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S A N D R O

Traurig versuche ich meine schwarze Krawatte zu richten. Meine Wange schmerzt immer noch wie die Hölle und ich denke sie wird langsam taub. Meine Hände sind immer noch dreckig und egal wie oft ich dusche, sie werden nicht sauber. Ich glaube sie werde niemals wieder sauber. Immer noch höre ich die schreie meiner Mutter. Immer noch spüre ich ihre warmen Hände auf mir. Immer noch höre ich sie nach mir rufen. Immer noch spüre ich das Feuer um mich herum und höre wie das Auto explodiert.

Ich sehe in den Spiegel und frage mich ob ich jetzt bereit dafür bin. Für die Beerdigung meiner Mutter.

Unselbstbewusst sehe ich in den Spiegel und bemerke das mein Vater im meinem Zimmer erscheint. Seine kühlen Augen überfliegen mich streng. So war sein Blick davor nicht. Davor waren seine Augen voller Leben und wärme und jetzt ist da nur noch schwärze. Seine schwere und große Hand legt sich auf meine zierliche Schulter. Mein Vater ist ganze zwei Köpfe größer als ich und ich frage mich ob ich jemals so groß und stark wie er werde. So geordnet und so perfekt wie er. Mein Vater ist Perfektion und dafür bewundere ich ihn.

Geduldig und ruhig richtet er meine Krawatte und sieht dann vom Spiegel aus zu mir. Wir haben seit dem Unfall kein Wort gesprochen. Er hat mich nur angeschwiegen und ich bin dankbar dafür, weil ich nicht vor ihm weinen wollte. Mein Vater mag es nämlich nicht wenn ich weine, aber das ist okay. Umso mehr tröstete mich meine Mutter, doch jetzt ist sie nicht mehr da und das wird sie nie wieder mehr sein. Mein Vater richtet meine dunkelbraunen Haare und fixiert mich vom Spiegel aus an. Verzweifelt hebt er seinen Mundwinkel und ich tue es ihm gleich. Er ist mein Vorbild. Ich wünschte ich wäre so wie er. Er sagt und macht immer das richtige. Nicht so wie ich.

"Du bist jetzt kein kleiner Junge mehr Sandro. Ab heute bist du ein erwachsener Junge. Du wirst später mal ein ehrenvoller Salvatore." sagt mein Vater voller Überzeugung und ich bin mir sicher, das man diese Worte mit vierzehn Jahren ganz bestimmt nicht hören wollte, doch die Motivation in seiner Stimme, baut mich auf. Sie hilft mir eine Mauer um mein Herz zu bauen. Eine Mauer hinter die niemals jemand sehen kann. Er sagt mir nicht das ich nicht schuld daran bin. Er sagt nicht das wir es schaffen. Er sagt nicht das er mich liebt. Er glaubt bloß an mich und das ist mehr als ich erwartet hatte.

So viele Worte liegen in der Luft, doch wir schlucken sie beide runter. Ich weiß das er immer da sein wird. Ich weiß das er uns beschützen wird und wenn er irgendwann nicht mehr da sein wird, werde ich es. Heute ist der Tag an dem ich mir schwöre meine Geschwister zu beschützen und das mit meinem Leben. Ich werde jede Drecksarbeit übernehmen, nur damit sie ihre Hände nicht dreckig machen müssen, auch wenn das heißt mich für immer zu verschließen. Auch wenn das heißt für immer auf mein Herz zu verzichten. Auch wenn das heißt mein Herz sterben zu lassen, nur damit ich keinen Schmerz mehr fühle.

Genauso wie Heute. Der Regen prasselt auf das Fenster und erhebe meinen Blick. Die Wolken werfen einen Schatten auf Palermo genauso wie der tot meines Vaters.

Ein Herzinfarkt? Das ich nicht lache. Der große, starke und mächtige Alessandro Salvatore lässt sich durch einen Herzinfarkt umlegen? Unglaublich, aber Wahr. Ohne Vorwarnung. Ohne Vorbereitungen, obwohl ich mir sicher war mein Vater hat alles für seinen Tod abgesichert. Dafür war dieser Mann viel zu schlau, viel zu durchtrieben und viel zu ehrlich. Ich frage mich ob er angst hatte, als er starb. Ich frage mich ob er an uns gedacht hat. Ich frage mich ob er nach Hilfe gebettelt hat. Er und nach Hilfe betteln? Nichtmal das traue ich ihm zu. Er hat bestimmt gegen sein Herz gekämpft, doch er wusste nicht das er diesen Kampf verlieren würde.

Good Rosita Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt