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„Äh...also... ich..."  versuchte sie ruhig zu bleiben und einfach ohne alle Emotionen nachzudenken.

Er meinte gerade wohl echt die Art wie sie hinsehen konnte, wenn er jemanden umbrachte!

Die Art ... Gott!
„Ich hasse die Kopf-Ab-Nummer der Samurai-Gildach.", gestand sie ihm schließlich leise schaudernd. „Das... ist nicht mein... ich...ich  meine, mir wird dabei ganz schlecht, wenn ich das sehen muss und ich glaube ... auf der Erde hab echt fast gekotzt und... ich meine da fließt einfach viel zu viel Blut und dann noch der Kopf der dann durch die Gegend fliegt...", stotterte sie verstört. Sie flatterte kurz mit den Händen, immer noch schrecklich verwirrt,  warum sie sich damit nun überhaupt beschäftigen sollte.
Konnte ihm doch im Grunde scheißegal sein, ob sie Blut sehen konnte oder nicht... oder?
Doch sie schüttelte sich alleine bei der Vorstellung und Erinnerung an die grauenhaften Bilder auf der Erde und er nickte ganz kurz und sehr ernsthaft.

„Also nicht die schnelle Variante. Angesichts deiner taumatischen Erlebnisse auf der Erde verstehe ich das, Lena und denke bitte nicht dass ich dich gerade irgendwie prüfen oder quälen möchte. Ich will dir nur eine Hilfe bieten, die Dinge hier besser zu bewältigen, die du so nicht gewohnt sein kannst und darum auch gar nicht kennst. Ich weiß das Menschen der Erde und besonders in Deutschland die Todesstrafen auf Verbechen der Tak ablehnen. Meine Schwägerin ist ein Mensch und sie ist voller Verachtung für diese unsere Sitte.
Doch hier geht es tatsächlich nicht mehr nur um solche, sondern auch um dich. Denn ich will dich nicht gleichsam bestrafen, indem ich dir gewaltsame Bilder zumute. Was also denkst du, kannst du denn vielleicht eher mit ansehen oder ertragen?", fragte er sie weiter, ganz ruhig so als sprächen sie gerade über das Wetter.
Lena hob kurz nervös schluckend die Schultern und dachte dabei gleich an alte Mittelalter- oder Samuraifilme wo der Körper immer von den Schwertern durchbohrt wurde.
So was hatte sie sich früher immer mit ihrem Vater angesehen. Er hatte dann immer grinsend gesagt, das ist nicht echt, auch wenn da Blut aus den Körpern nur so rausgespritzt kam wie sau. Irgendwie hatte sie dann irgendwann diese Schauspielertheatersachen lustig gefunden. Es kam einfach nicht mehr so an sie heran.

„Ah... verstehe. Diese Art ist zwar recht gemein, weil es noch eine Weile Quält. Doch ich diene dir gern, wenn du es so dann gut ertragen kannst.", erklärte Kyl, obwohl sie ja nichts darüber gesagt hatte, sich nur gerade daran erinnert...
Er nickte dennoch ganz ernsthaft, so als hätte sie es ihm gerade lang und breit erklärt, was das mit den Filmen von den Samurai aus Japan so an sich hatte. „Man lebt noch einige Quinten lang weiter, wenn man nicht gleich eine Aorta trifft und der Körper schnell ausblutet. Wie sieht es aus mit dem Öffnen einer Schlagader am Hals oder den Armen oder Beinen? Das kann manchmal auch sehr spritzen.", diskutierte er nun ganz sachlich mit ihr, so als wäre das alles ganz normal.
Er lächelte kurz und es sah nett aus, obwohl das Thema so makaber war. Sein Lächeln war warm... Aber sie hatte doch gerade eben gar nichts zu ihm gesagt? Oder doch? Hatte sie irgendwas nicht mitbekommen?

„Ich kann mich mit deinen Gedanken verbinden, Lena, wenn du mir nicht schnell genug antwortest und ich wissen möchte was gerade in dir vorgeht. So weiß ich zumindest ob das Gespräch dich nicht vielleicht überfordert oder dich über die Maßen belastet. Ich freue mich dass dass gerade nicht der Fall ist, du bist verständlicherweise nur sehr verwirrt - auch von meiner recht nüchternen Art, was ich gut finde.
Und Gedankenlesen und Gefühle erspüren...  das können beinahe alle Jemay.", erklärte er ihr noch schmunzelnd, weil sie sich das gerade noch gefragt hatte.
Doch dann wurde er sofort wieder ernsthaft, wahrscheinlich weil sie ebenfalls durch sein Lächeln angesteckt den Mundwinkel nach oben verzog.

