprache. Hat er Halluzinationen? Bestimmt.

Harry lehnt sich nach hinten und streicht dich die Haare nach hinten. Sein Blick ist auf den Kalender gerichtet, an dem er gerade arbeitet. Er könnte schon längst fertig sein, das weiß er, aber nachdem Louis vor einer Stunde hier zum zweiten Mal einfach so reingeplatzt ist, rechnet er damit, dass es ein drittes Mal passieren könnte. Das bringt ihn durcheinander. Nein, ihn bringt durcheinander, dass diese geschäftlichen Unterhaltungen ihn derart ablenken könnten. Und er mag es nicht. Louis hat einen verdammt großen Einfluss auf ihn und Harry betet, dass er es nie herausfindet. Sonst ist er wirklich am Arsch.

Louis findet Accounts, die zu Harry passen. Kurz denkt er darüber nach, wieder zu ihm zu gehen, und sie ihm zu zeigen, aber dann beschließt er, dass er genau weiß, wie sein Job funktioniert. Er bereitet eine Nachricht vor, die er zuerst den großen Accounts zukommen lässt. Das Budget hat er sich vorhin bereits von Sasha absegnen lassen. Anschließend kümmert er sich um die kleinen Accounts und ist erstaunt, wie schnell einige von ihnen antworten.

Er schafft bis zum Feierabend noch ziemlich viel. Vier Werbeverträge sind bereits unterschrieben zurückgekommen und von drei weiteren Personen hat er eine schriftliche Zusage. Es ist ein gutes Gefühl, als er den Computer herunterfährt und seine leere Teetasse in die Spülmaschine räumt. Sasha kommt in die Küche. „Ah, Louis. Ich muss dich noch etwas fragen." Verwundert sieht er sie an. „Bald wird der erste Testdruck für Ed Ward erfolgen und zeitlich soll die Produktion der endgültigen Bücher anlaufen. Alle Teammitglieder können dann ein kostenloses Exemplar bekommen, möchtest du auch eins?" – „Von Harrys neuem Buch?" 

Sasha nickt. Damit hat Louis jetzt nicht gerechnet. „Ähm... danke, aber denke nicht", weicht er aus. „Ich habe im Moment genug um die Ohren und muss erst einmal meine Wohnung einräumen." – „Du liest nicht", bemerkt Sasha und Louis flucht innerlich. „Nein... also doch. Selten. Und keine Liebesromane." – „Sondern?" – „Wenn ich mal dazu komme, Krimis", erwidert Louis. Das ist sogar die Wahrheit. Und er will kein Buch von Harry bei sich zuhause stehen haben, der Grund ist viel wichtiger. Das kann er Sasha schlecht sagen.

„Okay. Wenn du es dir anders überlegen solltest, sag Bescheid." Er lächelt kurz. „Danke, mach ich."

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Louis will Harrys Buch also nicht. Wird er es noch lesen? 

Love, L

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