„Ich sehe es genau so wie du, Lena. Du lächelst, wenn auch nur kurz und ich sehe dabei Leben und Freude in dir schlummern. Es erfreut und wärmt mich ebenfalls, wenn ich es an dir sehe. So wie dich auch mein Lächeln wärmt. Irgendwann wirst du vielleicht auch lernen wieder richtig zu lachen... und ich lerne es dann vielleicht mit dir zusammen. In den letzten 20 Triaden gab es für uns alle nur wenig Grund zu lachen.
Die große Verantwortung, welche auf mir lastet, als Erbe unseres Hauses; die Ausbildung zum Jemay an der Schule der hohen Kunst; meines Vaters Bürden und meine Verpflichtung mir eine Gefährtin zu nehmen, welche zunehmend drängender wurde...
Du gibst mir gerade ebensoviel wie ich dir gebe, mit dieser Verbindung, Lena. Denke bitte nicht das du gerade wenig tust oder mich gar ausnutzt, da du ja nun deine Familie suchst und vermisst.
Es ist nicht gleich diese Begrifflichkeit Ausnutzen für uns Tak, wenn wir unserer Gefährtin gefallen möchten und dazu ihre Wünsche erfüllen.
Dies ist lediglich guter Anstand und Sitte bei uns. Deine Wünsche werden zu meinem Begehr diese zu erfüllen. Und guter Anstand von dir wird es sein mir deine Vorlieben und Abneigungen sehr ausführlich und in aller Deutlichkeit zu erklären und sei es auch nur in Gedanken oder Gefühlen. Was ich aus deinen Gefühlen heraus schließe ist, das es dir generell zuwider geht gleich welche Wesen auch immer sterben zu sehen, egal auch auf welche Art und Weise. Also ist es dir natürlich gestattet in einem solchen Fall auch fort zu schauen.
Das tut Kitoma, das ist meine Ahma, du nennst es Mutter, auch immer. Sie sieht auf ihre Hände oder auf ihre Kinder, auf ihren Gefährten, überall hin, nur nicht auf den, der getötet wird und zeigt derweil dennoch Haltung.
Kannst du das, Lena? - Haltung Zeigen, meine ich?", fragte er sie frei heraus.
„Haltung...", krächzte sie kurz und nur wieder sehr verwirrt. „... also du... du meinst damit so aufrecht sitzen oder stehen bleiben und nicht gleich losreihern oder irgendwie rumheulen, oder wegrennen, wenn einer mit Todesstrafe stirbt?", fragte sie ihn mit belegter Stimme.
„Genau das.", gab er wieder so freundlich und warm blickend zu und nickte ermutigend.
Er sah so schön aus wie ein Engel und redete doch vom Tod, was Lena gerade unendlich schade fand, aber wohl nicht zu ändern war.
Er war schließlich ein Krieger von einem fremden Planeten, das dürfte sie nicht vergessen.
„Okay... ja. Ich glaub das schaff ich. Wenn ich ... dich vielleicht statt dessen ansehen darf?", schlug sie ihm nun so halbwegs vor. Er hob den Kopf, sah sie fragend an.
„Mich ansehen?"
„Du ...also, du bist so gelassen und ruhig. Das hat von vornherein so'n bisschen auf mich abgefärbt.", gestand sie ihm leise.
„Und wegen meiner Ruhe und Gelassenheit
hast du mich auch gewählt, nicht wahr? Weil du jemanden brauchst der Ruhe und Gelassenheit in dein chaotisches Leben bringt, so wie deine Mutter zuvor.
Doch bedenke bitte, dass ich nicht sie bin und ihre Stellung auch niemals einnehmen kann.", wies er sie ernsthaft zurecht.

Lena fühlte sich sofort Tomatenrot anlaufen vor Verlegenheit. „Bedenke du bitte ebenfalls das ich das sehr wohl weiß, Kyl.", platzte Lena  ganz ohne nachzudenken, nun doch ziemlich ärgerlich heraus. „Du bist 'n Kerl und noch nicht mal ein Mensch, also bitte! Halt mich nicht für dumm oder naiv, nur weil ich gerade irgendwie dauernd in Lebensgefahr schwebe oder die Jäger mich fast zu Tode geprügelt haben.", wehrte sie sich zum ersten mal aufbrausend gegen seine Mutmaßungen, wurde dann aber doch schnell noch viel röter. - Weil er wieder nur schmunzelnd lächelte und ihre Hand an seinen Mund hob, einen sachten Kuss daraufhauchend.

„Gut. So sei es. Ich werde nicht zu schnell töten, dir zuvor zunicken und du darfst mich ansehen, wann immer du es willst, meine Gefährtin. Wenn ich die Zeit und den Raum dazu finde werde ich dir meine Stärke, Ruhe und Kraft schenken, indem ich zurückblicke. So wie du es gerne möchtest.", stand er wieder auf und verneigte sich halb vor ihr, bevor er dann aber gleich nochmal vor ihr niederkniete und ihr ihren zweiten Schuh bereitstellte.
„He, ich bin doch nicht Aschenputtel!", mokierte Lena sich kurz darüber, doch insgeheim tat ihr Herz einen kleinen Hüpfer und ihre Gefühle fuhren Achterbahn, als er sachte ihre bestrumpfte Wade umfasste, ihr den Stiefel überstreifte und blitzschnell verschnürrte.
Er erhob sich wieder, stand vor ihr nun einen ganzen Kopf und noch einen halben größer als sie selbst und zog behutsam ihre eingeklemmten Haare aus dem Umhang heraus, um sie über dem tiefschwarzen leicht schimmernden Umhang Stoff auszubreiten.
„Wie Flammenzungen eines lodernden Feuers. Es ist schlicht atemberaubend solch faszinierend rotes Haar zu sehen, Lierjah.
Die Menschen lassen es in der Regel in den nördlichen Ländern auch nicht ganz so lang wachsen, doch hier ist solches Haar ein Ausdruck weiblicher Schönheit.
Die Deine ist ehrfurchtgebietend, selbst wenn
du mir das gerade nicht glauben möchtest. Es wird viele Krieger geben die mich um dich beneiden werden... - wenn sie erst einmal verdaut haben, dass auch ich mir einen Menschen zum Gefährten gewählt habe, so wie meine älteren Geschwister.", teilte er ihr gleich wieder deutlich fröhlicher auftretend mit.

Lena begriff allerdings nicht so recht, was er damit meinte, doch sie hatte zumindest verstanden, dass er sie bis auf weiteres in Ruhe lassen würde, dass er Gedanken lesen konnte und Gefühle erspüren... irgendwie.
Aber er war ja schließlich auch ein Alien und kein Mensch.
Er griente kurz, schnaubte noch kürzer, dann sah er sie wieder belustigt an.
„Deine Gedankengänge gefallen mir gerade nicht so recht, muss ich dir gestehen.", lächelte er und strich mit einem seiner Finger über ihr Gesicht bis zu ihrem Mund hinab, was Lena ganz zittrig machte.

„W... Warum denn nicht?", fragte sie ihn atemlos stammelnd, da lachte er tatsächlich kurz und richtig fröhlich auf. Als währe er ein ganz normaler Junge und kein abgefahrener Alienkrieger. „Oh- oh, tu das nicht, Lena! Ich habe ersthaft zu sein und kühl, nicht belustigt oder freundlich. Doch ...kann ich mich kaum bezähmen, wenn ihr Menschen zwischendurch an sogenannte Aliens denkt, wie aus euren Gruselvorstellungen. Da kommen immer solch seltsame Figuren mit Tentakeln und Stacheln oder Zacken am Körper, Birnenkopf und silbernen Mandarinenscheibenaugen heraus, die scharfe Reißzähne haben und sich nur per Telepathie miteinander verständigen können.", grummelte er und zwinkerte ihr dann aber doch wieder belustigt auflachend zu, bevor er wieder ganz schnell auf kühl und ruhig umschaltete.
Lena hatte gerade noch schüchtern mitgelächelt, doch nun schloss er einfach nur ernsthaft die große Brosche an seinem schwarzen Umhang, und zupfte hier und da an ihren roten Locken herum, wie um sie zu ordnen.
„Danke!", sagte sie schließlich nur leise zu ihm als er von ihr ließ und einen kleinen Schritt zurücktrat. Sofort fühlte sie sich ein kleines bisschen besser. Denn wenn er so nahe vor ihr stand konnte sie fast vergessen wer und was er war.

Takolia - Zwischen Schicksal und GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt